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NEUE PERSPEKTIVEN FÜR DIE STIFTUNG

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„Auf diesem Feld sprießen viele Blumen, die zu einem guten Strauß zusammengefaßt werden sollten." Dieser Ausspruch des Wiener Rechtsanwalts Franz Heibich bezieht sich auf die geplante Reform des Stiftungsrechtes, für die zur Zeit von mehreren Fachleuten und Arbeitsgruppen Vorschläge, Gutachten und wissenschaftliche Studien ausgearbeitet werden.

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„Auf diesem Feld sprießen viele Blumen, die zu einem guten Strauß zusammengefaßt werden sollten." Dieser Ausspruch des Wiener Rechtsanwalts Franz Heibich bezieht sich auf die geplante Reform des Stiftungsrechtes, für die zur Zeit von mehreren Fachleuten und Arbeitsgruppen Vorschläge, Gutachten und wissenschaftliche Studien ausgearbeitet werden.

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Die Notwendigkeit einer Modernisierung des Stiftungsrechtes von 1974 wird von allen Fachleuten betont, doch sind die Zielrichtungen und die Auffassungen darüber, was sinnvoll und erreichbar ist, keineswegs gleich.

Was sind Stiftungen? Wie entstehen sie, welchen Zweck haben sie? Jemand überträgt sein (meist nicht unbeträchtliches) Vermögen ganz oder teilweise einer Stiftung, um die künftige Finanzierung wohltätiger oder gemeinnütziger Zwecke zu ermöglichen. Das bekannteste Beispiel dafür ist die Nobel-Stiftung. Es kann aber auch in der Absicht des Stifters liegen, den Bestand seines kaufmännischen oder industriellen Unternehmens und der dort vorhandenen Arbeitsplätze zu sichern, weil die Gefahr eines späteren Verkaufs oder einer Zersplitterung des Unternehmens vermieden werden soll oder weil seine Erben den Betrieb nicht führen können oder wollen.

Die so geschaffene Stiftung hat dann keinen Eigentümer. Die Vermögenssubstanz bleibt unangetastet, der Stiftungszweck wird allein aus den Erträgen des Kapitals erfüllt, das aus den mit der Stiftung verbundenen Firmen besteht oder in Wertpapieren angelegt sein kann. Dieser Stiftungszweck ist meist die Förderung der Forschung oder der Künste, vielleicht der Betrieb eines Krankenhauses oder Altersheimes, aber auch die Weiterführung von wirtschaftlichen Betrieben in Verbindung mit gemeinnützigen Zwecken (wie bei derCarl-Zeiss-Stif-tung). Es kann jedoch auch die Versorgung der Nachkommen des Stifters im Rahmen einer Familienstiftung bezweckt sein.

Wirtschaftliche und ideelle Zielsetzungen schließen einander dabei keineswegs aus. In Österreich ist jedoch eine solche Kombination faktisch verhindert, und das ist der Hauptgrund dafür, daß es bei uns, anders als im Ausland, nur ganz wenige Stiftungen gibt, während mehrfach Österreicher ganz legal Stiftungen in der Schweiz errichtet haben. Denn das derzeit geltende österreichische Stiftungsrecht sieht die steuerlichen Vorteile nur für Stiftungen vor, die ausschließlich gemeinnützigen Zwek-ken gewidmet sind. Genau das soll nach dem übereinstimmenden Willen jener, die diese Reform in Richtung auf die Privatstiftung betreiben, geändert werden. Das angeblich gar nicht so geringe Kapital potentieller Stifter könnte dann in Österreich bleiben, ja vielleicht würden sich sogar auslän dische Interessenten zu einer Stiftung in Österreich entschließen.

