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Nervenkrieg in der CSFR

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In der CSFR ist ein Propagandakrieg ausgebrochen. Nach zwei Koalitionsverhandlungen in Brünn und in Prag schafften die Delegationen der Bürgerlichdemokratischen Partei und der Bewegung für eine demokratische Slowakei keinen Fortschritt. Vaclav Klaus und Vladimir Meciar werfen einander Inkorrektheit vor.

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In der CSFR ist ein Propagandakrieg ausgebrochen. Nach zwei Koalitionsverhandlungen in Brünn und in Prag schafften die Delegationen der Bürgerlichdemokratischen Partei und der Bewegung für eine demokratische Slowakei keinen Fortschritt. Vaclav Klaus und Vladimir Meciar werfen einander Inkorrektheit vor.

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Auf tschechischer Seite hält sich hartnäckig die von den Massenmediengestützte Meinung, Meciar ziele auf Totalität ab und deswegen wäre es vordringlich, den demokratischen Staat - aber nur den tschechischen, Böhmen, Mähren, Schlesien - zu retten. Hysterie wird von beiden Seiten geschürt. Klaus verlachte auf einem Meeting in Ceske Budejovice (Bud-weis) offen die slowakische Seite.

Die Bürgerlichdemokratische Partei und die Bewegung für eine demokratische Slowakei beschuldigen einander, den Staat zerbrechen zu wollen. Tatsache ist, daß keine der beiden Parteien ein Mandat besitzt, die beiden Republiken zu trennen. Beide haben den Auftrag, eine Föderalregierung zusammenzustellen.

Meciar stellte aber Klaus sehr undeutliche Bedingungen, sodaß im Grund über den Charakter des zukünftigen Staates beraten wird. Aus den slowakischen Aussagen kann man nur sehr schwer herausfiltern, wie man sich einen eventuell gemeinsamen Staat vorstellt. Man betonte beispielsweise, daß es sich nur mehr um eine Verteidigungs- und Marktunion handeln sollte - das halten die tschechischen Politiker aber nicht mehr für einen gemeinsamen Staat. Die Atmosphäre ist stigmatisiert durch gegenseitiges Mißtrauen - manche sprechen sogar von Nervenkrieg.

Das Föderalfernsehen gießt Öl ins Feuer, wenn es die Aussagen Meciars und seines Stellvertreteres Knazko mit Ironie kommentiert. In Prag gibt es sogar eine Petition für den tschechischen Staat, die von Leuten propagiert wurde, die noch vor kurzem für den gemeinsamen Staat plädierten. Havel verläßt die Szene nicht

Die demokratische Entwicklung verbindet Vaclav Klaus auch mit der Wiederwahl Vaclav Havels zum Präsidenten. Meciars Bewegung äußerte sich am Wochenende erneut gegen Havels Kandidatur. Man sei nicht gegen Havels Prinzipien, tönt es aus Bratislava, könne sich aber mit zahlreichen Schritten Havels im Bereich der Innenpolitik nicht anfreunden.

Bei seiner regelmäßigen Sonntagsrundfunkansprache erklärte Havel diesmal, daß er keine Finsterrolle spielen wolle, wenn er auf die Verfassung des Staates schwöre, der in einem halben Jahr nicht mehr existieren werde.

Havel will neuerlich kandidieren, denn es gäbe in der tschechoslowakischen Geschichte zu viele Präsidenten, die durch wenig ehrenvolle Kompromisse berühmt geworden seien. „Besser ehrlich nicht gewählt zu werden als jetzt die Szene zu verlassen."

Unklarheit herrscht über die tatsächliche politische Meinung in der Slowakei. Nationalistische und Linkstendenzen sind deutlich - in gewisser Weise eine Erbschaft aus der kommunistischen Ära. In Meciars Bewegung herrscht keine Einigkeit, man spricht sogar von vier unterschiedlichen Auffassungen. Inzwischen ist es dem ehemaligen Boxer aber doch gelungen, die Bewegung auf ein einheitliches Vorgehen zu vergattern. Die Slowaken ertragen nur schwer den aus Böhmen erklingenden protek-tionistischen Ton. Als Bedingung stellten sie zum Beispiel eine vorläufige Zustimmung zur Novellierung von 16 Föderalgesetzen - darunter auch das Lustrationsgesetz, auf dem die Kampagne der Bürgerlichdemokratischen Partei aufgebaut war.

Während die Tschechen ihre Nationalität nach unten verschieben und die ökonomische Prosperität ganz oben reihen, bestehen die Slowaken auf der nationalen Identität und ihrer Durchsetzung gegenüber den Nachbarn. Die Tschechen verweisen auf die ungarische Minorität im Süden der Slowakei und auf die ökonomische Unterentwicklung der Slowakei.

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