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Naturzerstörung als Exportschlager

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Die Kraftwerksbauer setzen weiter auf Ausbau - allerdings nicht im Inland: Darf Österreich - was die Umweltauflagen anlangt - im Ausland weniger zimperlich sein?

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Die Kraftwerksbauer setzen weiter auf Ausbau - allerdings nicht im Inland: Darf Österreich - was die Umweltauflagen anlangt - im Ausland weniger zimperlich sein?

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Der österreichische Donauausbau schreitet zügig voran. Vorerst allerdings auf ungarischem Gebiet. Um die Kapazitäten für die Zeit, bis es zwischen Wien und der Staatsgrenze wieder „staumäßig“ weitergeht, nicht brachliegen zu lassen, greifen die Donaukraftwerke AG (DoKW) den Ungarn bei einem schon lange geplanten Projekt unter die Arme.

Zwischen Bratislava und Budapest soll ein Kraftwerkssystem entstehen. Bei Gabcikovo (bei Györ/Raab) soll als Gemein- schaftsprojekt von Ungarn und CSSR ein Schwellkraftwerk entstehen. Dabei wird die Donau zu einem 60 Quadratkilometer großen See aufgestaut und bei Bedarf abgelassen. Um die Flutwellen, die dabei entstehen, zu regulieren, braucht man rund hundert Kilometer stromabwärts ein zweites Kraftwerk: Nagymaros.

Dieses nun wird mit österreichischem Geld von österreichischen Firmen gebaut. Die Bezahlung erfolgt über Stromlieferungen. Nagymaros ist damit für die ersten zwanzig Jahre ein überwiegend österreichisches Kraftwerk auf ungarischem Boden.

Die Finanzierung erfolgt über Kredite der Creditanstalt-Bank- verein und der Länderbank. Zur Sicherstellung dieser Kredite ist eine Haftung der Bundesregierung notwendig, falls es bei der Rückzahlung durch Ungarn zu Schwierigkeiten kommen sollte. Dafür mußte das österreichische Energieanleihegesetz geändert werden, weil Haftungen für Bauvorhaben der Elektrizitätswirtschaft im Ausland nicht vorgesehen waren.

Im Sommer 1986 hat das Parlament die Regierung nun ermächtigt, solche Haftungen zu übernehmen, sofern österreichische Firmen beschäftigt werden oder unsere Stromversorgung davon profitiert.

Diese Ermächtigung schließt keinen Kraftwerkstyp aus, theoretisch könnten die österreichi-

sehen Energie- versorgungsun- temehmen also auch Atomkraftwerke im Ausland mit Unterstützung der Regierung bauen.

Hier bekommt das Problem seine moralische Dimension. Soll die österreichische Regierung die Bürgschaft übernehmen für Projekte, die im Inland verboten wären?

Ebenso wie ein Kernkraftwerk wäre ein Kraftwerkskonzept wie

Gabcikovo-Na- gymaros in Österreich völlig undenkbar. Schon daß der Wasserspiegel im Stausee täglich um mehrere Meter schwanken oder die Donau in einen Kanal aus Beton umgeleitet würde, der in seinen Ausmaßen den Suezkanal übertrifft, würde eine Genehmigung unmöglich machen.

Der Vorwurf, hier werde im großen Stil Umweltzerstörung exportiert, ist also nicht von der Hand zu weisen. Otto Keimei, Energiesprecher der ÖVP, gibt das auch unumwunden zu, meint aber, ebenso wie sein sozialistischer Kollege Peter Keppelmüller, es wäre nicht Sache der Österreicher, über die Erhaltung der Umwelt in anderen Ländern zu wachen. Einte Bindung der Haftungsübernahme an eine Umweltverträglichkeitsprüfung durch internationale Experten, wie von Ökologieinstitut, Umweltministerium und Grünen gefordert, wäre eine Einmischung in innere Angelegenheiten eines Nachbarlandes, so die Energiesprecher unisono.

Die Praxis, bei großen Wasserbauvorhaben ohne Prüfung der Auswirkungen kein Geld zu geben, bürgert sich aber, laut Bernhard Raschauer, Umweltanwalt von Niederösterreich, international immer mehr ein, nachdem bei Entwicklungshilfeprojekten immer wieder katastrophale Folgen eingetreten waren, weil ohne westliches Umweltschutz-Know- how einfach drauflos gebaut wurde.

Die Chancen, daß es im Fall Nagymaros zu einer solchen Prüfung der Folgewirkungen kommt, sind eher gering. Ein diesbezüglicher Antrag der Grünen im Parlament wurde am 25. Juni abgelehnt, eine Petition von 600 ungarischen Bürgern dem Umweltausschuß zugewiesen, wo sie nach sechs Monaten verfallen würde.

Sollte es vor der Haftungsübernahme, die für den Herbst zu erwarten ist, doch noch zu einem Regierungsbeschluß im Sinne der Umweltministerin Marilies Flemming kommen und eine Prüfung negativ ausfallen, ist Nagymaros höchstwahrscheinlich gestorben, weil andere Kreditgeber mit Geld ausgezahlt werden müßten, das die Ungarn nicht haben.

Eine solche Lösung wäre Teilen der ungarischen Regierung wohl gar nicht so unrecht, schöpfen doch Tschechen und Österreicher den Rahm ab. Von den 3.600 Gigawattstunden, die das Kraftwerkssystem jährlich erzeugt, bleiben den Ungarn nur etwa 600, und das zu einer Jahreszeit, wo sie den Strom ohnehin nicht brauchen.

„Ökologieimperialismus“ nennt das Karl Wagner vom Öko- Institut. Von derlei ethischen Fragen unbeeinträchtigt zeigen sich die DoKW. Vorstandsdirektor Erich Schmidt sieht seine Firma ausschließlich als Baumeister, der sich nur an die Gesetze in Ungarn halten muß. Außerdem verweist er auf Verträge der beiden Regierungen, die Österreich zu einer Übernahme der Haftungen zwingen.

In der Bundesregierung hat man davon aber noch nichts gehört, wie aus den Antworten auf schriftliche Anfragen des Öko- Instituts hervorgeht. Es gebe keine bilateralen Abkommen mit Ungarn, die das Bauvorhaben bei Nagymaros betreffen, heißt es in den Stellungnahmen, die Franz Meister, Mitarbeiter im Ökologie- Institut, erhielt.

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