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Nationales Gezwitscher

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Die als „Jolly Joker“ der österreichischen Innenpolitik denkbare FPÖ trägt Bleigewichte, die im Laufe der letzten Jahre immer schwerer wurden, mit sich. Bleigewichte personeller, ideologischer und sachlicher Art. Seit der letzten Nationalratswahl im Oktober 1975 sind diese Bleigewichte so schwer geworden, daß die FPÖ heute nahezu bewegungslos ist. Allmählich verwehen selbst die Kriechspuren, die

Kronprinz in spe Horst Sehender: Jung und deutschnational

diese Partei in die innenpolitische Landschaft gesetzt hat.

Das alles spürt die FPÖ-Führung natürlich mit weit größerer Intensität als ihre Wähler, die sich von dieser Partei sehr dezent verabschieden: nicht im Ruck-zuck-Verfahren, sondern einer nach dem anderen, ohne große Worte, fast lautlos. Und das seit bald zwanzig Jahren, so daß es wirklich nur eine Frage der Zeit ist, wann die FPÖ bundesweit endgültig unter die 5-Prozent-Grenze in die Bedeutungslosigkeit gefallen ist. Die letzten Meinungsumfragen deuten eine Verstärkung dieses Entwicklungsprozesses an.

Im 19. Jahr seiner FPÖ-Führer-schaft hat sich Friedrich Peter eine Meinungsumfrage bestellt, die ihn noch „durchsetzungsfähiger, diplomatischer, väterlicher, an Lebenserfahrung reicher, liberaler und fortschrittlicher als vorher“ — also vor der Wiesenthal-Kreisky-Peter-Affäre — ausweist. Die Herzen aller österreichischen Wähler fliegen ihm zu, seit bekannt ist, wie einig doch diese Partei hinter ihrem Führer steht.

Dieses sensationelle Ergebnis soll Peter bis zum Jahre 1978 an der Parteispitze halten (denn dann hätte er auch das zwanzigjährige Jubiläum an der FPÖ-Spitze geschafft) und ihm auch das Entscheidungsrecht über die Person seines Nachfolgers einräumen. Weder Alexander Götz noch Gerulf Stix sollen es sein, sondern sein ehemaliger Schwiegersohn Horst Sehender. Dafür tritt nach langen Unter-vier-Augen-Gesprä-chen nun auch Götz selbst ein, der sich „von dem Stil, wie er in der Bundespolitik offenbar nötig ist, so fern wie nur möglich halten will“.

Horst Sehender teilt mit seinem Ex-Schwiegervater viele Gemeinsamkeiten. Er ist Oberösterreicher, Lehrer und Peters Nachfolger in der Position des oberösterreichischen FP-Obmannes. Er führte seinen ersten Landtagswahlkampf ganz nach dem Geschmack seines großen bundespolitischen Vorbilds, redete im Frühherbst den Oberösterreichern so lange ein, daß er mit seiner Partei das politische Zünglein an der Waage sei, bis ihm die Wähler eine gewaltige Abfuhr erteilten und der ÖVP die absolute Mehrheit zusprachen. Als er die Bitternis über den Verlust einer sicheren Positon in der Landesregierung verwunden hatte, stürzte er sich auf Organisationsfragen. Immerhin gelang es ihm, die oberösterreichische FPÖ zur stärksten Landesorganisation zu machen, also der Kärntner FP den Rang ab-

zulaufen. Das hat ihm innerhalb seiner Partei große Bewunderung eingetragen, mehr Bewunderung jedenfalls als seine Haltung zu wichtigen Problemen der Bundespolitik. Denn hier glänzt er durch Naivität, die beweist, daß das alte FPÖ-Pro-blem, die Bewältigung ihrer Vergangenheit, keineswegs nur eines der Generation ist. Es tritt bei einigen Jungen in der FPÖ noch viel schärfer zutage, weil sie sich erst gar nicht auf eine Differenzierung einlassen — wie die Alten sungen, zwitschern auch die Jungen, nur oft noch lauter. Wie es in der Genera-

tion der 30- und 40jährigen FPÖ-Funktionäre eine liberale Gruppe gibt (etwa den Salzburger Friedhelm Frischenschlager, den Wiener Bruno Müller und den Niederösterreicher Georg Hanreich), gibt es auch eine starke deutschnationale Gruppe, für die Österreich „nicht ums Verrek-ken“ Nation sein kann und darf. Horst Sehender hat sich in dieser Gruppe einen guten Namen gemacht.

Offensichtlich wird hier eine als dritte Kraft potentiell interessante Partei von der eigenen Führung auf mittlere Sicht zerstört. Natürlich wissen auch die Liberalen in der

FPÖ, daß hier mit Vehemenz der Abschied der FPÖ von der Innenpolitik betrieben wird. Doch wird dieses Problem nicht diskutiert, sondern in der Öffentlichkeit totgeschwiegen. Natürlich wissen auch wesentliche Gruppen in der FPÖ (ihnen gehören so grundverschiedene Politiker wie Alexander Götz und Otto Scrinzi an), daß diese Partei in den letzten Jahren vom SPÖ-Partei-vorsitzenden Kreisky fast zu Tode gestreichelt worden ist. Doch man spricht nicht darüber. Sieht nur zu, wie etwa im Burgenland der FPÖ-Landtagsabgeordnete Richard Rezar um sehr billiger Vorteile willen einer Landesverfassung zustimmt, die automatisch die stärkste Gruppe begünstigt und im übrigen die Zukunft der burgenländischen FPÖ aufs Spiel setzt.

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