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Neue Kirchen in Österreich

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So verständnislos die Kommentare mancher Vorübergehender angesichts neuer Kirchenbauten manchmal sind, so zufrieden sind, in der überwiegenden Zahl der Fälle, die Gemeindemitglieder mit ihren neuen Pfarrkirchen, Bildungszentren und ähnlichen Anlagen. Die angesehene Zeitschrift „Kunst und Kirche“ zieht in ihrem Heft mit dem Motto „Blickpunkt Österreich“ vor allem Bilanz einer Epoche des österreichischen Kirchenbaues. Es ist eine ermutigende Bilanz, denn in einer Zeit, in der Bürokratisierung und Kommerzialisierung die künstlerischen Möglichkeiten des Architekten immer mehr einengten, konnten engagierte Architekten im Kirchenbau fallweise auch sehr kühne Vorstellungen realisieren.

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So verständnislos die Kommentare mancher Vorübergehender angesichts neuer Kirchenbauten manchmal sind, so zufrieden sind, in der überwiegenden Zahl der Fälle, die Gemeindemitglieder mit ihren neuen Pfarrkirchen, Bildungszentren und ähnlichen Anlagen. Die angesehene Zeitschrift „Kunst und Kirche“ zieht in ihrem Heft mit dem Motto „Blickpunkt Österreich“ vor allem Bilanz einer Epoche des österreichischen Kirchenbaues. Es ist eine ermutigende Bilanz, denn in einer Zeit, in der Bürokratisierung und Kommerzialisierung die künstlerischen Möglichkeiten des Architekten immer mehr einengten, konnten engagierte Architekten im Kirchenbau fallweise auch sehr kühne Vorstellungen realisieren.

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Man denke nur an kirchliche Bauwerke, die wie Signale in den jeweiligen Jahren entstanden, wie etwa die Pfarrkirche in Parsch, die aus den fünfziger Jahren stammt, an die Pfarrkirche in Völs in Tirol, die Konzils-Gedächtniskirche in Lainz, an das Gemeindezentrum Puchenau bei Linz von Roland Rainer, das Ursulinenkloster in Innsbruck oder gar an die Kirche in Taegu in Korea (von Ottokar Uhl, einem österreichischen Architekten erbaut), an die evangelische Kirche in Simmering, um nur einige aus der Vielfalt zu netinen, bis hin zu der erst kürzlich fertiggestellten Kirche von Wotruba auf dem Georgenberg in Mauer.

Sie manifestieren eine ungemein vitale Phase in der kirchlichen Architektur. Dabei sind es nicht bloß Kirchen, die das bauliche Geschehen geprägt und entscheidend beeinflußt haben. Seelsorgeanlagen und Gemeindezentren geben durch ihre Neugestaltung einem Ort oft ein neues Gesicht, ohne die alte Fassung zu demolieren. Sehr bewußt schließen sie oft in Konstruktion und Material an die Vergangenheit an und sehen sich bei aller Modernität als die Fortführer einer großen Tradition.

Das katholische Gemeindezentrum Puchenau bei Linz, von Roland Rainer erbaut, spiegelt die neue kulturelle Situation wider. Die kühle Logik der Nachkriegszeit wird verlassen, neue Erfahrungen und Eindrücke kommen zum Tragen, die sich nicht mehr auf Konstruktion und Material reimen müssen. Nur mit größter Zähigkeit konnte Rainer seine Vision von einem dunklen, dem Kontemplativen entgegenkommenden Kirchenraum gegen die anfänglichen Forderungen nach einem hellen, modernen Versammlungssaal verwirklichen. Er war in diesem Falle gegen eine Art von „hygienischem Seelenspital“, wie er sich selbst ausdrückt. Nur unter der Voraussetzung, daß der Umraum dunkelgehalten bleibt, konnte er sein Konzept von der Heraushebung des Altarbereiches durch das von oben, von der Latema strahlende Licht, verwirklichen. Durch den Raum an sich suchte er den Abstand vom Alltag und die Hinwendung zum Transzendentalen zu ermöglichen. Deshalb wurden auch keine aktuellen Leuchtstoffröhren oder „Baustoffe der Wegwerfwirtschaft“ verwendet, sondern „alte, handgeschlagene, aus dem Abbruch gewonnene Ziegel, die besser, dauerhafter und billiger und vor allem schöner sind, als unsere jetzigen Industrieprodukte“ (Rainer).

Hinzu kommt noch die neue Einstellung in der Liturgie. Die Gläubigen sind nicht mehr auf einen am Ende des Kirchenschiffes erhöhten Altarbereich, sondern auf einen Mittelpunkt hin orientiert. Ein Arenaraum kommt der neuen liturgischen Auffassung wesentlich entgegen. Daher muß der Altar nun auf eine ganz neue Art hervorgehoben werden. In Puchenau hat Rainer dies durch die Führung des Lichtes getan, das durch Tambure einfallt und den ganzen Bereich des Altars hervorhebt. Auf die gleiche Weise ist das Licht in den Kapellen (Tagesund Taufkapelle) wirksam.

Bei Rainers Bau ist die Konstruktion nicht mehr das bestimmende Element, sie tritt zurück und ist nur noch Behelf. Die Wände aber wirken durch ihr Mauerwerk aus alten Ziegeln. Im Ge gensatz zum Hauptkirchenraum, der Tages- und Taufkapelle, die bewußt introvertiert gehalten sind, öffnen sich der Gemeindesaal, der Jugendraum und der Kindergarten mit großen, um die Ecke führenden Fensterwänden nach der Außenwelt. Dieser Kontrast steigert die Wirkung beider.

