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Neue Opposition vor neuem Beginn

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E? ist, was die Mandatsverteilung betrifft, wie ein „Das-Ganze-noch-einmal!“ — allerdings unter ganz anderen Voraussetzungen.

Aus historischer Distanz wird man unsere Zeit rückblickend wahrscheinlich unter anderem als die Periode des pluralistischen Kampfes um die Verteilung des Sozialproduktes charakterisieren, als politische Auseinandersetzung um die laufende Einkommensverteilung (mehr noch: als die kontinuierliche Änderung der Vermögensverteilung) zwischen den verschiedenen sozialen Gruppierungen: als Produzenten gegenüber den Verbrauchern auf den Waren- und Dienstleistungsmärkten, innerhalb der Produzenten — im weitesten Wortsinn — zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern untereinander, im Wettbewerb in der Gestalt wechselnder Marktanteile auf den Arbeitsmärkten und nicht zuletzt im unterschiedlichen und längst nicht mehr überschaubaren Geben und Nehmen über die öffentlichen Haushalte, einschließlich die so komplizierten Umverteilungsmechanismen wie die staatliche Sozialversicherung.

Die Ansprüche, die geltend gemacht und schließlich durchgesetzt, jedoch im realen Wachstum der Wirtschaft im vermehrten Waren-und Leistungsangebot letzten Endes nicht befriedigt werden können, schlagen sich in hohen nominellen (in Geld ausgedrückten) „Erfolgen“ nieder, die — wie dann immer erst im nachhinein erkennbar — sich als Illusionen erweisen, die die Inflationsrate notwendigerweise wieder auf das real mögliche Ausmaß reduzieren. Selbst im Einzelfall rückläufige Realeinkommen werden hinter dem inflationistischen „Geldschleier“ oft lange nicht wahrgenommen.

Wahrscheinlich wird man einmal ob dieses Teufelkreises der Anspruchsinflation verständnislos den Kopf schütteln, einer Inflation, in welcher gerade diejenigen die Opfer sind, deren man sich als der Bezieher fester Einkommen aus dem Staatsbudget — wie Bezieher von Familienbeihilfen und Bildungsbeihilfen —, im Wege der sogenannten „zweiten Einkommensverteilung“, besonders annehmen wollte. Der einzige Gewinner ist auf die Dauer der Staat, dessen Anteil an den Einkommensströmen immer größer wird und über dessen Verteilungsmechanismen ein immer größerer Teil des Sozialproduktes kanalisiert wird, der in Österreich zum Beispiel im letzten Jahrzehnt von 34,4 Prozent auf nicht weniger als 37,8 Prozent gestiegen ist.

Vielleicht werden die späteren siebziger Jahre als eine Periode der Ernüchterung in die Sozialgeschichte eingehen, in der die Unsinnigkeit dieses Systems erkannt und darüber hinaus als zusätzliches Ergebnis dieser falsch gesteuerten Entwicklung — das längst totgeglaubte Gespenst der Arbeitslosigkeit — auch durch Dauerinflation nicht verhindert werden konnte, ja im Gegenteil, infolge anhaltend hoher Inflationsraten geradezu heraufbeschworen werden mußte, und in der auf Grund des Irrtums, alle ökonomischen und sozialen Probleme durch mehr Staatsausgaben und Geldvermehrung lösen können, Finanzkrisen hervorgerufen wurden, deren Dimensionen sich der Vorstellungswelt des normalen Staatsbürgers schlechthin entzogen hatten — solange sie nicht (wie heute schon in der Stadt New York) tatsächlich spürbar geworden waren.

Vor diesem Hintergrund muß das Wahlergebnis vom letzten Sonntag gesehen werden. Der Sozialismus hat sich — zwar nicht allein, aber doch ganz besonders und im Glauben an eine historische Mission — diesem Verteilungsmechanismus verschrieben. Seine Herrschaft beruht nicht zuletzt darauf, daß dieser Mechanismus ständig, und mit verstärktem Tempo, in Gang gehalten wird, obwohl man eigentlich schon längst nicht mehr weiß, wer letzten Endes wirklich wen subventioniert.

Nach gewissen Phasen profilierender Eigenständigkeit in der Vergangenheit (Soziale Marktwirtschaft, Familienpolitik, Wohnungseigentum, Vermögensstreuung) glaubte die große Oppositionspartei — mit diesem System — mittels minimaler Korrekturen in polltischen Wettbewerb treten zu können. Die damit verbundenen ideologischen Weichenstellungen (Arbeitsverfassungsgesetz, Familienrechtsreform, Unterrichtsexperimente, Strafrechtskonzeption) sind hinter dem bis vor kurzem rasch wachsenden Wohlstand (an welchem die gegenwärtige Regierung nicht mehr Anteil hat als die ihr vorausgegangenen!) von der breiten Öffentlichkeit auch viel weniger beachtet worden.

Die Frage ist ganz unwichtig, ob die ÖVP unter der alten Führung einen besseren Erfolg erzielt hätte, oder ob sie nun glücklich zwischen beiden Sesseln — Ära „Schleinzer“ nicht mehr, Ära „Taus“ noch nicht — zu sitzen kam. Entscheidend war, daß der neue Lokführer und sein Heizer auf den fahrenden Zug hatten aufspringen müssen, dessen Weichen längst gestellt, die Wahlaussagen und die Wahlkampfstrategie ebenfalls längst formuliert waren.

Sie haben, Lokführer und Heizer, ihr bestes geleistet, die Maschine auf Tempo gebracht. Ihnen und allen ihren neu und stark motivierten Mitarbeitern gebührt der Dank aller, die sich durch sie repräsentiert fühlen.

Für die ÖVP der neuen Ära Taus-BuSek beginnt jetzt erst das Jahr Null. Adders als im Falle einer Regierungsbeteiligung — unter welchem Vorzeichen immer — können sie jetzt dort systematisch anfangen, wo sie am 31. Juli mit Grundsatzreferaten begonnen haben, die aufhorchen ließen und mit denen sie aus dem Aufmarsch heraus dann unmittelbar zur Attacke anreiten mußten. Es wäre eine einmalige Überraschung gewesen, wäre die Euphorie des a. o. Parteitages im Wiener Konzerthaus tatsächlich geeignet gewesen, eine jahrelange mehr oder weniger führungslose Partei plötzlich ins Ziel zu steuern. Ihre Funktionäre haben keinen Anlaß, die damals spontan demonstrierte Geschlossenheit womöglich wieder aufs Spiel zu setzen. Es weist auch nichts darauf hin.

Angesichts der Probleme, die zwar im Wahlkampf schon aufgezeigt wurden, aber den Wähler noch nicht tatsächlich getroffen haben — der Finanzminister hat auf diese Hoffnung hin, die fast schiefgegangen wäre, hasardiert —, würde man glauben, daß die erfolgreiche Regierungspartei selbst ein enormes In-(Fortsetzung auf Seite 2)

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