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NATIONALPARK IN DEN DONAU-AUEN OSTLICH VON WIEN

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Traditionsreicher Kulturraum, letztes Reservat fürviele Tiere und Pflanzen, Chance zur Energiegewinnung aus „sauberer” Wasserkraft, überwältigende Vielfalt an Arten und Landschaftsformen, leistungsfähiges Verkehrsband als Verbindung zwischen Ost- und Westeuropa, eindrucksvolle Emeuerungskraf t der Natur, ertragreicher Forst und attraktives Jagdgebiet -eine Fülle von Nutzungsansprüchen und schutzwürdigen naturräumlichen und charakteristischen kulturellen Gegebenheiten prägen die Donaulandschaft von Wien bis zur Staatsgrenze und darüber hinaus.

Gut erinnerlich bleibt den Österreichern der Streit um Hainburg als Standort für ein großes Donaukraftwerk kurz vor Weihnachten 1984. In der schließlich verordneten Nachdenkpause setzte die Bundesregierung die Ökologiekommission zur Beurteilung der Situation ein. Zahlreiche weitere Gruppen und Institutionen machten sich Gedanken um die Gestaltung des gesamten Gebietes und versuchten dies auch umzusetzen. Oft wurde gerade aus bester und grundehrlicher Absicht (sei es für den Naturschutz oder für das Kraftwerk) Skepsis bei Anrainern, Nutzem und Gemeinden in der Region ausgelöst. Durch verschiedene Vorschläge, Diskussionen und oft widersprüchliche Informationen sind viele Anrainer der Au verunsichert.

Diese oft ungeordnete Vielfalt soll nun in Bahnen gelenkt, Mißtrauen und Verunsicherung der Bevölkerung abgebaut werden: Mit einem Staatsvertrag erfolgte 1990 der offizielle Startschuß für die Vorbereitungen eines Nationalparks Donau-Auen in und östlich von Wien. Der Bund und die Länder Wien und Niederösterreich haben damit ihren politischen Willen ausgedrückt und vorgegeben: Ursprünglichkeit und Schönheit des Gebietes soll erhalten und gefördert werden, die Pflanzen- und Tierwelt geschützt und das Naturerlebnis, die Information und Bildung sollen gesichert sein.

Akzeptanz durch Betroffene

Die internationale Anerkennung des Nationalparks soll erwirkt und die Akzeptanz durch die Bevölkerung erreicht werden. Die für das Überleben der Au wichtige Grund wasserdynamik soll erhalten, ja verbessert werden und das in den Donau-Auen hervorragende Grundwasser als Trinkwasserreservoirerhalten bleiben. Die Donau soll ihre Funktion als internationale Wasserstraße behalten.

Nach einer dreijährigen Vorbereitungsphase soll die politische Entscheidung fallen, ob und wie der Auennationalpark verwirklicht wird. Mit der Planung beauftragt wurde die Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal, die sich bei umweltsensiblen Projekten einen guten Namen erworben hat.

Daß gerade die Donau-Auen berechtigt erscheinen, in den Rang eines Nationalparks erhoben zu werden, zeigt die einmalige Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren. Besonders durch das weltweite Verschwinden von Feuchtgebieten ist ein strombegleitender Auwald im niederschlagsarmen und landwirtschaftlich intensiv genutzten Osten Österreichs das letzte Refugium vieler gefährdeter Arten.

Trotz der Donauregulierung vor über 100 Jahren, trotz des Baus stromaufliegender Kraftwerke und obwohl Land- und Forstwirtschaft die Donau-Auen östlich von Wien nützen, ist die gewaltige Regenerationskraft der regelmäßig überschwemmten Au so groß, daß das Gebiet in seiner Vielfalt noch immer einzigartig in Europa ist.

Gerade die Hochwässer haben die Auen vor weiterer Zersiedelung geschützt, und diese Überschwemmungen sind es auch, die gestaltend in die Landschaft eingreifen, die die Seitenarme und die Altwässer durchspülen, die Auflandungen und Abtragungen bewirken und dadurch die so seltenen Pionierstandorte schaffen.

Die Hochwässer bewirken auch die für die Au lebenswichtigen Schwankungen des Grundwassers, die den Untergrund wechselweise durchfeuchten und durchlüften und somit zu der extrem hohen Bodenfruchtbarkeit beitragen.

Die Kleinräumigkeit dieser Landschaft, auch diese bewirkt durch die Überschwemmungen, der rasche Wechsel zwischen schneller Strömung und ruhigem Altwasser, Heißländen und schattiger Zone, Trocken-rasen und tiefgründigem angeschwemmtem Schlamm, Wasser und Land, Pionierstandorten und uralten Eichenbeständen, Verlandungsgesell-schaften und Steilabbrüchen in Erosionszonen, ermöglichen einen ungeheuren Artenreichtum.

