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Neue Akzente in der Volksgruppenpolitik

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Der Sinn dieses Artikels ist es nicht, auf die ideologische Situation in der slowenischen Volksgruppe einzugehen und die Hintergründe gewisser Verschiebungen auch in diesem Bereich aufzuzeigen. Ebenso soll nicht auf die Diskussionen und Polemiken eingegangen werden, zu denen es in Kärnten zwischen der slowenischen Volksgruppe und den politischen Parteien wegen divergierender Auffassungen hinsichtlich des Volksgruppengesetzes gekommen ist. Von den Vertretern der politischen Organisationen der slowenischen Volksgruppe, dem Rat der Kärntner Slowenen und dem Zentralverband slowenischer Organisationen wird das Volksgruppen-

gesetz in der jetzigen Fassung mit der Begründung abgelehnt, daß der Orts-tafelregelung die umstrittene und mißglückte Volkszählung besonderer Art zugrunde gelegt wurde und das Gesetz mit den erlassenen Verordnungen den Geltungsbereich des Slowenischen als Amtssprache stark einengt.

Auf die bestehenden Spannungen und Meinungsunterschiede zwischen der slowenischen Volksgruppe und den Parteien soll bezüglich der Realisierung des Artikels 7 des österreichischen Staatsvertrages hier also nicht eingegangen werden. Wohl aber sollen Initiativen aufgezeigt werden, die seitens der Repräsentanten des Staates aber auch im Lande selbst in der Volksgruppenfrage gesetzt wurden und in den Reihen der slowenischen

Volksgruppe als Schritte guten Willens volle Zustimmung gefunden haben.

So hat sich Bundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger - nachdem an ihn der Wunsch herangetragen wurde - bereit erklärt, am 28. Februar 1978 eine Delegation des Rates der Kärntner Slowenen zu empfangen, die ihm die Sorgen und Anliegen der slowenischen Volksgruppe vortrug. Bei dieser Gelegenheit regte der Obmann des Rates der Kärntner Slowenen, Dr. Matthäus Grilz, die Wiederaufnahme von Gesprächen zwischen der österreichischen Bundesregierung und den Vertretern der slowenischen Volksgruppe an. ■ ' ^

Nach mehr als einjähriger Unterbrechung kam es so am 3. April 1978 erneut zu Gesprächen im Bundeskanz-

leramt. An der Aussprache, zu der Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky eingeladen hat, nahmen starke Vertretungen der beiden slowenischen Zentralorganisationen teil. Thema des Gespräches war die Beurteilung der gegenwärtigen minderheitenpolitischen Situation, behandelt wurden außerdem Fragen des Bereiches der Wirtschaft, die den Lebensraum der slowenischen Volksgruppe betreffen sowie Fragen des Schulwesens der Minderheit.

Im Rahmen einer Gedenkfeier in Wien erklärte Bundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger anläßlich des 35. Jahrestages der Enthauptung der 13 Opfer des Nationalsozialismus aus Zell Pfarre am 22. April 1978, daß die Hingerichteten entgegen den Worten des

Urteilsspruchs, sie seien für immer ehrlos, „nicht ehrlos sind und nie ehrlos waren. Sie sind würdig des ehrenden Gedenkens unserer Republik.“

Auf Antrag des Bundesministers für Justiz, Dr. Christian Broda, hat der Bundespräsident am 28. April 1978 außerdem die Einstellung des Strafverfahrens angeordnet, das gegen vier Angehörige aus Zell Pfarre beim Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Vergehen der Verhinderung einer Wahl am Tage der Erhebung der Muttersprache anhängig war. Die Begründung lautete, daß die Beschuldigten in einer Gemeinde herangewachsen sind, dessen slowenischsprachige Bürger im Kampf gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft einen besonders hohen Blutzoll entrichten mußten.

Das Verhalten und die Entscheidungen des Bundespräsidenten weckten 'in der Volksgruppe das Gefühl, daß das Staatsoberhaupt für alle Staatsbürger da sei und sich die Angehörigen der slowenischen Volksgruppe voll Vertrauens an ihn wenden können.

Aber auch im Lande Kärnten fielen im Interesse der slowenischen Volksgruppe in letzter Zeit wichtige Entscheidungen. So wurde die Stelle des Direktors am Bundesgymnasium für Slowenen mit Prof. Dr. Reginald Vo-spernik besetzt. Hinter diesem Besetzungsvorschlag standen alle im Landtag vertretenen Parteien.

Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky wird am 27. Mai 1978 dem Bundesgymnasium für Slowenen einen Besuch abstatten und sich für die Anliegen der Schule persönlich interessieren.

Obwohl es hinsichtlich der Beschik-kung der Volksgruppenbeiräte bisher zu keinem Einvernehmen gekommen ist, wurden aus Mitteln der Volks-gruppenförderüng Beträge für Tätigkeiten zur Verfügung gestellt, die der Erhaltung der Volksgruppe und Förderung des Zusammenlebens dienen sollen.

Die Kulturarbeit der Kärntner Slowenen steht heuer im Zeichen der 70jährigen Wiederkehr der Gründung des Christlichsozialen Verbandes, einer Dachorganisation aller slowenischen Kulturvereine in Kärnten. Die aus diesem Anlaß im großen Konzerthaussaal und im Stadttheater Klagenfurt stattgefundenen Kulturveranstaltungen waren ein überzeugender Beweis des ungebrochenen Lebenswillens der slowenischen Volksgruppe, der sich im Auftreten von über 40 Chören und Musikgruppen aus dem Südkärntner Raum manifestierte. Auch die Teilnahme hoher Repräsentanten des Landes an den Feiern der Kärntner Slowenen - erschienen waren auch Landeshauptmann Leopold Wagner und der Bürgermeister der Landeshauptstadt, Leopold Guggenberger -kann als ein neuer Anfang in den Beziehungen zwischen den deutschspra-

chigen und slowenischsprachigen Kärntnern gewertet werden.

Die beiderseitigen Bemühungen um eine Verbesserung der Beziehungen auch im überregionalen Bereich spiegeln die Gespräche wider, die zwischen Österreich und Jugoslawien über die Errichtung des Karawankentunnels geführt wurden. Bei diesen Verhandlungen hat Landesrat Stefan Knafl in seiner Eigenschaft als Straßenbaureferent die Interessen des Landes wahrzunehmen. Es ist ganz natürlich, daß bei dieser Gelegenheit mit den Vertretern Sloweniens auch über Volksgruppenfragen Gespräche geführt wurden, wobei beiderseitig zum

Ausdruck gebracht wurde, daß eine Verbesserung der Beziehungen angestrebt wird und ein Weg dazu das Gespräch darstellt.

Man könnte noch manche Schritte anführen, die in letzter Zeit in Richtung Zusammenarbeit getan wurden. Mit solchen Initiativen wird Vertrauen aufgebaut, die Atmosphäre im Lande verbessert, die Gesprächsbereitschaft zwischen den Volksgruppen gefördert und schrittweise der Weg für einver-nehmliche Lösungen vorbereitet. Auf beiden Seiten fehlt es nicht an gutem Willen und das berechtigt nach langem wieder zu neuen Hoffnungen.

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