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Neue Baumarten für unsere Alpen

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In Kärnten läuft ein interes-» santer Versuch zur Wiederaufforstung im Hochgebirge. Ein Bosch-Erbe investiert seine Mittel in die Zukunft unserer Wälder

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In Kärnten läuft ein interes-» santer Versuch zur Wiederaufforstung im Hochgebirge. Ein Bosch-Erbe investiert seine Mittel in die Zukunft unserer Wälder

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Georg Zundels Grundbesitz, den man eher einen Felsenbesitz nennen sollte, umfaßt drei in sich geschlossene Bereiche: zwei auf der Sonnen- wie auf der Schattenseite des Maltatales, einen auf der Sonnenseite eines Nebenarmes, des Gössgrabens.

Was Zundel vorgefunden hatte, war ein schwer beschädigter Baumbestand — in den tieferen Lagen von weidenden Rindern, bis hoch hinauf von Hirsch- und Rehrudeln ruiniert -, heruntergekommen auch durch eine rein kommerzielle Ausplünderung.

Verdienen wollte er nichts mit der Forstwirtschaft. Würde sie mit dieser Absicht betrieben, so

ließe sich das laufende, aufwendige Programm der Sanierung und Aufforstung nicht durchführen.

Zwei Ziele werden verfolgt: Die vorhandenen, aber verwahrlosten Wirtschaftswälder, jene also, die der Holzgewinnung dienen, zu sanieren, und Schutzwälder bis in Höhen anzulegen, in denen einheimische Baumarten nicht mehr wachsen.

Schutz wogegen? Gegen Lawinen. Sie werden umso ungefährlicher, je höher der Schutzwald in die Gipfelregion hinaufreicht. Der Schutz gilt nicht nur den Menschen und ihren Ansiedlungen im Tal. Er gilt auch den tiefer gelegenen Wirtschaftswäldern.

Der Sanierung des vorhandenen Bestandes diente vor allen anderen Maßnahmen die Anlage von Forstwegen, die von Transportfahrzeugen befahren werden können. 43 Kilometer dieser Wege sind bis auf 2000 Meter Höhe gebaut worden, so vorsichtig und bestandsschonend aus Gneis und Granit herausgesprengt wie möglich.

Die künstlich entstandenen Böschungen wurden sogleich mit Erde bedeckt und eingegrünt, sodaß schon nach wenigen Jahren die Verwundungen der Hänge geheilt waren.

Andere Arbeiten, die der Sanierung dienen, ließen sich am ehesten unter dem Begriff Entrümpelung zusammenfassen: Entfernung von Baumleichen, Auslichtungen, Aufforstung und Trennung von Wald und Weide.

Damit sind Probleme angesprochen, vor denen jeder Eigentümer und Bewirtschafter von Wäldern in den Alpen steht. Zundels Initiativen gehen aber darüber hinaus. Er will nichts weniger als die Folgen eines Naturereignisses teilweise korrigieren, das zuletzt vor zehntausend Jahren stattgefunden hat.

Hören wir ihn selbst: „Während der verschiedenen Perioden der Eiszeit wurde die gesamte Hochgebirgsflora in den europäischen Alpen weitgehend ausgerottet. Zehntausend Jahre sind aber für Bäume, die eine lange Generationsfolge haben, eine relativ kurze Zeit, um sich genetisch wieder an die klimatischen Verhältnisse im Hochgebirge anzupassen.

In Europa haben dies nur drei Baumarten geschafft: die Zirbe, die Lärche und die Fichte. In einigen Lagen unserer Wälder ist zu beobachten, welche verheerenden Folgen es haben kann, wenn genetisch nicht angepaßte Fichten in Hochlagen verpflanzt werden.“

Worauf es ankam, war Samen von Bäumen zu finden, die auch noch in 2000 Metern Höhe gedeihen. „Was den Einfluß der Eiszeit

auf Hochgebirgsflora betrifft, so liegen die Verhältnisse in Kanada und den USA deshalb ganz anders, weil sich die Gebirgszüge von Norden nach Süden, die Alpen hingegen von Osten nach Westen erstrecken. Während der Eiszeit konnten die Wälder der Nord- Süd-Gebirgszüge nach Süden ausweichen.

Diese Erkenntnis bildet gleichsam das Tor, hinter dem sich die Welt des Zundelschen Modellversuchs im Maltatal auftut. Seine Besonderheit besteht darin, durch Verwendung von Samen aus den USA und Kanada eine Hochgebirgsfauna in die Alpen zu verpflanzen, die hier bisher nicht vorhanden war.

Der artenarme europäische Gebirgswald sollte artenreicher gemacht werden. Unter den Bäumen, die hier neues Heimatrecht bekommen sollen, sind verschiedene Tannenarten zu nennen, insbesondere die duftende Hochlagentanne Abies lasiocarpa, von denen heute schon Tausende im Maltatal in Höhen zwischen 1400 und 1800 Metern heranwachsen, während in Höhen über 2000 Metern hauptsächlich amerikanische Blaufichten gedeihen.

Weiters wurden Douglasien, eine ertragreiche und hochwertige Holzart, gepflanzt. Sie sind mit über 120.000 Jungpflanzen in Höhen zwischen 1000 und 1600 Metern unserem klassischen artenarmen Gebirgswald im Maltatal beigemischt.

„Wir haben Versuche mit der Picea pungens durchgeführt, mit Saatgut aus Höhenlagen von 2700

Metern in Colorado und 3000 Metern in Arizona. Diese Pflanzen haben sehr spitze, harte Nadeln .und sind damit durch Gamsverbiß wenig gefährdet.

Wir machten dabei zwei wichtige Erfahrungen. Erstens: Haben wir Pflanzen aus dem Tal herangezogen, so hatten wir große Verluste durch Pilzbefall. Nachdem wir sie in unsere sehr rauhe Versuchsfläche auf 1750 Meter gebracht hatten, verschwand der Pilzbefall sofort.

Und zweitens: Wir haben Anpflanzungen in 2200 Metern Höhe als Lawinenschutz vorgenommen. Wenn wir die Jungpflanzen aus dem Tal in diese Höhe brachten, hatten wir erhebliche Anpassungsschwierigkeiten. Das heißt also, wir müssen die Jungpflanzen bereits in 1600 Metern Höhe ziehen, damit sie sich am endgültigen, noch höher gelegenen Standort entwickeln.“

Zundels Ziele sind hochgesteckt: Er wünscht sich, daß sich sein Modell auf die Gebirgswälder Europas ausdehnt und sowohl in ökologischer wie in ökonomischer Hinsicht Vorteile bringt.

Auszug aus „Natur“ 4/87

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