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NATIONALPARK HOHE TAUERN

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Die Realisierung des erstmals 1909 in der nun mehr als 80jährigen Planungsgeschichte erwähnten Nationalparkprojektes in den Hohen Tauern gilt wohl als das Beispiel schlechthin, daß Nationalparks dieser Größenordnung Zeit, Geduld und die Akzeptanz der berührten Bevölkerung bedürfen. Seit der Dreiländervereinbarung von Heiligenblut am 21. Oktober 1971 zwischen Kärnten, Salzburg und Tirol werden im heurigen Herbst 20 Jahre vergangen sein: Zu diesem Zeitpunkt hat das säumige Tirol die gesetzliche Verankerung seines Anteiles zugesagt.

Bewegung in die erstarrten Fronten brachte 1981 das Land Kärnten mit der Erklärung von Teilen der Glockner- und Schobergruppe zum Nationalpark Hohe Tauern, gefolgt vom Beschluß des Salzburger Nationalparkgesetzes Hohe Tauern 1983. Zuvor hieß es noch, die vielfältigen Nutzungsinteressen von Energie- und Tourismuswirtschaft sowie die Bedenken der skeptischen Bauernschaft auszuräumen.

Die Kleinkammerung der Hohen Tauern, die über Jahrhunderte hindurch genutzte und gepflegte Kulturlandschaft in den Außenzonen, die Vielzahl der bäuerlichen Grundbesitzer und die rund 60.000 in der Nationalparkregion lebenden und wirtschaftenden Menschen sind eben nicht vergleichbar mit unerschlossenen und menschenleeren US-Prärien am Ausgang des 19. Jahrhunderts.

In diesen Hohen Tauern stellt die enge und vielfältige Verzahnung von unberührten Naturlandschaften und den daran anschließenden Almenkulturen den besonderen Reiz für die

Nationalparkrealisierung dar. Von jeher bestanden daher vitale touristische und auch energiewirtschaftliche Interessen, diese Landschafts- und Wasserkraftressourcen intensiv zu nutzen. Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, alle schitechnischen Erschließungsprojekte in diesem Gebiet von der Gamsgrube auf den Fuscherkarkopt'. über Sonnblick-kees mit Hoch Fürleg für den Gletscherschilauf, bis zur Venediger-Süd/ West-Abdachung aufzulisten.

Wäre es nach den Vorstellungen der E-Wirtschaft gegangen, dann flösse heute vielleicht noch ein einziger von den mehreren Dutzend repräsentativen Gletscherbächen, nämlich die Krimmler Ache, unberührt und un-

Der Nationalpark soll den Konkurrenzneid bei anderen Bergregionen anstacheln... manipuliert vom Gletscher bis in das vorgelagerte Talsystem. Im gesamten Bundesland Kärnten besteht kein einziges dieser für das vergletscherte, kristalline Hochgebirge charakteristischen Wesensmerkmale mehr!

Deshalb ging es der Nationalparkplanung in den Hohen Tauem zunächst einmal in einem von der Dreiherrnspitze im Westen bis zum Katschberg im Osten reichenden 2.600 Quadratkilometer großen Planungsraum um die Sicherung qualitativ geeigneter Nationalparkflächen.

Zur Zeit sind in Kärnten und Salzburg auf der Basis von eigenen Nationalparkgesetzen 1.176 Quadratkilometer in Kern- und Außenzonen sowie besonders geschützten Sonderschutzgebieten (Gamsgrube und Großglock-ner-Pasterze auf Alpenvereinsgrundbesitz; Piffkar in Salzburg) gesichert; in Tirol werden es nach Abschluß der Verhandlungen mit den Grundbesitzern im Februar 1991 zwischen 500 und 700 Quadratkilometer sein. Auf einer Fläche von 1.700 bis 1.900 Quadratkilometern sind dann alle großtechnischen Eingriffe (für Wasserkraftnutzung, Seilbahnen, Schlepplifte, Straßen für den öffentlichen Verkehr und so weiter) sowohl in den Kern- als auch Außenzonen ausnahmslos verboten.

