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Neue Moral

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Bekanntlich hat Rousseau seine fünf Kinder ins Findelhaus abgeschoben, um dann ungestört das richtungweisende Werk der Pädagogik „Emil“ zu schreiben. Die Ich-Figur in Barbara Frischmuths neuem Roman, ebenfalls Schriftstellerin, hält ihrem Kind die Treue. Sie ist Mutter und will es bleiben, sie ist Schriftstellerin oder will es werden. Und just dieses Kind ist für sie Quelle wichtiger Erfahrungen. Ohne dieses Ausgeliefertsein an das Kind wäre sie gar nicht mehr zuständig, den Menschen neue Modelle des Menschseins anzubieten. Denn an ihrem Kind erlebt sie die Symbiose alter und neuer Modelle. Die Archetypen des Märchens suchen Anschluß in der derzeitigen Wirklichkeit. Den großen Kinderspielplatz der Phantasie, zu dem auch die Sprache gehört, weiß die Autorin für die Farbigkeit und Tiefe ihres Werkes zu nutzen.

Manchmal kann es allerdings passieren, daß der Kugelschreiber der Schriftstellerin ihr um ei- I nige Buchštabenbręiten näher steht als das Herz der Mutter. Sollte wirklich im Bannkreis des Autofetisches, unter dem alle Säuglinge aufwachsen, je ein Kindlein auf den Einfall kommen, daß die Mehrzahl von Auto auch Autoren heißen könnte? In diesem Sinne kindgemäße Autoren gibt es nicht. Aber es gibt eine Autorin, welche für Kind, Mann und Frau eine neue, allen dreien gemäßere Moral sucht: Barbara Frischmuth.

KAI UND DIE LIEBE ZU DEN MODELLEN. Von Barbara Frischmuth. Residenz Verlag, Salzburg 1979, 208 Seiten,

öS 225,-.

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