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Neu in Prags Musikleben

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Von der allgemeinen Auf- bruchs- und Hoffnungs-Stim­mung in der CSFR wurde natürlich auch das Internationale Musikfest „Prager Frühling" erfaßt. Neuer Präsident des Festes ist der inter­national anerkannte Komponist Petr Eben, der bisher von politisch besser verankerten Kollegen in die zweite Reihe gedrängt worden war. Ein junger, ehrgeiziger Direktor wird ihm vor allem die Sorge um Geld und Organisation abnehmen. Das langfristig geplante Programm konnte nicht kurzfristig auf den Kopf gestellt werden, aber auch die ursprünglich festgelegten Schwerpunkte ergaben gemeinsam mit neuen Akzenten ein interessan­tes Bild. Die Heim-, oder Wieder­kehr dreier Persönlichkeiten, die schon beim ersten Festival 1946 dabeigewesen waren, war das Er­eignis, das die Gefühle am meisten ansprach: Der Dirigent Rafael Kubelik, der bald nach 1946 seine Heimat verlassen hat, der Pianist Rudolf Firkuäny, der 1946 aus der Emigration gekommen war, in Prag aber nicht bleiben wollte, und der junge, damals noch kaum bekannte Dirigent und Komponist Leonard Bernstein, der allerdings wegen Erkrankung die Neunte Sympho­nie Beethovens absagen mußte.

Den Schwerpunkt des schon län­ger geplanten Programmteils bil­dete das Werk eines anderen Emi­granten: Bohuslav Martinu (1890-1959), dessen 100. Geburtstag be­vorsteht. Martinu wollte nach dem Krieg heimkehren, als aber im Fe­bruar 1948 die Kommunisten die Macht ergriffen und mit ihnen je­ner Kulturminister Zdenek Nejed-ly, der als Altkommunist und Mu­sikwissenschaftler für lange Zeit das Musikleben gängeln und ein­schränken sollte, da rieten wohl­meinende Freunde dem Komponi­sten von der Heimkehr ab. Und weniger wohlmeinende Kollegen waren sehr zufrieden, daß der über­mächtige Konkurrent ausblieb.

Inzwischen ist Martinu längst wieder in den Konzertsälen und auf den Opernbühnen heimisch gewor­den, aber wohl noch nie in diesem Umfang vorgestellt wie jetzt: in Or­chester- und Kammerkonzerten und 14 Opernaufführungen. Sieben Ensembles aus dem ganzen Land tragen mit Gastspielen dazu bei, daß das vielfältige Opernschaffen Martinus' einmal komplett (ohne Ballette) zu erleben ist. Bis Anfang Juli dauern diese Festwochen.

Schon bei den Kammerkonzer­ten erhob sich allerdings die Frage, ob man Martinu damit einen Dienst erweist. Manche seiner Werke schei­nen zeitgebunden, vor allem jene, in denen er noch nicht seinen eige­nen Ton gefunden hat, sondern experimentiert, auf Gehörtes und Gelerntes reagiert, bisweilen auch parodiert. Er reagierte selbst auch prompt auf den Zeitgeist, auf aktu­elle Entwicklungen.

In der frühen Oper „Drei Wün­sche" , die erst 1971 in Brünn urauf­geführt worden war, macht er sich die Atmosphäre der „Traumfabrik" zunutze: Liebespaar im Film -Ehepaar im Leben, Krise hier wie dort, eine gute Fee gewährt drei Wünsche, deren Erfüllung* kein Glück bringt. Realismus und Sur­realismus, Märchen und Alltag hätten witziger, leichtfüßiger prä­sentiert werden müssen als dies nun in Prag geschah.

Früh hat Martinu die Möglich­keiten von Radio und Fernsehen erkannt. Einige seiner kleineren Opern waren für diese neuen Me­dien in Amerika bestimmt, so auch „Wovon die Menschen leben" nach Tolstoi (1951). Darin greift er auf den naiven Legendenton zurück, den er schon in den vier „Marien­spielen" von 1935 verwendet hatte, der hier allerdings ganz auf die ländliche Spieltradition seiner Heimat gegründet war.

Das Staatstheater Brünn zeigte diese Werke in Prag, dazu noch die schlichte „Verlobung aufderBrük-ke", bei der dicke Schminke und ein Schuß Klamauk nicht falsch sind. Aber der naive Legendenton von „Wovon die Menschen leben" wirkt schon vom Werk her etwas angestrengt, umso mehr, als die Inszenierung musikalisch wohl gelungen ist.

Mit der Einladung des Ensem­bles Intercontemporain mit Pierre Boulez setzte das Festival ebenfalls einen neuen Akzent: die Pflege zeit­genössischer Musik soll lebendiger werden. Bisher hatte man zwar die Klassiker der Moderne bis zu Dimitrij Schostakowitsch und die ei­genen lebenden Komponisten durchaus nicht gemieden, aber gerade die Werke von Mitgliedern des alten Komponistenverbandes wurden meist nicht nach rein künst­lerischen Maßstäben ausgewählt. Nun soll auch in Zukunft manches aus dem Ausland nachgeholt werden.

Freilich wird das Budget nicht mehr routinemäßig vom Staat bewilligt. Von den 16 Millionen Kronen, die für heuer notwendig sind, können nur fünf eingespielt werden. Wenigstens für einen Teil des Defizits wird man nach neuen Quellen suchen müssen. Schon haben sich die Japaner als Sponso­ren angeboten. An der Moldau fürchtet man aber, daß sie an einer Programmgestaltung interessiert sind, die in ihre Vermarktungsplä­ne auf Ton- und Bildplatten pas­sen. Es soll aber vor allem fürs eige­ne Publikum gesorgt werden - auch hinsichtlich der Eintrittspreise.

Sorgen macht auch der Zustand der Theater und der Konzertsäle. Das Rudolf inum unterliegt seit Jah­ren einer Generalsanierung, eben­so das Tyl-Theater, das nach seiner Fertigstellung (hoffentlich im Mo­zart-Jahr) wieder Stände-Theater heißen soll wie einst bei der Urauf­führung des „Don Giovanni". Auch der Smetana-Saal müßte saniert werden. Die kleinen Säle in alten Palästen und in Kirchen sind schön, aber nicht wirtschaftych.

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