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Digital In Arbeit

Nebenberuf Datenknacker

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Computer werden immer mehr Bestandteil des täglichen Wirtschaftslebens, und damit auch Werkzeug kriminellen Handelns. Die Dunkelziffer ist hoch, der finanzielle Schaden auch.

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Computer werden immer mehr Bestandteil des täglichen Wirtschaftslebens, und damit auch Werkzeug kriminellen Handelns. Die Dunkelziffer ist hoch, der finanzielle Schaden auch.

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Jede Zeit hat ihre typischen Verbrecher: War es im Spätmittelalter der Strauchdieb und Wegelagerer, im Biedermeier der Arsenmörder und im 20. Jahrhundert der Flugzeugentführer, so gewinnt in den letzten Jahren die Computerkriminalität immer mehr die Bedeutung eines „Leitdelikts” unseres Zeitalters. Dem Bild, das die Massenmedien von der Computerkriminalität zeichnen, haftet aber oft der Charakter des Geheimnisvollen und Sensationellen an.

Diese oftmals irrationale Betrachtungweise, die sich vielleicht aus der besonders brisanten Mischung von Verbrechen und Computer ergibt, verdeckt aber oft die echten Proportionen: In einer Zeit, in der Computer immer mehr Bestandteil unseres täglichen Lebens werden, wäre es geradezu ein Wunder, wenn sie nicht auch als Werkzeuge kriminellen Handelns eingesetzt würden oder als Angriffsobjekte von Kriminellen dienten. Die Tatsache, daß in Österreich 1984 62.000 Computer mit einem Wert von insgesamt 22,6 Milliarden Schilling installiert waren, belegt diese These hinreichend.

Es gehört zu den Phänomenen dieser Delikte, daß nahezu alle Verbrechen auch mit Hilfe eines Computers begangen werden können. Praktisch sind jedoch bisher lediglich vier Formen der Computerkriminalität weltweit in Erscheinung getreten: Cömpu-termanipulation, Computersabotage, Computerspionage und der Zeitdiebstahl. # Computermanipulation:

Der Täter nimmt Datenveränderungen in der Absicht vor, das Arbeitsergebnis — also den Output—zu verändern. Dies kann dadurch geschehen, daß falsche Daten eingegeben werden. In Österreich hat zum Beispiel vor einigen Jahren eine Datentypistin, die Überweisungen, an Lieferanten über Bildschirm abzuwickeln hatte,' deren Bankverbindung durch die eigene ersetzt und geglaubt, dadurch in kurzer Zeit zu viel Geld zu kommen.

Im Bereich der Gehaltsverrechnung kann es vorkommen, daß nicht existente Bedienstete oder nicht erbrächte Uberstunden in den Computer eingegeben werden in der Absicht, die entsprechenden Lohnzahlungen selbst einzu-streifen.

Noch gefährlicher, weil überaus schwer zu erkennen oder zu verhindern, ist es, wenn ein Programmierer derartige Manipulationen in seinem Programm vornimmt. Dabei werden in ein an und für sich richtiges Programm Instruktionen eingefügt, die wie das „trojanische Pferd” erst später wirksam werden. 9 Computersabotage:

Hier werden entweder Daten oder Programme oder auch Maschinen vernichtet. Computersabotage muß sich nicht immer gewalttätig abspielen, obwohl terroristische Anschläge auf Rechenzentren in den letzten Jahren immer wieder Schlagzeilen gemacht haben. Zur Illustration von „sanfter Gewalt” im Zusammenhang mit Computersabotage kann der Fall einer „Zeitbombe” dienen: Ein Programmierer sollte während seiner Kündigungszeit ein Programm für die jährliche Datenreorganisation erstellen. Er hat in dieses Programm Instruktionen eingebaut, die zum folgenden Jahresbeginn ein Löschen aller Daten seines Unternehmens bewirkt haben.

In diesen Bereich von Computerkriminalität gehören auch die Computer-Knacker oder „Hak-ker”, junge Leute mit ausgezeichneten EDV-Kenntnissen, die in Computernetze mit vielen Schnittstellen eindringen — meist mit dem Ziel, einen Systemzusammenbruch hervorzurufen. Diese Erscheinungsform der Computerkriminalität, die durch den Film „War Games” besonders bekannt wurde, ist bisher in Österreich noch nicht in Erscheinung getreten. Es ist jedoch anzunehmen, daß auch diese Gefahr auf uns zukommen wird.

# Computerspionage:

Dabei handelt es sich um das unbefugte Gewinnen von Daten und/oder Programmen. In der letzten Zeit ist ein Fall aus Österreich bekannt geworden, bei dem ein Operator Adressen und Informationen von 1,2 Millionen Personen, die für bestimmte Unternehmen von großem Interesse sind und die er in seiner Firma kopiert hatte, um eine halbe Million Schilling verkaufen wollte. Ebenso wie Daten stellen aber auch Computerprogramme oft hohe wirtschaftliche Werte dar, sodaß das Ziehen von „Raubkopien” von Programmen in der letzten Zeit besonders für Mikrocomputer immer mehr zunimmt.

• Zeitdiebstahl:

Er liegt vor, wenn Mitarbeiter die Leistungen des Rechners ihres Betriebes unbefugt für sich verwenden. Meist wird sich das im Rahmen von eher harmlosen Computerspielen bewegen und eher die Vertrautheit mit dem System fördern, doch sind Fälle bekannt, wo Unternehmen durch

„Schwarzarbeit” auf dem firmeneigenen Computer schwere wirtschaftliche Schäden zugefügt wurden.

Die Gefährlichkeit der Computerkriminalität läßt sich nur schwer exakt angeben, weil hier -wie auch sonst im Bereich der Wirtschaftskriminalität — die Dunkelziffer sehr hoch ist. Nach Ansicht von Experten werden nur 10% aller Fälle von Computerverbrechen polizeibekannt oder gerichtsanhängig. In Österreich wurden bisher insgesamt 30 Fälle bekannt. Die Sozialschädlichkeit der Computerkriminalität ergibt sich aus den hohen wirtschaftlichen Schäden, die mit ihr verbunden sind — der höchste Einzelschaden in Österreich hat bisher 18 Millionen Schilling betragen, in Amerika zwischen ein und zwei Milliarden Dollar.

Weltweit wird auch die Frage diskutiert, ob Computerkriminalität mit dem vorhandenen Instrumentarium der nationalen Strafrechte wirksam bekämpft werden kann. Nahezu in allen Ländern — auch in Österreich -wurde eine „Strafbarkeitslücke” festgestellt. In Österreich hat das Justizministerium vor kurzem den Entwurf einer Novelle zum Strafgesetzbuch, womit diese Lücke geschlossen werden soll, zur allgemeinen Begutachtung ausgesandt.

Der Autor ist stellvertretender Leiter der EDV-Zentrale des Innenministeriums.

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