Narrenkastl

Wie sehen Sieger eigentlich aus?Im Sport ist die Angelegenheit ganz einfach, der Schiedsrichter oder die Stoppuhr lassen keine Interpretation zu, wer am Ende die Nase vorne hat. Der Verlierer kann bestenfalls den moralischen Sieg für sich reklamieren.

Auch Filme pflegen für gewöhnlich am Ende einen siegreichen Helden zu präsentieren. Und wenn's traurig enden soll, dann ist wenigstens das Ergebnis klar. Schließlich soll der Zuseher wissen, ob er traurig oder befriedigt vom Leinwandabenteuer Abschied nehmen kann.

Gänzlich österreichisch ging es hingegen letzten Sonntag auf den Bildschirmen zu. A ber da lief auch das Finale der österreichischen Nationalratswahl.

Es gab drei Sieger und einen Verlierer. Die SPÖ, die FPÖ und die Grünen hatten die Nase vorn, einzig die ÖVP war ins Hintertreffen geraten.

So zumindest lauteten die Selbstauskünfte der Parteien, die der ORF in den Parteisekretariaten einholte.

Nun kann es bei Wahlen immer mehrere Sieger geben, denn schließlich treten nicht nur zwei Mannschaften gegeneinander an und schließlich hängt der Sieg oder die Niederlage in der Politik nicht zuletzt davon ab, wie hoch sich jeder einzelne die Latte selbst legt. Und überdies kann durch rhetorisches Geschick noch im nachhinein eine Niederlage in einen Quasisieg um-gewandelt werden.

Aber den Verlust von zehn Mandaten, von zehn Prozent seiner Wähler als Sieg zu verkaufen und als großen Tag für die Partei, das ist schon mehr, als sonst der gelernte Österreicher gewohnt ist.

Und wenn es Schule macht, daß Sieger so aussehen, dann wird der Blick ins Kastl unversehens zum Blick ins Narrenkastl.

Gerade das darf aber nicht passieren, ist doch die österreichische Seele sosehr auf eine dramaturgisch klar aufgebaute Welt getrimmt, daß Verwirrung und Entwurzelung die Folgen wären.

Der österreichische Weg der Säkularisierung des elektronischen Hausaltars steht aber zum Glück nicht unmittelbar bevor, denn Wahlen gibt's nur alle heiligen Zeiten.