Große Artenvielfalt

217 Wirbeltierarten konnten von den Zoologen bisher gezählt werden, 41 hiervon sind Säugetiere, 109 Brutvogelarten, acht Reptilien- und zwölf Amphibienarten. In den Altarmen und im Donaustrom leben 47 Fischarten, auf diesem kleinen Gebiet eine unvergleichliche Vielfalt.

Mit welchen Einschränkungen muß der heutige Nutzer rechnen? Heißt ein

Nationalpark „kalte Enteignung”? Werden die Besucher „unsere Au zertrampeln” und so dem Naturschutz die Basis entziehen und/oder wird die örtliche Bevölkerung am weiteren Betreten „ihrer” Au gehindert?

Um solche Fragen zu beantworten, Vorbehalte auszuräumen und alle Bedenken und Vorschläge der Betroffenen zu berücksichtigen, messen die Nationalparkplaner von der Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal der Bürgerbeteiligung und Zielgruppenarbeit ganz besondere Bedeutung zu. Durch umfassende Information soll eine gute Beziehung zwischen den Betroffenen und den Planem aufgebaut und Mißtrauen ausgeräumt werden.

Die Nutzungen verändern

Das Team der Planer vertritt den Standpunkt, daß die derzeit gegebenen Nutzungen in vielen Fällen verändert werden müssen, um die Ziele (siehe oben) zu erreichen und den Kriterien der IUCN gerecht zu werden. Wo es dadurch zu Einschränkungen, zu Nachteilen gegenüber der heutigen Situation kommt, wird für Ausgleich in geeigneter Form (Entschädigungszahlungen, Ablösen, Grundstückstausch et cetera) zu sorgen sein. Durch ein Konzept der Besucherlenkung und ein geeignetes Leitsystem wird einerseits strenger Schutz von Naturzonen gewährleistet, anderseits gezielt das für einen Nationalpark charakteristische Erho-lungs- und Bildungserlebnis ermöglicht. Das bedeutet auch, daß für die Einheimischen kaum Einschränkungen hinsichtlich des Betretens der Au entstehen, während der Druck externer Besucher und die Gefahr des „Zertrampeins” vermieden werden können.

Ein wichtiges Ziel des Planerteams ist es weiters, während der dreijährigen Vorbereitungsarbeiten eine Übernutzung des künftigen Nationalparks, ein Zerstören wertvoller Natursubstanz, zu vermeiden. Solche Begleitmaßnahmen sind auf freiwilliger Basis mit den Nutzungsberechtigten zu vereinbaren, wobei ein erster, bedeutsamer Schritt durch eine Übereinkunft hinsichtlich Schlägerungen und Aufforstungen mit den Österreichischen

Bundesforsten gelungen ist.

Aber nicht nur Bedenken und Befürchtungen, mögliche und tatsächliche Nutzungskonflikte beschäftigen die Nationalparkplaner, sie haben auch eine ganze Reihe externer Vorgaben und Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.

So bringt die Sohleintiefung, die stetig voranschreitet und durch den Bau der Staustufe Freudenau noch verschärft wird, große Probleme für Grund- und Trinkwasser, für die Schiffahrt und für die Gewässerdynamik in der Au mit sich: Die Naturlandschaft ist in Gefahr, ihren Charakter zu verlieren, auszutrocknen und damit auch ihre Bedeutung als Wasserreservoir zu verlieren.

Aussichtsreichste Gegenmaßnahme nach Ansicht zahlreicher Wissenschafter ist die sogenannte Grobkornzugabe. Durch Einbringen von Schotter einer Korngröße, die der Schleppkraft der Donau widerstehen kann und daher an Ort und Stelle bleibt, soll die Sohle stabilisiert werden. Versuche sollen die Eignung dieser Methode endgültig klären und müßten sehr rasch beginnen, um in drei Jahren verbindliche Aussagen zu erlauben.

Im Zentrum des Interesses und der Streitigkeiten steht aber freilich die energetische Nutzung: Bedeutet der Volksentscheid für die Staustufe Freudenau Aufwind für ein neues Kraftwerk Hainburg oder Engelhartstetten? - Die Ökologiekommission der Bundesregierung kam eindeutig zum Schluß, daß eine freie Fließstrecke Grundlage für einen Auennationalpark ist und die Naturschutzziele mit einem Kraftwerk in diesem Gebiet nicht vereinbar seien. Zahlreiche Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates der Nationalparkplanung schließen sich dieser Meinung an. Eine sachlich fundierte Darstellung der Auswirkungen verschiedener Kraftwerksvarianten auf die Au und ihre Nationalparkwürdigkeit wird daher ein zentrales Element des Nationalparkkonzeptes sein. Zahlreiche Politiker haben sich in der Diskussion über das Wiener Kraftwerk öffentlich für den Vorrang des Nationalparks östlich von Wien ausgesprochen. Der Autor ist Direktor der Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal.

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