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Namibias neue Ära

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Im Juli wird UNO-Generalsekretär Perez de Cuel-lar Namibia besuchen und die Operation der Dekolonialisierung des ehemaligen Südwestafrika beobachten. Die UNO trägt die Hauptverantwortung für eine der letzten Dekolonialisierungen Afrikas.

1968 w\irde diesem Land der Name Namibia verUehen, weil die Wüste Namib einen Großteil der Fläche dieses Landes - 800.000 Quadratkilometer einnimmt

Als ehemalige deutsche Kolonie stand das Land die letzten 74 Jahre untersüdafrikanischerVerwaltimg: 1915 hat Südafrika de facto die Verwaltung übernommen, 1920 wxu:de sie ihm offiziell vom Völkerbund zugesprochen. 1946 haben die Vereinten Nationen Südafrika gebeten, seine Verwaltung ztirückzu-ziehen \md das Land einer internationalen Schirmherrschaft zü übergeben. Pretoria lehnte ab. Daniais begann der 43 Jahre währende Konflikt zwischen der UNO und Südafrika. Ungeachtet dessen, daß die UNO 1966 das Mandat Südafrikas in Südwestafrika offiziell beendete, daß der internationale Gerichtshof 1971 die südafrikanische Präsenz in Namibia für illegal erklärte, war Pretoria nicht zu einem Rückzug bereit Welches Land will schon ein Gebiet aufgeben, dessen Diamantenschätze den dritten Platz Inder Weltrangliste einnehmen, und dessen Uranvorräte an vierter Stelle liegen!

Au^rund dieser Lage organisierten sich nationalistische Bewegungen, die denpolitischenimdgeweriE-schaftlichen Kampf im Land führ^ ten. Eine von ihnen übernahm die Führung. Auf der ethnischen Basis gebildet - die Ovambo stellen die Mehrheit der namibischen Bevölkerung (1,2 Millionen Einwohner, davonlOO.OOOWeiße)-istdie Ovambo People’s Organisation die erste nationalistische Partei der fünfziger Jahre. 1960 hat sich daraus die South-West African People’s Organisation (SWAPO) gebildet Da weder die poU-tischen Mittel noch der Druck von selten der UNO erfolgreich waren, entschloß sich die SWAPO 1966 zum bewaffneten Kampf gegen Südafrika. Bis 1988 hat dieser Krieg 20.000 Menschen das Lesben gekostet und 80.000 bis 100.000 Menschen ins Exil getrieben.

In einem 23jährigen Krieg schaffte es die SWAPO, die 1973 als einziger legitimer Vertreter Namibias von der UNO anerkannt wurde, nicht, das Land zu „befreien“. Aber sie kommt jetzt wahrscheinlich aufgrund eines regionalen Reglements an die Macht Südafrika hat sein Ziel - die Sympathie des Volkes zu gewinnen -nicht erreicht Der aktive Prozeß der Entkolonialisierung vmrde 1978 mit der Resolution 435 des UNO-Sicherheitsrates begonnen. Diese Resolution legt die Bedingimgen für die Unabhängigkeit Namibias fest; dassinddieB eendigung der Kampfhandlungen und freie Wahlen unter der Axifsicht der UNO.

Seit 1982 knüpft Pretoria die Unabhängigkeit Namibias an den Abzug der Kubaner aus Angola -das schien damals ein unrealisierbares Verlangen. Aber man hat hier die internationale Entspannungspolitik avißer acht gelassen, dank der die USA und die UdSSR mm bestrebt waren, das Namibiaproblem und den AngoIakonHikt gleichzei tig zu lösen. Der im Dezember 1988 von den Angolanern, Kubanern, Südafrikanem und Amerikanern mit dem Einverständnis der Russen unterschriebene Vertrag eröffnete die MögUchkeit, die Unabhängigkeit Namibias ab dem 1. April dieses Jahres einzuleiten. Jetzt mxiß die UNOmitihrerGANUPT(Hilfsgrup-pe für die Übergangszeit) diese Operation durchführen.

Seit dem ersten Juli läuft der Wahlkampf. An diesem Tag hielt die SWAPO ihre erste Wahlveranstaltung ab. Die Partei Sam Nujo-mas hofft, am 1. November diese Wahlen zu gewinnen imd mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit ins zukünftige Parlament einzuziehen. Das würde der SWAPO ermöglichen, die neue Verfassxmg ohne Zusammenarbeit mit einer zweiten Partei herauszugeben. Diese Vorstellung be imruhigt die Weißen: weim auch ein Sieg der SWAPO sie nicht ver^ schreckt, so wünschten sie doch nur deren relative Mehrheit, denn daim müßte die SWAPO einen Konsens mit anderen Gruppen suchen.

Die SWAPO wiederum ist beunruhigt, weil Südafrika Destabilisie-rungsversuche imd „illegale Prozeduren“ unternimmt, um den Erfolg der SWAPO zu stören. Für diese Vermutungen gibt es konkrete Anhaltspunkte: Pretoria versucht, eine Anti-SWAPO-Front aufeubau-en, und gewährt allen Gegnern der SWAPO, wie zum Beispiel der DTA (Allianz ethnischer Parteien), finanzielle Unterstützung.

Die Weißen, die extrem rechts ausgerichtet sind, finden, daß die „kommxmistische und atheistische Ideologie“ der SWAPO 70 Prozent der Weißen aus dem Land vertreiben wird. Aber unter den Weißen (aller Professionen und sozialen Gruppen) gibt es auch solche, die mit Ungedvdd axif die Unabhängigkeit warten und wünschen, daß Windhoek eine SWAPO-Regierung bekommt. Die SWAPO selbst will keinen avifgesetzten Kommimismus, sie verleugnet aber auch ihre privilegierte Beziehung zur Sowj etiinion und zu den anderen Ostblocklän-dem während des Befreiungskrieges nicht.

Obwohl der Prozeß der Unabhängigkeitserlangung immerwieder auf Schwierigkeiten stößt, so ist er doch unaufhaltsam. Eine neue poÜtische, soziale und kulturelle Ära öffnet sich; alles muß man bauen: Unabhängigkeit xmd Einsatz; die Vereinigung der vielen Rassen muß gelingen - Schwarze und Weiße und Mischlinge müssen gemeinsam der 160. Mitgliedsstaat der UNO werden.

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