Eine Arbeitsgruppe im Ludwig-Boltzmann-Institut für Rechtsvorsorge, in der sich Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer zusammengefunden haben, will ihre Vorschläge im Laufe des Monats Mai dem Justizminister übermitteln. Im Auftrage des Vereins zur Förderung privater Kapitalanlagen ist der Grazer Universitätsprofessor Waldemar Jud mit der Erstellung eines Gutachtens zur Stiftungsreform beschäftigt. Der Wiener Universitätsprofessor Heinz Krejci und seine Assistentin Elisabeth Böh ler arbeiten an einem vom Jubiläumsfonds der Nationalbank unterstützten Forschungsprojekt zum gleichen Thema; es soll im Sommer fertig sein. Das „Aktienforum", in dem die Kredit- und die Versicberungswirtschaft sowie die wirtschaftlichen Interessenverbände zusammenarbeiten, sieht in der Modernisierung des Stiftungsrech -tes eine von mehreren Maßnahmen zur Stärkung des österreichischen Kapitalmarktes und betont das in seinem wirtschaftspolitischen Programm.

Die Geldinstitute sind zwar nicht unmittelbar von der Stiftungsreform betroffen, doch sehen sie das Problem unter dem Aspekt des Kapitalmarktes und es könnten sich für sie aus der Vermögensberatung und -Verwaltung zusätzliche Chancen ergeben. Bundeswirtschaftskammer und Industriellenvereinigung befassen sich mit dem gleichen Problemkreis im Zusammenhang mit ihren Vorstellun gen über ein modernes Treuhandrecht.

Daneben gibt es mehrere einzelne Stellungnahmen und Arbeiten, von denen einige sehr aufschlußreiche schon vor zweieinhalb Jahren bei einem Symposium an der Wiener Wirtschaftsuniversität vorgetragen wurden. Es sprießen tatsächlich viele Blumen...

Soweit bisher bekanntgeworden ist, denken die Fachleute vor allem daran, endlich brauchbare Voraussetzungen für die sogenannte Unternehmensträgerstiftung zu schaffen, bei der die Stiftung direkt ein Unternehmen betreibt oder an einem oder mehreren Unternehmen beteiligt ist. Sie sollte auch wie eine Kapitalgesellschaft in das Firmenbuch eingetragen werden. Die Gewinnausschüttungen der kommerziellen Betriebe an die Holding werden dann dem, in den Satzungen der Stiftung festgelegten wohltätigen oder gemeinnützigen Zweck zugeführt. Dies hatte wohl auch Wissenschaftsminister Busek im Auge, als er im vorigen Jahr ausdrücklich für die Novellierung des österreichischen Stiftungsrechtes eintrat.

Der Stifter, der auf sein Vermögen verzichtet, hat allerdings völlig freie Hand, den Stiftungszweck festzulegen, aber die internationale Erfahrung zeigt, daß sehr häufig Universitäten, Forschungsinstitute, Museen, die Literatur oder soziale Einrichtungen die Begünstigten von Stiftungen sind. In Deutschland wurde bei der Diskussion über dieses Thema die „gemischte Stiftung" mit untemeh mensbezogenem Stiftungszweck unter gleichzeitiger Erfüllung gemeinwohlbezogener Aufgaben als wünschenswertes Ergebnis angesehen.

Entscheidend für die Reform wird freilich sein, ob es gelingt, nicht nur die gesellschaftsrechtlichen, sondern auch die steuerlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit auch Stiftungen, die nicht allein gemeinnützigen Zwecken dienen, attraktiv werden. Die Vorschläge gehen in Richtung Freiheit von der Schenkungssteuer (bei der Übertragung des Vermögens auf die Stiftung) und von der Vermögenssteuer; die Körperschafts- und die Einkommensteuer sollten für die Ausschüttungen wie bei einer Ges.m.b.H. zur Vermeidung von Doppelbesteuerung nur den halben Satz vorsehen. Die Stiftung darf aber kein steuerliches Schlupfloch, kein „Steuerschmäh" sein.

Die Erwartung, solche Steuerbegünstigungen für Stiftungen würden im Staatshaushalt dadurch ausgeglichen werden, daß stiftungswilliges Kapital in Zukunft nicht mehr ins Ausland abwandert, daß sogar noch welches zufließt, hat offenkundig manches für sich; sie wird aber nicht überall geteilt. Im Finanzministerium scheint man in der ganzen Frage zunächst eher Zurückhaltung zu üben.

