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NATURNAHER ANBAU WIRD GEFÖRDERT

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FURCHE: Wie kann man die relativ gute Qualität der österreichischen Ackerböden erhalten in einer Zeit, in der internationale Vereinbarungen voraussichtlich den Schutz für die inländische Landwirtschaft verringern werden?

FRANZ FISCHLER: Was bevorsteht, sind neue Wettbewerbsregeln durch das GATT, die Frage der EG-Integration und die neue Wettbewerbssituation gegenüber unseren östlichen Nachbarn. Meine Grundauffassung lautet: Wir stehen von vornherein auf verlorenem Posten, wenn wir glauben, den Preisdruck und den Preiswettbewerb mitmachen zu können. Wir müssen uns mit unseren Produkten absetzen - absetzen durch Qualität. Es ist ein riesiger Vorteil, daß immer mehr Konsumenten Qualität damit verbinden, daß Produkte auf gesunden Böden gewachsen sind. Es muß uns gelingen, durch auf gesunden Böden gewachsene Qualitätsprodukte im künftigen Wettbewerb zu bestehen. Also müssen wir alles tun, um die Böden gesund zu erhalten.

FURCHE: Spielt die Nahrungsmittelindustrie da mit? Sie ist ja auch Abnehmer der Agrarprodukte.

FISCHLER: Es nützt gar nichts, wenn der Bauer Qualität produziert, die dann in der Verarbeitung verloren geht. Hier muß es eine Achse mit der Industrie geben. In der Nahrungsmittelindustrie'gibt es derzeit dazu keine einheitliche Auffassung. Aber die Mehrzahl der Betriebe will das genauso. Auch die Nahrungsmittelindustrie hat ja Verarbeitungskosten, die mit denen der Osteuropäer oder der Riesenuntemehmen in der EG nicht konkurrieren können. Dahermuß auch sie sich auf Qualität einstellen.

FURCHE: Wird Qualitätsverbesserung reichen, um international bestehen zu können?

FISCHLER: Wir müssen gleichzeitig auch Maßnahmen setzen, damit der trotzdem wachsende Druck auf die Böden nicht zu groß wird. In Zukunft wollen wir in erster Linie Programme machen, die zur Extensi-vierung der Erzeugung führen. Wir werden ab dem kommenden Jahr anstelle der bisherigen Mineralölsteuervergütung eine neue Fruchtfolgeförderung anbieten. Diese hat als Nebeneffekt, daß sie die Humusbildung in den Böden begünstigt. Darüberhinaus werden wir drei Zusatzprogramme anbieten: Erstens ein Intensitätsverzichtsprogramm. Da geht es darum, daß Bauern eine Prämie pro Hektar bekommen, wenn sie auf jeglichen Einsatz von Pflanzenschutz-und Halmverkürzungsmitteln verzichten, also von Stoffen, die ertragsteigernd wirken können.

FURCHE: Sind das Ausgleichszahlungen, die den Ertragentgang abgelten?.

FISCHLER: Ja, der Bauer soll unterm Strich denselben Deckungsbeitrag haben. Weiters bieten wir ein sogenanntes Öko-Verbundprogramm an. Es soll die Anlage etwa von Alleen oder Windschutzgürteln begünstigen, sodaß die Vielfalt der Natur in unseren Agrarlandschaften wieder gefördert wird. Auch das hat als Nebeneffekt positive ökologische Wirkungen. Weiters bieten wir für biologisch wirtschaftende Betriebe eine Flächenprämie. Diese drei Maßnahmen werden insgesamt unsere ökologische Bilanz verbessern.

FURCHE: Förderung also anstelle von Handelsbarrieren?

FISCHLER: Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir auf jeglichen Außenschutz verzichten können und kann daher auch nicht akzeptieren, daß die Grenzen zur Gänze geöffnet werden. Sicher werden sie etwas durchlässiger werden. Es geht aber auch in Zukunft um ausreichenden Außenschutz. Dieser muß in den Verhandlungen sichergestellt werden. Im Zuge der EG-Integration ist aber die gesamte EG ein Wirtschaftsraum und jene Außenschutzmechanismen, die wir den EG-Staaten gegenüber derzeit haben, fallen weg.

FURCHE: Nun zu einem anderen Punkt. Was muß zur Sanierung der Waldböden geschehen?

FISCHLER: Wir müssen feststellen, daß der saure Regen nicht nur den Bäumen schadet, sondern auch den Waldböden. Zwar ist der Schwefeldioxidgehalt der Luft stark zurückgegangen. Dafür aber regnet es jetzt verstärkt Salpetersäure. Auf Dauer gibt es hier nur eines: Die Schadensursachen sind zu beseitigen. Letztlich geht es darum: Wie können wir die Abgaswerte, insbesondere aus dem Verkehr, aber auch vom Hausbrand und von der Industrie verringern? Mittelfristig kann man dieses

Problem durch einen Umbau unseres Steuersystems lösen: Die wahren Kosten des Verkehrs müssen in der Volkswirtschaft zur Geltung kommen. Unser Steuersystem muß in Richtung stärkerer Belastung der fossilen Primärenergieträger und Entlastung der personenbezogenen Steuern verändert werden. Nicht neue Quellen sollen erschlossen werden, um Budgetlöcher zu stopfen. Es geht um ein intelligenteres Steuersystem.