Kirche, Gemeindessai, Tagesräume und Kindergarten sind von den bestehenden Schulen umgeben und bilden das kulturelle Zentrum des Ortes. Auch der weithin bekannte alte Kirchturm der früheren Pfarrkirche wurde optisch mit den drei Tamburen der neuen Kirche zusammenkomponiert.

Wilhelm Holzbauer hat sich bei seinem Bildungshaus in Aigen, Salzburg, eine „Agorä“ zum Vorbild genommen. Ein „städtischer“ Raum, innerhalb eines Gebäudes, von verschiedenen Teilen umschlossen: Kapelle, Meditationsraum und die anschließenden, fischgrätenartig angeordneten Hörsä le, Fitneßräume und Einzelzimmer münden auf einen Innenhof, der die Kommunikation fördern soll.

Uber die Kapelle dieses Bildungszentrums schreibt Friedrich Achleitner in dem Heft „Kunst und Kirche“, Nummer 1/1977 („Blickpunkt Österreich“), von einer mißglückten Liaison dieser Architektur mit der Malerei“. Josef Mikl hat das Emmausthema „Begegnung des Herrn" beherrschend, wie auf alten Pantokrator- Fresken, dargestellt. Achleitner meint, diese Architektur bedürfe nicht der Malerei. Doch sicher werden sich nicht alle dieser puristischen Ansicht anschließen können. Wie die italienischen Kapellen der Renaissance, so kann man auch diese als eine grandiose Symbiose von Architektur und Malerei sehen.

Auch die Seelsorgeanlage inHohen- ems von Johann Gsteu sei erwähnt Sie ist in ihrer klaren, rationalen Konstruktion noch am ehesten aus der Einstellung der frühen sechziger Jahre zu verstehen. Die Kirche selbst ist ein ruhiger, geschlossener Raum, der durch seine eigenwillige, streng durchgeplante Fenster-Dachkonstruktion mehrschichtig von Licht durchflutet wird, ein faszinierender Raum, den man als Übergang von der irdischen in die himmlische Welt sehen kann.

Alle diese und viele andere kirchliche Bauten neueren Datums bestimmen die Diskussion und stellen zugleich eine mit der Geschichte verbundene Architektur dar. Achleitner nennt sie „Nachzügler“, sieht sie aber dennoch nicht als Endpunkt einer Entwicklung, sondern als Besinnen auf ein neues Architekturbewußtsein.

Außer der Liturgiereform finden noch andere neue Strömungen, eine neue Geisteshaltung der Kirche ihren Niederschlag im Kirchenbau. Hans Hollein etwa setzt sich mit seiner Bergkirche auf der Turracher Höhe mit den ökumenischen Bestrebungen des Konzils auseinander. Die Kirche wurde für die Abhaltung sowohl des katholischen wie des evangelischen Gottesdienstes errichtet. Um sich der Landschaft anzupassen, wurde auf einen Turm oder einen anderen höhenbetonenden Akzent bewußt verzichtet, und einfache Materialien der Umgebung, wie Holz und Stein und nur ganz wenig Beton, verwendet. Als Besonderheit erhielt sie dafür markante vergoldete, auskragende Kreuze.

Die modernen Gemeindeerfordernisse in eine gewachsene Umgebung einzugliedem, ist in verschiedenen Orten der jeweiligen Situation entspre chend beispielhaft ausgeführt worden. In Lech am Arlberg plante Roland Ostertag die Neugestaltung eines gesamten Ortszentrums. Statt sich mit den ungünstigen Grundstückgegebenheiten abzufinden, konnte hier innerhalb der Dorfgemeinde eine neue Grundverteilung erreicht werden. So konnte ein neues Ortszentrum mit Kirche, Schule und der Einplanung eines späteren Neubaues des Gemeindeamtes entstehen, das den Anforderungen der heutigen Zeit entspricht, aber zugleich den Bestand der alten Kirche - sie wird weiter für den Werktagsgottesdienst und als Beichtkapelle benützt - und dem Charakter der alten Walsergründung Rechnung trägt. Die Bevölkerung wurde in Bürgerversammlungen weitgehend herangezogen, um selbst über die Pläne zu entscheiden. Diese Neugestaltung des Dorfzentrums wurde somit ein Beispiel für eine wirklich fruchtbringende Zusammenarbeit der verantwortlichen Gemeindestellen mit der Kirche und der Bevölkerung.

In Untemberg im Lungau wagte man sich an die Erweiterung einer bestehenden Pfarrkirche. Dabei sollte der Umraum der Kirche nicht verändert werden, denn auch das vergrößerte Gotteshaus sollte sich in die gewachsene Umgebung eingliedem. Der Kirchenraum selbst wurde für verschiedene Zwecke in mehrere Bereiche eingeteilt, wie etwa in eine Sonn- und Feiertagskirche und eine Werktagskirche.

Ein schon von der Konzeption her völlig anders geartetes Bauwerk ist die erst kürzlich fertiggestellte Kirche Wotrubas auf dem Georgenberg in Mauer. Dieser Kirchenbau ist unbedingt im Zusammenhang mit dem übrigen Werk des Künstlers zu sehen. Wotruba hat hier als Bildhauer die Dimensionen des Bauwerkes erobert. Es ist eigentlich eine begehbare Plastik und stellt im gesamten Kirchenbau Österreichs, dessen einzelne Werke Bausteine auf einem gemeinsamen Weg der Entwicklung sind, ein Unikat dar, ein Bildwerk als Meilenstein auf der breiten Straße der Architektur.

Die besprochenen kirchlichen Bauwerke stehen für die große Anzahl ausgezeichneter kirchlicher Aufgaben. Wie Gotik und Barock in diesem Land ihr eigenes Gesicht, vor allem im Kircheribau, geschaffen haben, so hat auch die heutige Zeit in der kirchlichen Architektur ausgezeichnete Beiträge geleistet, die sich international sehen lassen können.

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