Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Neue Historiker
In einem unterscheidet sich Österreichs und Israels derzeitiger diplomatischer Status: Unser Land ist im Judertstaat mit einem Botschafter, Israel bei una nur mit einem Geschäftsträger vertreten. In einer anderen Hinsicht gibt es Parallelen: Gemeint ist der Versuch, jüngere Zeitgeschichte selbstkritischer als bisher aufzuarbeiten,
„In einem Land, in dem Geschichtsschreibung 5000 Jahre lang die Seele der Nation mitgeprägt hat und in dem es zu keiner Zeit an Konflikten mangelte, ist nun ein heftiger Kampf um die geschriebene Geschichte des Unabhängigkeitskrieges des modernen Israel voll im Gange“, schrieb Abba Alexander im Juni/Juli-Heft der „Illustrierten Neuen Welt“, einer niveauvollenjüdi-schen Monatszeitschrift Österreichs. „Eine neue israelische Historiker-Generation ist dabei, die Geschichte ihres Landes umzuschreiben und sie von angeblichen Mythen zu befreien.“
Einige der „angeblichen Mythen“: daß Israel nichts als Frieden wünsche, aber die arabischen Nachbarn es immer wieder zum Krieg zwingen; daß Israels Armee immer heroisch, aber besonnen kämpfe; daß Opfer unter den arabischen Palästinensern letztlich immer Opfer uneinsichtiger und aggressiver Araber seien; daß die Räumung von Siedlungen durch Araber stets Flucht und niemals Vertreibung sei; daß die Besetzung eines Teils von Libanon durch Israel ein reiner Defensivakt gewesen sei.
An allen diesen Mythen kratzen die „Neuen Historiker“ aufgrund vrm Befehlen urid Augenzeugenberichten, die sie in Archiven und Bibliotheken ausgraben. Kritiker werfen den Kritikern Nestbeschmutzung, Schwächung der eigenen Verteidigungskraß und Verrat an patriotischen Pflichten vor. Die Neuen Historiker aber lassen nickt locker: „Israel ist stark genug, um einen kritischen Blick auf sich selbst zu ertragen.“
Bei aller Anerkennung von Unterschieden (etwa des in vergleichbarer Stärke fehlenden internationalen Drucks): Darf man an das insgesamt doch recht selbstkritische österreichische „Bedenkjahr“ 1988denken? Haben nicht auch hierzulande Historiker und Zeitgenossen aller Altersgruppen Heldenepen der letzten 50 Jahre umgeschrieben, Grautöne ins Schwarzweißbild gemalt und ein bißchen nackgedacht?
Das Beispiel zeigt: Kein Land hat Grund, auf andere selbstgerecht und anklagend hinzuzeigen. Mist findet sich vor jeder Tür. Wäre es nicht schön, wenn diese Erkenntnis eines Ttahen Tages auck wieder zu einer gleichwertigen diplomatischen Vertretung Österreichs und Israels fükrte?
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!