FURCHE: Diese Modelle sind schon seit langem entwickelt. Wann werden sie endlich umgesetzt?

FISCHLER: Eine so grundlegende Umgestaltung der Wirtschaft braucht eine gewisse Anlaufphase. Ich glaube, daß gerade dadurch, daß die EG jetzt allmählich ebenfalls in diese Richtung geht, die Realisierungschancen besser werden.

FURCHE: Werden die Waldböden nicht dennoch saniert werden müssen?

FISCHLER: Das ist die zweite Sei-, te. Unser gesamter Wasserhaushalt und auch unsere Hochwassersituationen sind wesentlich davon abhängig, wieviel Wasser der Waldboden speichern kann. Wo wir eine besondere Versauerung feststellen, dort muß den daraus resultierenden Erosionen begegnet werden. Eine andere Möglichkeit gibt es momentan nicht. Es gibt auch noch Überlegungen, die aber wissenschaftlich noch gar nicht ausgereift sind, daß man die Pufferfähigkeit der Böden wieder steigert, in dem man die sauren Substanzen im Boden neutralisiert. Nachdem der Wald einerseits auf Umweltbelastungen besonders sensibel reagiert und andererseits die Bäume ja die längste Um-triebszeit haben, wirken sich Fehler im Wald viel krasser aus als bei einer einjährigen Kultur auf dem Ackerland. Daher ist es durchaus am Platze, bevor man Empfehlungen gibt, sehr genau zu untersuchen. Das geschieht auch.

Dort, wo in Ansätzen bereits künftige Probleme und mögliche Katastrophen erkennbar sind, muß man natürlich entsprechend eingreifen. In erster Linie durch rechtzeitige Waldverjüngungsmaßnahmen und in krassen Fällen auch durch Verbauungen.

FURCHE: Gibt es da Programme?

FISCHLER: Es ist so, daß wir für diese laufende Legislaturperiode die Schutzwaldsanierung zum Thema Nummer eins gemacht haben. Die Ausstattung mit finanziellen Mitteln wurde wesentlich verbessert. Nächstes Jahr wird ungefähr eine Viertel Milliarde für die Schutzwaldsanierung an Bundesmitteln zur Verfügung stehen.

FURCHE: Ist bekannt, wo der größte Handlungsbedarf herrscht?

FISCHLER: Es gibt einen Prioritätenkatalog, nach dem vorgegangen wird. Außerdem verlangen wir, daß ein Projekt nur dort gefördert wird, wo auch eine entsprechende Regulierung des Wildbestandes vorgenommen wird. Sonst dient die Aufforstung nur der Wildfütterung.

FURCHE: Nun zum dritten Fragenkomplex: der Versiegelung von landwirtschaftlichen Flächen. Was kann da präventiv geschehen?

FISCHLER: In den letzten 30 Jahren haben wir in Österreich einen größeren Verbrauch an Grund und Boden gehabt als in den 200Jahren davor. Vor allem in den intensiven Fremdenverkehrsregionen, Industriegebieten und zentralen Ballungsgebieten Österreichs sind Tausende Hektar Boden für immer verloren gegangen.

Nun kann man sagen: Die Landwirtschaft produziert ohnedies zu viel. Also schadet das nicht. Ich sehe das nicht so. Man muß nämlich sehen, daß vielfach die eher wertvolleren Böden abhanden kommen, während weniger wertvolle Böden zur Bewirtschaftung überbleiben. Hier haben wir es mit einem Raumordnungsproblem zu tun.

Ein neuer Anlauf in der Raumordnung ist notwendig, um diesem großzügigen Umgang mit unseren Böden Einhalt zu gebieten. Geschieht nichts, wird es durch den EWR zu einernoch stärkeren Verbauung kommen, vor allem durch Zweitwohnsitze und durch Fremdenverkehrsinvestitionen. Man muß davon wegkommen, daß Bauland auf zehn Jahre im voraus gewidmet wird, dieses Bauland dann gar nicht verbaut wird, aber zusätzlich ständig auf anderen Flächen Umwidmungen vorgenommen werden.

FURCHE: Wer ist für diese Frage zuständig? Die Gemeinden?

FISCHLER: Sowohl die Gemeinden als auch die Länder, besonders aber die Gemeinden. Es kommt aber noch etwas hinzu: Wir brauchen klare Regeln für den Grundverkauf und den Grundverkehr. Hier trete ich dafür ein, daß eine Neuverteilung der Kompetenzen kommt: Der Bund soll hier auf seine Kompetenz zugunsten der Länder verzichten. Der Bund ist fürdie Baugrundstücke, das Land für die landwirtschaftlichen Grundstük-ke zuständig. Das gehört in eine Hand gehört, in die der Länder. Wenn ein Zusammenspiel zwischen Grundverkehrsgesetzgebung und Raumordnung gewährleistet ist, kann man diese drohenden Probleme in den Griff bekommen.

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