Mein Tourenspezi, der Alois, hält die Sache nicht für beunruhigend. „Irgendwann wird sie sich totlaufen", meint er: „Und dann haben wir wieder unsere Ruh' in den Bergen!" Der Weitblick vom Alois rührt von seinem Beruf her. Als Steuerfahnder muß er auch hinter die Kulissen schauen. Also, sagt mein Spezi: Schuld daran, daß sich heutzutage auf jedem noch so kleinen Gipfel wenigstens zwanzig Leute gegenseitig auf ihren Brettln herumtrampeln, sind zu allererst die Fotografen. Guck' doch nur mal in die zahllosen Bergbücher und Alpinkalender. Jede Bildseite verheißt dort das absolute Skitourenglück! Kein Wunder, daß sich das Heer frustrierter Pistenfahrer davon verführen läßt. Beinharte Abfahrten, eiskalte Sessellifte und endlose Warteschlangen verlieren halt irgendwann ihre Attraktivität, resümiert der Alois, sagt aber gleich auch, daß das Tourenglück auf Hochglanzpapier ein ausgemachter Betrug sei. Denn die Fotografen knipsten nur bei eitel Sonnenschein, nicht aber im kaum selteneren Schneesturm.
Ja, und außerdem ist im Hochgebirge viel zu viel unzi-vilisierte Natur vorhanden. Bei der Brotzeit unterm Gipfelkreuz ist es nicht so windstill wie im Restaurant neben der Bergstation. Den Durst in mittäglicher Gletscherhitze löscht kein kühles Bier von der Skibar. Am schlimmsten aber ist es mit dem Schnee! Entweder quält man sich durch Bruchharsch, rattert über Windgan-geln oder muß einer Gruppe Egoisten hinterherfahren, die gerade den letzten Pulverschneehang verspüren.
Im Zusammenhang mit der Schneequalität kommt der Alois noch auf ein schlaues Buch zu sprechen. Darin schreibt ein Alpinpsychologe, vorrangiges Motiv für Pistenfahrer bei der Ausübung ihres Sports sei das sogenannte Balzverhalten. Also, erklärt der Alois: Richtig befriedigend für den Pistenmacho sei eine Abfahrt erst dann, wenn ihm möglichst viele Personen möglichst des anderen Geschlechts bewundernd zuschauten. Dieses Balzgelüst käme bei Bruchharsch oder Windgangeln aber immer zu kurz. Folglich würden sich die Balzer, und das seien nicht wenige, nach ihrer ersten Tour wieder aus dem Hochgebirge zurückziehen.
Mein Spezi Alois ist also überzeugt, daß wir irgendwann wieder unsere eigenen Spuren bergauf und talwärts legen können. Er vertraut da auf das Prinzip der natürlichen Auslese. Überdies hofft er aufs Golfspielen, welches ja bald zum Volkssport werden soll und bestimmt viele Leute in den Tälern halten wird. Nur die Japanerverunsichern den Alois. Die sind so ehrgeizig, sagt er. Wenn die erst mal auch vom allerletzten Achttausender per Ski abgefahren sind, kommen sie zu uns in die Alpen und machen hier Skitouren womöglich im Handstand. Aber, meint der Alois, und daran sieht man seinen Optimismus: „Dann wird es endlich auf dem Fu-dschijama leerer, unddenwollte ich schon immer kennenlernen!"