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„Neue Freie Presse“

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Schon ihre Vorgängerin, Die Presse, 1848 gegründet, war mies. ,Meine Zeitung ist ein Kramladen“, erklärte deren Eigentümer August Zang, ein Jude natürlich, der nur geschäftliche, keine politischen Ambitionen hatte. Ein Zeitgenosse nannte dessen Organ ,„das korrupteste Blatt in korruptester Zeit“. 1864 trennten sich drei Redakteure von dem Blatt und gründeten die Neue Freie Presse Die erste Nummer erschien am 1. September 1864. (Es wird Zeit, mit den Feiern zu beginnen!) Ihr politisch ambitionierter Herausgeber war Moritz Benedikt, und unter seiner Leitung wurde diese Zeitung, mit des Chefs „barocker Sprache“ und seinem „nationalen Pathos“, zum Symbol und Sprachrohr des liberalen Bürgertums.

Für das jüdische Bürgertum war sie noch mehr: eine Art politische Bibel. Aber die politische Haltung ließ „vielfach die Linie vermissen“, und im literarischen Teil, wo als einziger Goi der Hermann Bahr zugelassen war, verbarg sich hinter schön geformten Satzgeflechten eine innere Leere. „Die Ambivalenz der Schreibweise der Zeitung, die liberale und' humane Phrase als Fassade vor Machtinteressen und Intoleranz gegen Andersdenkende sowie den literarischen Narzißmus hat ebenso eindringlich wie sarkastisch Karl Kraus in seiner Fackel offengelegt.“

Diese Betrachtungen stammen natürlich nicht von uns, sondern vom Autor der Serie Die Juden in Österreich in der Kronen-Zeitung Faßt man den Gesamteindruck zusammen, den Karl Kraus von der NFP hatte und weitergab, so kann man sagen: sie war verlogen und arrogant. Und warum war sie es, der Argumentation des Dr. Reimann zufolge? Weil der Redaktionsstab zum größten, zum überwiegenden Teil aus Juden bestand. Haben Sie jetzt verstanden?

Aber noch ins Grab schmeißt einer da dem Karl Kraus einen Stein nach. Auf der gleichen Seite, auf der die 17. Folge dieser Objektivität heuchelnden Serie abgedruckt ist, findet sich neben einem Bild von Karl Kraus der folgende Text: „Der Jude Karl Kraus war ein leidenschaftlicher Kämpfer gegen die Neue Freie Presse der Bibel des jüdischen Großbürgertums.“ Hier scheint — und das ist die Rache des toten Karl Kraus — die Kronen-Zeitung die mit grammatischen Fehlern gepflasterte Sprache der verhaßten Presse fortsetzen zu wollen. Will sie wirklich, oder tut sie nur so? Das ist bei der Verlogenheit dieser ganzen Serie nicht mehr zu unterscheiden. H. A. F.

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