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Digital In Arbeit

Neubewertung"

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Katholische Arbeitnehmer und Unternehmer suchten auf Einladung des Karl-Kummer-Instituts eine Antwort auf die Frage „Vorrang der Arbeit vor dem Kapital?".

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Katholische Arbeitnehmer und Unternehmer suchten auf Einladung des Karl-Kummer-Instituts eine Antwort auf die Frage „Vorrang der Arbeit vor dem Kapital?".

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„Die Enzyklika ist eigentlich revolutionärer, als man beim ersten Durchlesen annehmen könnte." Mit diesem Kalkül bedachte der Wiener Wirtschafts- und Sozialhistoriker Alois Brusatti das päpstliche Rundschreiben „Labo-rem exercens" vom vergangenen Herbst.

Und er gab damit den Start- * schuß zu einer vierstündigen Debatte über die Frage „Vorrang der Arbeit vor dem Kapital?", dem Thema der „Katholisch-Sozialen Tagung 1982" am 26. März im Niederösterreichischen Landhaus.

Allerdings bezweifelte Brusatti gleich als erster Referent (Thema:

„Sozialgeschichte der Arbeit") die Gültigkeit der Antinomie zwischen Arbeit und Kapital, wie sie in der Fragestellung der Tagung zum Ausdruck komme. Die Verabsolutierung von Arbeit bzw. Kapital, der der marxistische Sozialismus einerseits und der kapitalistische Liberalismus andererseits nachhängen, sei, so Brusatti, heute weitgehend überholt und hilflos den neuen Wirtschaftsstrukturen gegenüber.

Und gerade da zeige die jüngste Sozialenzyklika den Weg zu einer Neubewertung beider Begriffe. „Die Enzyklika öffnet die Chance für eine neue Auffassung, bei der der Mensch den Vorrang vor dem Begriff der Arbeit als bloße Ware und der Verabsolutierung des Kapitals hat" (Brusatti).

Weit weniger optimistisch Wolfgang Schmitz, ehemaliger Finanzminister und Nationalbankpräsident. Zwar gesteht auch er der Enzyklika zu, daß ihr mit der Definition der Arbeit als .jedes menschliche Tun, das man unter der reichen Vielfalt der Tätigkeiten, deren der Mensch fähig ist und zu denen ihn seine Natur, sein Menschsein disponiert" (La-borem exercens), ein „großer und vielversprechender Wurf" gelungen ist.

Dann aber spart Schmitz nicht mit harscher Kritik an der seiner Meinung nach oft mißverständlichen Ausdrucksweise des Vatikans.

Schmitz geht konkret auf den Ubergang von Abschnitt 13 der Enzyklika („Ökonomismus und Materialismus") zum Abschnitt 14 (rbeit und Eigentum") ein. Da würde einmal vom Primat der Person über die Sache geredet, dann festgestellt, daß sowohl hinter Arbeit wie Kapital Menschen stehen und schließlich doch wieder der Vorrang der Arbeitnehmer vor den Kapitalgebern postuliert.

Wenn hier kein Redaktionsversehen des Autors vorliege und tatsächlich einem „Laborismus" das Wort geredet wird, dann, so Schmitz, müsse man wohl in Zukunft zwischen einer „päpstlichen" und einer traditionellen „katholischen" Soziallehre unterscheiden.

Die Schmitzsche Kritik stieß auf teils vehementen Widerspruch im Publikum. Allen voran zeigte sich der Bundessekretär der Katholischen Arbeiterneh-merbewegung (KAB), Leopold Summerauer, „echt erschüttert". Summerauer qualifizierte die Enzyklika als „bisher beste für die Arbeitnehmer". Und so wie Schmitz hatten vermutlich schon die Unternehmer um 1890 das Erscheinen von „Rerum novarum" kommentiert, konterte Summerauer.

Die allgemeine Erregung legt sich erst am Ende der Tagung, als der Ethikprofessor Rudolf Weiler allen Diskutanten versicherte, „ganz im Sinne des Papstes zu argumentieren".

Doch zuvor noch plädierte der Vorarlberger Arbeiterkammerpräsident Bertram Jäger für die Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft zu einer Humanen Marktwirtschaft. Jäger: „In unserem derzeitigen Wirtschaftssystem wird im Konflikt zwischen wirtschaftlicher Effizienz und sozialer Effektivität üblicherweise für die ökonomische Prämisse entschieden."

Und wenn man den Forderungen der Sozialenzyklika gerecht werden wolle, dann dürfen soziale Probleme und die Arbeitssituation als solche nicht bloß kurativ behandelt werden, sondern prophylaktisch, so Jäger.

Mit dieser Forderung konnten sich weder der Grazer Sozial- und Arbeitsrechtler Heinz Krejci noch der anwesende Staatssekretär Hans Seidl anfreunden. Allzugroße Humanisierung beeinträchtigt die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft (Krejci). Und aus eben diesem Grund könne die Umorientierung nur weltweit erfolgen (Seidl).

Wie Krejci überhaupt darüber Klage führte, daß die Enzyklika zwar „wunderbare Themen an-schneidet, aber in den Handlungsanleitungen jede Konkretion missen läßt". Allein schon deshalb ist für Krejci, der in seinem Referat „Laborem exercens und die österreichische Rechtsordnung" einem Vergleich unterzog, die Frage des Vorrangs oder Nachrangs der Arbeit „ein Streit um des Papstes Bart".

Und wenn man sich bei der Veranstaltung des Karl-Kummer-Institutes auch auf keine eindeutigen Vor- bzw. Nachrangregeln einigen konnte, zumindest in einem Punkt wurde Ubereinstimmung erzielt:

Die neue Sozialenzyklika argumentiert sowohl gegen den Staatskapitalismus wie gegen die Marktwirtschaft mit ihrer Tendenz zu Großorganisationen. Der Papst sympathisiere dagegen mit einem machtmäßig dezentralisiertem System von unabhängigen Produktionseinheiten. Eine „grüne" Sozialenzyklika also ...

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