Daß Stiftungen überhaupt eine neue Rechtsform für Unternehmen der Wirtschaft werden können (als Bei spiel dient die Robert-Bosch-Gruppe), steht ebenfalls zur Diskussion. So drängt das „Aktienforum", unter Hinweis auf die Vermögensabflüsse ins Ausland, auf die Entwicklung eines neuen Organisationstyps „Stiftung", damit Österreich auf diesem Gebiet im Verhältnis zu den Nachbarländern (vor allem Liechtenstein) konkurrenzfähig wird.

Diese rein betriebswirtschaftliche Zielsetzung scheint aber da und dort auf Skepsis zu stoßen, denn die Wettbewerbsneutralität, die ohnedies bei der Stiftungsreform zu bedenken ist, könnte da besonders problematisch werden. In Deutschland wurde „die

Selbstzweckstiftung", das heißt die Degradierung der Stiftung zur Organisationsform" weitgehend abgelehnt.

Bei uns fürchtet man aber vielleicht auch mit Blick auf die österreichische politische Landschaft, daß ein so großer Schritt die Realisierung der ganzen Reform erschweren könnte. Es ist schon erfreulich, daß ideologische Vorbehalte gegen die Stiftung, die vornehmlich im linken Lager ausgesprochen wurden, in den letzten Jahren doch besserer Einsicht gewichen zu sein scheinen. Ob aber Österreich ein „Paradies für Stiftungen" werden könnte, wird von manchen Fachleuten bezweifelt.

Neben den gesellschaftsrechtlichen und den steuerlichen Problemen sind für die Reform auch noch manche rein stiftungsreehtliche Fragen zu klären. Stiftungsbehörde sollte wohl künftig das Justizministerium sein, nicht mehr das Innenministerium.

Wie sichert man die Kontrolle darüber, daß der Stiftungszweck stets gewahrt bleibt? Der Staat könnte da eine Aufsichtsfunktion übernehmen, doch gibt es gegen eine solche direkte Einschaltung des Staates auch Bedenken; die Kontrolle könnte ja auch bei den Gerichten liegen. Eine Generalversammlung wie bei Kapitalgesellschaften gibt es ja für Stiftungen, die keinen Eigentümer haben, eigentlich nicht; manche halten freilich eine „Destinatärsversammlung" für denk bar.

Wer wacht darüber, daß kein Mißbrauch getrieben wird? Für ein Organ wie den Stiftungsrat wird auch nicht immer leicht zu entscheiden sein, ob beispielsweise hohe Investitionen in einem Unternehmen, an dem die Stif tung beteiligt ist, im Interesse der künftigen Vermögenssubstanz - denn es geht um die wertmäßige, nicht um die nominelle Kapitalerhaltung! richtig sind, auch wenn sie vorübergehend die Gewinnausschüttungen und damit die gemeinnützigen Zuwendungen der Stiftung verringern könnten. Auch stimmen derzeit manche Vorschriften des Stiftungsrechtes und des Steuerrechtes nicht überein, so daß mehr Klarheit eine weitere Aufgabe der Reform sein müßte.

Eine Fülle von Einzelfragen und Problemen also, die es dann, wenn die jetzt in Arbeit befindlichen Studien und Empfehlungen vorliegen, zu prüfen, gegeneinander abzuwägen und sinnvoll in einen Gesetzesentwurf zu fassen, eben „zu einem guten Strauß zu bündeln" gilt. Über die Begutachtung durch die betroffenen Gremien bis zum Ministerratsbeschluß und zur parlamentarischen Verabschiedung wird dann noch ein so langer Weg zu gehen sein, daß die im Koalitionsabkommen verbriefte Absicht, zeitgemäße Stiftungsvorschriften zu schaffen, in dieser Legislaturperiode wohl kaum mehr zu verwirklichen sein wird • zumal die Regierungsparteien derzeit offenkundig andere Sorgen haben. Immerhin könnte man in der Folgezeit auf den Grundlagen aufbauen, die in diesem Frühjahr gelegt werden.

Der Autor ist freier Publizist

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