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Namen sterben nicht aus
Die Österreichisch-ungarische Monarchie beherbergte viele Völkerschaften, die sich in bunter Mischung vor allem in Wien, der Reichshaupt- und Residenzstadt, zusammenfanden. Eine besondere Rolle spielten dabei unsere nördlichen Nachbarn, die Tschechen. Das läßt sich an den Familiennamen, die sich durch Generationen forterbten, deutlich ablesen.
Beginnen wir gleich mit unserem gegenwärtigen Staatsoberhaupt: Kle-stil. Das tschechische Zeitwort klestit bedeutet in der Nennform: einen Weg bereiten, einen Weg bahnen, lichten. Die Vergangenheit (im Tschechischen gibt es nur eine einzige Präterital-form, welche für die Mitvergangenheit, Vergangenheit und Vorvergangenheit gleichlautet) wird durch ein Schluß -1 gebildet: klestil heißt demnach: Er hat sich den Weg gebahnt, im vorliegenden Fall ein aufschlußreicher Name.
Unter österreichischen Politikern sind so einst wie heute viele Namen tschechischer Herkunft zu finden, wenn auch in der Schreibweise manchmal ein wenig verändert. Beginnen wir mit Vranitzky: vräna heißt Krähe, vranfk = der Rappe, das schwarze Pferd, vraniky = dunkelschwarz, rabenschwarz, also in der Farbe das Gegenteil des Namensträgers. Der vielzitierte Finanzminister Lacina läßt sich von laciny (weibliche Form lacina, ableiten, das heißt billig, was die Steuerzahler als nicht zutreffend bezeichnen werden. Mock entspricht dem Substantivum mok, was Flüssigkeit bedeutet. Dohnal ist die Vergangenheitsform des Verbums dohnat, worunter man einholen, treiben versteht, das Perfektum also eine, die eingeholt, getrieben hat, was der Wesensart der Namensträgerin halbwegs entspricht. In lautlich etwas abweichender Schreibweise entspricht Busek der Form buzek (das z ist ein stimmhafter sch-Laut), was Götze beziehungsweise heidnische Gottheit bedeutet, während Koren seine Entsprechung in koren findet (f— Verbindung rund sch, jedoch alsein Laut gesprochen) ein Wort, das Wurzel bedeutet. Hesoun (tschechisch he-zoun) nennt man einen „feinen Kerl”. Kukacka, im Tschechischen kukacka, heißt Kuckuck. Angehörige einer älteren Generation werden sich noch an den Namen Seitz erinnern, der in der Ersten Republik Bürgermeister von Wien war. Das lautlich etwas anders geschriebene Wort zajfc heißt Hase.
Im Bereich der Literatur und Kunst stößt man immer wieder auf Namen tschechischen Ursprungs. Der Dichter Kafka hat seinen Namen von kav-ka = Dohle, und der Dichter hat sich selbst mit einer umherhüpfenden Dohle verglichen. Robert Musil bezieht seinen Familiennamen von der Präteritalform musil des Zeitwortes musit = müssen. Die Lyrikerin Christine Busta hat ihren Familiennamen von tschechisch busta = Büste. Der Maler und Dichter Kokoschka benennt sich nach der Pflanze kokoska = Hirtentäschel, während der Bildhauer Hrdlicka, in der Schreibung hrdlicka, Turteltaube heißt. Nur in der veränderten Schreibweise unterscheiden sich die Namen der Schauspielerinnen Paula Wessely und Hilde Krahl von der Herkunftsprache (vesely = lustig, kral = König).
CSR-Österreich: ein Heimspiel
Fast unübersehbar sind tschechische Namen im Bereich des Sportes, vor allem im Fußballsport. Von frühesten Zeiten an konnte man bei Länderspielen zwischen Österreich und der Tschechoslowakei oder Städtespielen zwischen Wien und Prag den Namen der Spieler schwer entnehmen, aus welchem Land sie stammten. Nennen wir bekanntgewordene Spitzenspieler von einst und heute wie Sindelar (sindelar = Schindelmacher), Prohaska (prochäzka = Spaziergang), Uridil (ufitil = einer, der in Schweiß geraten ist), Zsak (zak = Schüler). Aus der Fußballgeschichte klingende Namen aus verschiedenen Vereinen: Kraupar (Rapidtormann, von kroupa = Hagel), Pekarna (einstiger Vienna-Tormann von pekarna = Bäckerei). Weitere Namen einstiger Fußballgrößen: Vecera (WAC, von vecer = Abend), Strnadt (Sportklub, von strnad=Goldammer), Fiala (Admira, von fiala = Veilchen), Listopad (Hertha Wien, von listopad = November, wörtlich Blätterfall), Homolka (F. C. Wien, von homolka = Quargel).
Vom Fernsehen beziehungsweise vom Rundfunk her sind bekannte Namen Broukal (von brouk, Käfer, broukal = einer, der gebrummt hat), Swietly (von svetly = hell), Eva Twa-roch (von tvaroh = Topfen, Quark).
Nennen wir in alphabetischer Folge noch etliche geläu-
Hrdlicka, die „grimmige” Turteltaube fige Familiennamen, die uns blickt auf zu besonders in Österreich, vor Kokoschka, dem allem in Wien, häufig begeg-Hirtentäschel nen: Beran (beranf = Widder), (Hopi/Kern) Bilek (bflek = Eiweiß), Bratranetz (bratranec=Vetter), Cerny (cerny = schwarz), Chalupa (chalupa = Hütte), Dostal (dostal = er hat bekommen), Hesky (hezky = schön), Hladky (hladky = glatt), Holub (holub = Taube), Jelinek (jelinek = kleiner Hirsch), Karas (karas = Karausche), Karasek (karäsek = Goldfisch) Krat-ky (krätky = kurz), Kutschera (kucera = Haarlocke), Lischka (liska=Fuchs), Maly (maly = klein), Navratil (nävrat = Rückkehr, Heimkehr), Nemetz (Nemec=Deutscher), Novotny (novy = neu). Otrube (otruby = Kleie), Pi-vonka (pivonka = Pfingstrose), Roky-ta (rokyta = Salweide), Sobota (sobo-ta = Samstag), Smetana (smetana = Rahm, Sahne), Sekanina (sekanina = Hackbraten), Sokol (sokol = Falke), Teply (teply = wärm), Utvary (ütvar = Gebilde), Wolny (volny = frei), Zah-radnfk (zahradnik = Gärtner), Zeleny (zeleny = grün), Zeman(n) (zeman = Landedelmann). Die Namensliste ließe sich vervielfachen.
Nicht jeder Mensch ist mit seinem Namen zufrieden. Doch er muß ihn tragen, weil er ihm angeboren ist wie die leibliche und seelische Konstitution. Manche Frauen freuen sich, wenn sie durch Heirat einen anderen Namen erhalten, der ihnen besser gefällt. Doch heute kann auch der Mann den Namen der Frau wählen, mit der er vermählt ist. Um Namensänderung läßt sich gleichfalls ein Ansuchen stellen. Doch die meisten empfinden dies als eine Art Pietätlosigkeit gegen ihre Vorfahren.
Namen sind eben doch nicht Schall und Rauch.
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