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Neue Musik für wen?

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FURCHE: Ein Komponist, derwie Sie etwa zwanzig Kompositionsaufträge erhielt, vor allem von ausländischen Veranstaltern, darunter vier Opern, drei davon mit Fernsehübertragung, kann für Österreich gewiß außergewöhnliche Erfolge verzeichnen. Aber brauchen wir — als Gesellschaft - überhaupt noch neue Musik?

GERHARD WIMBERGER: Es ist dieses selbstverständliche Gebrauchtwerden, das seit Jahrhunderten der anspruchsvollen Musik ihre bedeutsame Rolle im Geistesleben sicherte. Seit Arnold Schönberg wird neue Musik viel zu selten gebraucht -auchweilesso viel gute alte Musik gibt.

FURCHE: Warum werden Komponisten nicht für ihre Tätigkeit bezahlt? Ist Komponieren keine Arbeit?

WIMBERGER: Der Komponist emster Musik schreibt heute nicht mehr, damit seine Musik gehört wird von Menschen, die in der Gegenwart leben, sondern er schreibt sozusagen für die Zukunft.

FURCHE: Warum werden Komponisten zunehmend in anderen Berufen eingesetzt? Das Spektrum reicht dabei vom Bundes-Budget-beamten über den Musikhochschullehrer bis zum Musikkritiker. Muß das so sein?

WIMBERGER: Eine Ursache ist darin zu sehen, daß nur ganz wenige Komponisten von den Einkünften aus ihren Kompositionen leben könnten

FURCHE: Bemühen sie sich denn darum?

WIMBERGER: Da es zu wenig Kompositionsaufträge gibt, wird sich keine Agentur bereit finden,welche zu vermitteln - ganz zum Unterschied von der Vermittlung musealer Musik und reproduzierender Musiker.

FURCHE: Wie steht es um den Urheberrechtsschutz?

WIMBERGER: Die Situation ist zwar besser als vor hundert Jahren. Aber einer großen Ungerechtigkeit müßte sich der Staat eigentlich legi-stisch annehmen: Da nicht mehr urheberrechtlich geschützte Musik (deren Urheber vor mehr als 70 Jahren verstorben ist) tantiemenfrei gespielt werden darf, verzichten die meisten Veranstalter auf die Aufführung geschützter, also zeit' genössischer Musik, die mit Tantiemen und Materialgebühren belastet ist. Darin werden Veranstalter durch das geringe Publikumsinteresse noch bestärkt.

FURCHE: Wie könnte diese Situation verbessert werden?

WIMBERGER: Zu einem lebendigen Musikbetrieb gehört heute beispielsweise eine stärkere Präsenz zeitgenössischer Musik inRundfunk und Fernsehen, Aufträge von öffentlichen Stellen und privaten Sponsoren (durch finanzielle Anreize für Sponsoren und Mäzene), verstärkte Motivation von Veranstaltern und Interpreten, Neues in ihre Programme aufzunehmen, engere Kontaktpflege von Orchestern und Theatern mit Komponisten und die Institutionalisierung solcher Zusammenarbeit („Compo-ser in residence“), Schaffung neuer qualitätvoller pädagogischer Musik Literatur, positive Resonanz in der öffentlichen Meinung, Forcierung der Auslandspräsenz usw.

FURCHE: Sie unterrichten Komposition. Ist das heute überhaupt zu verantworten?

WIMBERGER: Selbstverständlich, denn durch die neuen elektronischen Mittel wird die Gefahr des Dilettantismus immer größer. Wissen und Können der jungen Komponisten sind in den letzten Jahren — wie überall zu beobachten-zurück-gegangen. Die Vermittlung der elementaren technischen Voraussetzungen des Komponierens ist heute notwendiger denn je.

FURCHE: Sie selbst haben beigetragen zur Erhöhung des Anteils neuer Musik bei den Salzburger Festspielen. Auf welche Weise war das möglich?

WIMBERGER: Ich habe immer betont, daß die von den Gründern intendierte Dynamik nicht verloren gehen darf. Mit den Einnahmen aus Meisterwerken der Vergangenheit, die das Publikum hebt, müssen auch weiterführende Vorhaben finanziert werden Mit dem Generalsekretariat der Festspiele haben wir versucht, bei zeitgenössischen Werken radikale Wege zu vermeiden, sonderen eine Linie zu finden, die vor allem die kompositorische Qualität im Augehat. Es sollten ja nicht einige Hörer schimpfend die Aufführung verlassen Ab 1972 ist die Auslastung der zeitgenössischen Konzertprogramme von etwa 2 5 Prozent auf durchschnittlich 70 Prozent gestiegen. Leider spielt dabei die Musikkritik großteils eine prekäre Rolle, denn teilweise verfolgt sie die Grundeinstellung: „Was dem Publikum gefällt, hat keinen Wert“. Diese Situation wird von Beobachtern etwa aus angelsächsischen lindern mit Recht als absurd bezeichnet. Bei uns herrscht ein seltsamer Kulturmas ochismus.

FURCHE: Wie könnten Komponisten und Zuhörer wieder besser zueinander finden?

WIMBERGER: Von sogenannten Ghettokonzerten sollten wir abkommen, hin zu gemischten Musikprogrammen Auf diese Weise würden die Komponisten gezwungen, so zu schreiben, daß ihre Werke zwischen Mozart und Brahms bestehen können und vom zahlenden Publikum akzeptiert werden Es muß alles getan werden, um ein „musikalisches Gegenwartsbewußtsein“ zu schaffen

Mit dem Diiektcriumsmitglied der Salzburger Festspiele und Hochschulprofessor am Mozarteum sprach Ulf-Diether Soyka.

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