Weitere Bestimmungen regeln die land- und forstwirtschaftliche Nutzung, das Mineraliensammeln, die Handhabung kleinsträumiger Landschaftseingriffe, die Befahrung der Täler im Rahmen der almwirtschaftlichen Nutzung und eines geregelten touristischen Taxiverkehrs in den Außenzonen und vieles andere mehr.

Dafür konnte in den wenigen Jahren der realen Existenz des Nationalparkrechts eine große Akzeptanz für dieses größte alpine Naturschutzprojekt bei der Bevölkerung erreicht werden. 90 Prozent der Bevölkerung in der Salzburger Nationalparkregion sprachen sich im Herbst 1990 für eine Beibehaltung oder einen weiteren Ausbau des Nationalparks aus, bei einer ähnlichen Befragung in Kärnten 77 Prozent. Mitausschlaggebend dafür ist wohl einerseits die mehrheitliche Mitwirkungsmöglichkeit von Einheimischen in den höchsten Nationalparkgemeinden als auch die Aufbauarbeit von vor Ort tätigen Nationalparkverwaltungen (Neukirchen am Großvenediger, Großkirchheim, Mallnitz, Matrei in Osttirol) unter Einsatz entsprechender Förderungen.

Aufgrund eines Staatsvertrages nach Art. 15a Bundesverfassungsgesetz (BVG) zwischen Bund und den Ländern Kärnten und Salzburg (Tirol kann sich anschließen) aus dem Jahre 1990 fließen zur Zeit 60 Millionen Schilling pro Jahr an Förderungen für

Maßnahmen zum Schutz der Natur, Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft, Wissenschaft und Forschung, naturschonenden Tourismus, kulturelles Leben und Öffentlichkeitsarbeit in die Nationalparkregionen.

Die zweite Phase dient der Hebung der Nationalparkqualität. Unter diesen Rahmenbedingungen gesicherter Flächen, Akzeptanz der Bevölkerung und der finanziellen Unterstützung sollte es möglich sein, ein nach Wall-nöfer (1971) „gewaltiges Modell in den Bereichen Naturschutz, Landschaftspflege und Umweltgestaltung zu erhalten”. Der Nationalpark Hohe Tauem sollte nach ihm für die gesamte europäische Alpenregion theoretische und praktische Maßstäbe der Landschaftspflege setzen.

Eine ganz wesentliche Voraussetzung für die qualitative Weiterentwicklung des Nationalparks ist das Zustandekommen einer „geistigen Harmonie” zwischen den Aktivitäten im Schutzgebiet und der Entwicklung im Dauersiedlungsraum. Die Nationalparkregion soll sich zum Testfeld für ein neues Mobilitätsverhalten für Gäste und Einheimische entwickeln. Im Nationalpark können durch freie vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Nationalpark und jedem Bauern zum Zwecke bestimmter Nutzungsformen oder Extensi vierun-gen neue Partnerschaften geschlossen werden. Der Nationalpark soll neben seiner naturschützerischen und wissenschaftlichen Herausforderung schließlich den Konkurrenzneid bei anderen Bergregionen anstacheln.

Die infrastrukturelle Aufbauarbeit im Bereich der Bildungs- und Informationsstrukturen ist in allen Regionen voll im Gange. Allerdings ist der Weg von der reinen Flächensicherung zu einem qualitativen Naturschutz in Kooperation mit den berührten Grundbesitzern ein langer Weg, - aber ein erklärtes Ziel im Nationalpark Hohe Tauem. Diesem und der Schaffung eines länderübergreifenden , ,Nationalpark-Daches” für eine gemeinsame Repräsentation, Marketing und Planung werden die Anstrengungen der nächsten Jahre gelten!

Der Autor ist Mitarbeiter des Österreichischen Alpenvereins in Innsbruck.

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