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„Nebensache“ Medienpolitik

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Böse Zungen werden Österreich bald das 45-Prozent-Land nennen, wenn sie von unseren Zeitungen reden. Nach den 45-Prozent-Ein-käufen des Konzerns der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ bei „Neuer Kronenzeitung“ und „Kurier“ hat sich jetzt der Axel Springer Verlag (Berlin/Hamburg) bei der „Tiroler Tageszeitung“ eingekauft - mit den bewußten 45

Prozent. Es ist der gleiche Medienkonzern, der, soweit es ums Geld geht, den “„Standard“ möglich gemacht hat.

Die Kritiker wiederholen, ein wenig ermattet, die Formel vom Ausverkauf an die Bundesrepublik Deutschland und beklagen die medienpolitische Enthaltsamkeit der Bundesregierung und der beiden Großparteien. Nun sind die Angesprochenen, wie jeder weiß, seit geraumer und noch für lange Zeit mit wesentlich wichtigeren Dingen beschäftigt, als da sind Lucona, Noricum und andere Skandale. Die Politiker der ersten (qualitativen) Garnitur werden allmählich knapp. Nur wer sich aus der rückblickenden Skandalbewältigungsarbeit halbwegs heraushalten konnte, hat Zeit für Nebensachen wie Medienpolitik.

Also probiert es jetzt die FPÖ. In dieser Woche läuft die E intr agungs-frist für ihr Rundfunkvolksbegehren. Das Sendemonopol des ORF soll zu Fall gebracht werden, und zwar bei Radio und Fernsehen -und dies nicht nur durch „ein bißchen“ mehr Rundfunkfreiheit, sondern gründlich. Die Bühne für das Spektakel haben SPÖ und ÖVP aufräumen helfen, indem sie im Regierungsprogramm zwar „a“ (also Rundfunkliberalisierung) gesagt, dann aber das „b“ den beiden Großmedien-Repräsentanten überlassen haben: dem Zeitungsherausgeberverband und dem ORF. Die beiden haben - das war mühsam genug-die „Radioprint“-Vorvereinbarung (November 1987) und einen entsprechenden Gesetzentwurf (August 1989) zustande gebracht. Die Ablehnung war breit. Selbst die ÖVP sah nicht ein, warum der Öffentlichkeitsreichtum ganz und gar bei den ohnehin schon Reichen bleiben und nur anders verteilt werden sollte, indem potente Zeitungsverlage in Zukunft -mit ORF-Lizenz - ein wenig Radio machen sollten-und sonst niemand.

Die FPÖ ergriff ihre Chance: Wenn schon Ende des ORF-Monopols, dann nicht nur beim Radio und nicht nur durch Zulassung der Kollegen von der Presse, sondern: Jeder, der kann, soll auch dürfen, und wer sich als einschlägig qualifiziert ausweisen kann, soll eine bessere Einstiegschance bekommen. Das klingt plausibel. Aber die

Materie ist für den Stimmbürger nicht unbedingt einsichtig. Er leidet ja nur dort unter dem Monopol, wo es ihm aus technischen Gründen Empfangsbeschränkungen auferlegt: wo er wirklich nur FS 1 und FS 2 auf die Mattscheibe bekommt. In weiten Teilen Westösterreichs war die Auswahl immer größer, und im mittlerweile dichtverkabelten Wien wie in den anderen Kabelinseln wird niemand über zu wenig Programm-Auswahl, sondern allenfalls über zu geringe Qualität klagen. Kein binnen-öster-reichischer Anbieter wird dem abhelfen können, sondern allenfalls jene, die sich aus der Flasche mit dem 45prozentigen gestärkt haben, zuerst also Krone-Kuriers Media-print.

Die Zusammenhänge von Medienpolitik und Medienwirtschaft werden damit augenfällig. Mitbedacht sollte auch werden: Alle medienwirtschaftlichen und damit - politischen Veränderungen der Gegenwart und der letzten Jahre haben zwei Gesichter:

• Die 45-Prozent-Situation ist einerseits beklagenswert, weil sie den noch nicht ins Geschäft gekommenen Verlagen den Mund wässrig macht und jenen, die rein österreichisch bleiben wollen, eine düstere Zukunft signalisiert. Sie ist andererseits ein vorweggenommenes Stück Europa-Kommerz und, bisher jedenfalls, eine Stärkung: „Presse“ und „Salzburger Nachrichten“ sind besser als vorher, und ein Qualitätsexperiment wie den „Standard“ hat es zuvor noch gar nicht gegeben.

• Die nicht stattfindende Medienpolitik entspricht einerseits den Prinzipien des klassischen Liberalismus, dem wir Auswüchse ankreiden, aber, nehmt alles nur in allem, viel verdanken: Verfassungsstaat, öffentliche Meinung, Pressefreiheit. Sie - richtiger: ihr Fehlen - bringt andererseits Österreichs Medien unnötigerweise in eine - im Verhältnis zu wirtschaftstarken Nachbarn - schwache Position.

• Das FPÖ-Rundfunkvolksbegeh-ren strebt einerseits ein politisch respektables Ziel an, nämlich klare Verhältnisse bei der Entmonopoli-sierung des Rundfunks, und Eröffnung der Medienkonkurrenz in Äther und Kabel auch für österreichische Anbieter. Andererseits ist es ein Stück Parteipolitik. Jeder, der die Liberalisierung des Rundfunks, wenn schon nicht für schlechthin gut, so doch für erpro-benswert hält, gerät in ein Dilemma, wenn er die Linie jener Partei ablehnt und also durch seine Unterschrift nicht stärken will.

Beim erwähnten Qualitätssprung waren nicht die größten, sondern die besten Zeitungen dabei. Konkurrenz würde auch dem ORF die Chance eröffnen, zu zeigen, daß er Österreichs bester ist.

Der Autor ist Universitätsprofessor für Publizistik und Kommunikationswissenschaften in Salzburg.

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