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Neuanlauf in Sachen Zypern

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Die österreichische Bundeshauptstadt war am Montag und Dienstag als Schauplatz neuer Verhandlungen zur Lösung des Zypernproblems ausersehen. Bei ihnen versuchte UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar den seit einem Jahr zum Erliegen gekommenen Dialog zwischen Zyperngriechen und Zyperntürken wieder in Gang zu bringen. Seit der türkischen Invasion auf der Mittelmeerinsel vom Sommer 1974 war Wien schon mehrmals Ver-

handlungsort in Sachen Zypern. Doch bisher immer ohne Erfolg.

Auch diesmal stand es schon auf des Messers Schneide, ob de Cuellar den zypriotischen Außenpolitiker Mavrommatis und den bevollmächtigten der Zyperntürken, Ertekuen, überhaupt an den Verhandlungstisch bringen kann.

Seit dem Abbruch der erfolglosen letzten Gesprächsrunde hatte sich die türkische Besatzungszone von Nordzypern unabhängig erklärt. Auf diesen einseitigen Schritt ihres Möchte-gern-Staatschefs Denktasch von Ende November 1983 war im April die Anerkennung der Spalterregierung in Lefkoscha, dem Türkenviertel von Nikosia, durch Ankara gefolgt.

Am 14. und 15. Juni zelebrierte Rauf Denktasch einen offiziellen Staatsbesuch mit allen Ehren in der Türkei. Als dessen Ergebnis wurde von zyperntürkischer Seite die Forderung erhoben, daß den Gesprächen von Wien die volle Anerkennung seines Regimes durch die Vereinigten Nationen

und durch die auf ihrem Alleinvertretungsrecht beharrende Zentralregierung der Griechen, Maroniten und Armenier von Zypern vorausgehen müsse.

Als darauf Präsident Kypria-nou seinen Außenminister Jako-vou allein nach Wien zu entsenden drohte, steckte man in Lefkoscha doch etwas zurück. An die Stelle des geplanten Treffens am runden Tisch traten allerdings getrennte Gespräche des UNO-Generalsekretärs mit den beiden Seiten im Zypernkonflikt.

De Cuellar hat von vornherein die bundesstaatliche Lösung des Zypernproblems zur Grundlage der Verhandlungen gemacht. Bisher hatte Nikosia der seit 1975 im Norden konzentrierten türkischen Minderheit von rund einem Fünftel der Gesamtbevölkerung nur eine Regionalautonomie und eine im Vergleich zu ihrer Stärke vermehrte Beteiligung an allen gesamtzypriotischen Institutionen angeboten.

Eine solche „Konkordanzdemokratie" nach schweizerischem Modell war jedoch von Denktasch mit der maximalen Gegenforderung nach der „Konföderation", nach einem nur losen Staatenbund zwischen seiner sonst völlig unabhängigen „Republik" und

Griechisch-Zypern entgegengetreten.

Langfristig wäre das auf die alte Politik Ankaras von einer doppelten „Enosis" je eines Teiles der Insel mit Griechenland und der Türkei hinausgelaufen. Ein Teilungsplan, zu dessen Abwehr auf der Insel der Aphrodite schon 1963,1967 und 1974 viel Blut geflossen war.

Die große Hoffnung liegt jetzt darin, daß sich sowohl Kyprianou und Denktasch wie auch ihre Hintermänner in Athen und Ankara auf den Mittelweg einer wirklich gemeinsamen „Bundesrepublik Zypern" festgelegt haben. Damit sind natürlich viele dornige Einzelfragen noch lange nicht beantwortet.

Wie der zyperntürkische Chefdelegierte vor seiner Abreise nach Wien erklärte, müsse auch nach dem „Bundesschluß" der heutige ethnische Charakter eines fast nur von Türken bewohnten Nordens erhalten bleiben. In Nikosia besteht man hingegen für die künftige Bundesverfassung auf dem Recht der freizügigen Nie-

derlassung aller zypriotischen Bundesbürger im gesamten Staatsgebiet.

Dabei geht es um keine Paragraphenreiterei von Verfassungsjuristen. Mit dieser Klausel steht oder fällt das Heimat- und Rückkehrrecht für eine Viertelmillion Christen verschiedener Nationalität, die 1974/75 in der türkischen Besatzungszone ausgetrieben wurden.

In Lefkoscha und Ankara ist man bisher nur bereit, eine begrenzte Rückkehr der Heimatvertriebenen und Entrechteten im Raum der Hafenstadt Famagusta zuzulassen, die im August 1974 — während der Zypernkonferenz von London — von einer zweiten Welle der türkischen Invasion überrollt worden waren.

UNO-Generalsekretär Perez sitzt jetzt bei seinen eiligen Bemühungen um eine Zypernlösung nicht nur das Gespenst der Ausweitung des Konfliktes auf einen Waffengang zwischen der Türkei und Griechenland im Nacken.

Die Vereinten Nationen wissen auch nicht mehr, wie sie die längs der quer durch die Insel verlaufenden Demarkationslinie stationierten Truppen und Polizei-Einheiten aus Australien, Kanada, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Irland, Österreich und Schweden weiter finanzieren sollen. Die UNO hat den beteiligten Ländern Anfang des Jahres eben erst ihre finanziellen Entschädigungen für 1977 auszahlen können. Das Mandat dieser UNIF-CYP läuft Ende 1984 ab und kann aus Geldmangel kaum noch einmal verlängert werden.

Bis dahin muß die Weltorganisation eine Lösung gefunden haben.

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