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Neubeginn in Carnuntum

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Heidentor und Palastruine von Carnuntum werden schrittweise restauriert, Museumsbauten sind geplant, und der neue Park soll besucherfreundliche römische Kultur nahebringen.

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Heidentor und Palastruine von Carnuntum werden schrittweise restauriert, Museumsbauten sind geplant, und der neue Park soll besucherfreundliche römische Kultur nahebringen.

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Carnuntum ist noch nicht verloren. Das ist zumindest die Meinung des neubestellten Direktors des Museums Carnuntinum und Landesarchäologen von Nieder-. Österreich, Werner Jobst. In einjähriger Vorbereitungszeit auf seinen am 1. Jänner erfolgten Amtsantritt hat er für die Rettung des verfallenden, zehn Quadratki-

lometer großen Archäologischen Parks ein Konzept erarbeitet, dessen Ziel es ist, das Niveau so prominenter Museen wie der von Köln, Xanten und Basel zu erreichen. Um den großzügigen Plan wenigstens teilweise zu realisieren, wird Werner Jobst mehr als nur „mehr Geld“ brauchen.

Nach seinen Worten tut das Land Niederösterreich, was es vermag - finanziell und ideell.

Am Zug wären der Bund und die Bevölkerung der sich als Fremdenverkehrsorte bezeichnenden Gemeinden Petronell und Deutsch-Altenburg, auf deren Gebiet sich die einst 75 Hektar große Hauptstadt der römischen Provinz Oberpannonien und das doppelt so umfangreiche Militärlager an der Grenze des Imperiums Romanum befunden haben.

An sie alle ist der Aufruf gerichtet, endlich Schluß zu machen mit der Zersiedelung und mit der Ausbeutung des Bodens durch Tiefpflügen, weil damit mehr zerstört als entdeckt wird.

Ein erster Schritt zur Besserung der Situation ist bereits gemacht worden. 1985 hat man begonnen, das im Stil einer römischen Landvilla errichtete und 1904 eröffnete Museum Carnuntinum in Deutsch-Altenburg nach den Richtlinien der Charta von Venedig zu renovieren. Das heißt, daß das unter Denkmalschutz stehende Haus, das während der Wintermonate geschlossen bleibt, vom Fensterrahmen bis hin zum Stiegenaufgang in seinen ursprünglichen Zustand versetzt wird. Ist das geschehen, wird eine nach modernen museumspädagogischen Gesichtspunkten orientierte Neuaufstellung der Exponate in Angriff genommen, während die Steinmonumente unter freiem Himmel einen neuen Platz finden werden.

Da der für das 19. Jahrhundert repräsentative Bau jedoch vor al-

lern zu klein ist, um die Fundgegenstände aus der rund hundertfünfzigjährigen Grabungstätigkeit aufnehmen geschweige denn präsentieren zu können, hat das Land Niederösterreich zu diesem Zweck eine ehemalige Kuranstalt neben dem Museum Carnuntinum angekauft. Dort wird in Zukunft nicht nur das bislang auf sechs verschiedene Depots verteilte Fundmaterial geschlossen aufbewahrt werden; hier können auch Sonderausstellungen veranstaltet werden.

Darüber hinaus wird auf dem Kirchberg von Deutsch-Altenburg ein Museum etabliert. Es ist den Relikten des Tempelberges von Carnuntum gewidmet, die auf dem zum Steinbruch gewordenen Pfaffenberg freigelegt worden sind. Die im Maßstab von eins zu eins projektierte Rekonstruktion der größten Tempelanlage nördlich der Alpen wird demonstrieren, wie die Römer ihre Heiligtü-

mer zu gestalten verstanden. Die Gemeinde hat das Grundstück schon jetzt zur Verfügung gestellt, das Land die Finanzierung abgesichert, die Verträge mit den Besitzern des Steinbruchs, in deren Eigentum sich nach wie vor alle der Erde entrissenen Köpfe von Götterstatuen, Bruchstücke von Inschriftblöcken und Mauerreste des Tempels der kapitolinischen Trias befinden, stehen vor dem Abschluß.

Nicht zuletzt sieht das Konzept des neuen Direktors eine schrittweise Sanierung der Museumslandschaft vor. Fürs erste müssen allerdings einzelne Abschnitte gesperrt werden wie beispielsweise der sogenannte Spaziergarten beiderseits der Schloßstraße von Petronell. Dort, wo ab 1948 die Fundamente des an der Peripherie der Zivilstadt gelegenen Geschäfts- und Handelsviertels ausgegraben worden sind, ist nämlich im August 1985 eine Stützmauer eingestürzt und hat einen Schutthaufen von rund 15 Kubikmetern gebildet. Aber auch die Mauern der in überkommenem keltischem Baustil errichteten Häuser, in denen romanisierte Kelten ihrem Erwerb nachgegangen sind, weisen starke Schäden auf. Auch der gewaltigste Bau-

komplex der gesamten Austria Romana, die 104 X 104 Meter umfassende Palastruine, muß laut Jobst wieder restauriert werden. Sogar das Heidentor, das einzige in Österreich über Tag erhalten gebliebene Denkmal aus dem vierten Jahrhundert, ist sanierungsbedürftig. Die Behebung all der Schäden wird mehrere Millionen Schilling kosten.

Dennoch möchte Jobst in Zusammenarbeit mit den Archäologen der Akademie der Wissenschaften, der Universität Wien und des österreichischen Archäologischen Instituts die 1964 zum Stillstand gekommene Untersuchung in der Zivilstadt fortsetzen und das Amphitheater aus der ersten Blütezeit Carnuntums - der Zeit vor den Markomannenkriegen (171 n. Chr.) - vollständig freilegen. Bislang sind nur die Tribünen und Logen aufgedeckt worden. Außerdem soll das Grundstück, auf dem das orientalische Heiligtum mit einem Mithraeum sowie einem Kultbau für den Jupiter Heliopolitanus (der Stadtgottheit von Baalbek) und der Venus Victrix zum Vorschein gekommen ist, als weiteres Freilichtmuseum dem Archäologischen Park eingegliedert werden. Das Land Niederösterreich hat zugesagt, die Restaurierung der Ruinen zu bezahlen.

Damit der Besucher versteht, was er sieht und wovon die Ruinen zeugen — Aufstieg, Glanz und Untergang einer Stadt, die vom Beginn des ersten bis zum Ende des vierten Jahrhunderts nach Christus Mittelpunkt römischer Kultur und Zivilisation in unserem Lande war —, werden innerhalb des Archäologischen Parks Schilder, Wegweiser, Rekon-struktionszeichnungen und Modelle angebracht und Lehrpfade sowie Wanderwege eingerichtet.

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