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Digital In Arbeit

Neben Protesten zählt auch tatkräftiger Einsatz

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Die Urteile in den „Dissidentenprozessen” sind gefällt. Eine Revision ist trotz heftigster Proteste der westlichen Welt undenkbar. Erfahren hier die Bemühungen um die Menschenrechte ihre Grenzen? Bleibt nur die Wahl zwischen ohnmächtiger Wut und Resignation? Dr. Erwin Waldschütz, der Sprecher der „Kampagne für die Menschenrechte” in Österreich, verneint diese Frage mit großem Nachdruck: „Wenn auch heute die Lage der Verurteilten nicht geändert werden kann, so haben doch hunderte aktive Sowjetbürger in ihrem Kampf um die Menschenrechte unsere moralische Unterstützung bitter notwendig. Wenn Sa- charow heute in seiner Moskauer Wohnung ausländische Journalisten empfangen und so Informationen an den Westen weitergeben kann, so wäre dies noch vor wenigen Jahren undenkbargewesen.” i

Proteste sind notwendig. Sie dürfen allerdigns nicht zu einem billigen Schwarz-Weiß-Denken verführen, das von verantwortlicher Selbstbesinnung dispensiert. ‘

Auch vor der eigenen Haustür gilt es, so manches zu ändern und dafür setzt sich die „Kampagne für die Menschenrechte” ein: „Information ist bereits sehr viel”, meint Waldschütz.

In einer Dokumentation über die Menschenrechte in Österreich, die die Kampagne erstellt hat, finden sich folgende Beispiele:

Die derzeit geltende Entmündigungsordnung weist Österreich als das Land mit den meisten Zwangseinweisungen in Westeuropa aus.

Die Bundes- und Gemeindebetriebe verweigern noch immer Strafentlassenen oder Vorbestrafen Arbeit.

Sechs bis acht Gastarbeiter sind nicht selten in ihren Wiener „Heimen” auf einer Wohnfläche von 20 Quadratmetern zusammengepfercht, wofür sie 400 bis 600 Schilling pro Person bezahlen müssen.

Nach der neuesten Untersuchung über die Situation des Kindes in Österreich von Doz. Hans Czermak und Dr. Helmut Pernhaupt ist die Zahl der Kindesmißhandlungen auf 70.000 pro Jahr angestiegen.

Allzu einfach wäre es nun, anonyme öffentliche Institutionen anzuklagen (die Gesellschaft ist Schuld!) und dabei den Balken im eigenen Auge zu übersehen. „Das Jahr der Menschenrechte soll nicht vordergründig von den Organisationen das abverlangen, was bereits andere tun, sondern soll den Menschen zur Selbstkontrolle aufrufen”, bekräftigte auch Weihbischof Dr. Alois Wagner bei einem Vortrag im Bildungswerk Linz.

Menschenrechtsdenken beginnt dort, wo dem Mitmenschen geholfen wird. Hier setzt die Katholische Jugend an. In einem Behelf, den sie zusammen mit der „Kampagne für die Menschenrechte” herausgegeben hat, findet man gleich zu Beginn die Aufforderung, „eigene Einstellungen und Verhaltensweisen zu überprüfen”: Wo übe ich selbst Macht aus? Wo bin ich anderen gegenüber ungerecht? Welche Rolle spielt die Gewalt in meinem Leben?

Mit einer Reihe von Aktionen leistet die Katholische Jugend ihren Beitrag zur Einhaltung der Menschenrechte:

• Eine Gruppe der KJ Wien gibt Gastarbeiterkindern kostenlose Nachhilfe.

• Die Katholische Arbeiterjugend (KAJ) Wiens versucht, durch den Verkauf selbstgefertigter Plakate 10.000 Schilling für ihre Kollegen in Südafrika „zusammenzukratzen”.

• In einer Studientagung und zahlreichen Seminaren beschäftigte sich die Katholische Arbeiterjugend intensiv mit den Problemen der Gastarbeiter. Die KAJ Tirols ist seit zwei Jahren bemüht, eine Runde von Gastarbeitern aufzubauen, um so gemeinsam mit ihnen deren Situation zu verbessern.

• Seit längerer Zeit gibt es die Einrichtung des „Freiwilligen sozialen Jahres”, in dessen Rahmen Jugendliche für ein monatliches Taschengeld von 1200 Schilling in verschiedenen sozialen Diensten arbeiten. Auch dazu ruft die Katholische Jugend in ihrer Kampagne für die Menschenrechte auf.

Nicht durch das ständige Geschrei nach Änderung der „Gesellschaft” entsteht das so notwendige Bewußtsein der Mitverantwortung für alle Menschen in Not, sondern durch das tatkräftige Engagement jedes Einzelnen: Ein Bewußtsein, das nach den Worten von Dr. Waldschütz ein Hauptziel der Kampagne für die Menschenrechte ausmacht.

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