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Neue Pflanzen gegen Hunger

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Milliarden werden weltweit jährlich in Genforschung investiert. Groß sind ihre Fortschritte. Sind sie aber auch zu unserem Heil?

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Milliarden werden weltweit jährlich in Genforschung investiert. Groß sind ihre Fortschritte. Sind sie aber auch zu unserem Heil?

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Für eine wachsende Bevölkerung werden zunehmend mehr Nahrungsmittel benötigt. Dieser „ehernen“ Gesetzmäßigkeit wird seit Jahrtausenden durch den Anbau von aus der „Natur“ ausgewählten Pflanzen Rechnung getragen. Fortlaufend werden diese durch Auswahl (Selektion) ertragreicher Varianten verbessert.

Im äußerst intensiven Anbau Zentraleuropas wird genetisch recht einheitliches Pflanzenmaterial oft in Monokulturen angebaut ...

Eine ganze Batterie von Chemikalien ist für die Erzielung von Höchsterträgen notwendig, aber es müssen auch die geeigneten Pflanzensorten vorhanden sein, um diesen intensiven Chemikalienverbrauch zu ermöglichen oder ihm auch standzuhalten.

Die ständige Verbesserung einer Sorte, die durch die Einführung neuer Merkmale erreicht wird, erfolgt in der klassischen Züchtung durch die Kreuzung zweier Eltern, also auf sexuellem

Weg. Leider kann dies nicht so zielgerichtet erfolgen... Klassische Züchtung ist daher zeitaufwendig und beschränkt auf Spezies, die miteinander kreuzbar sind ...

Anders als in der klassischen Züchtung werden bei der Gentechnologie einzelne isolierte Gene in die zu verändernde Sorte übertragen ... Derzeit steht den Wissenschaftlern eine ganze Palette von Methoden der Genisolierung und des Gentransfers zur Verfügung, die die Werkzeuge zur Erforschung von Entwicklungsvorgängen darstellen. Sie können aber auch in Züchtungsprogrammen eingesetzt werden.

Die wesentlich neuen Aspekte der Gentechnologie bei der Herstellung neuer Sorten liegen einmal in der Tatsache, daß nur ein oder wenige Gene übertragen werden, was eine Zeiteinsparung in den Züchtungsprogrammen ermöglicht, und zum anderen, daß auch Gene aus ganz anderen Lebewesen, wie Viren, Bakterien, Pilzen oder Tieren, übertragen werden können.

Die primären Ziele der Züchtung sind auf Ertragshöhe, Ertragssicherheit und Nahrungsqualität ausgerichtet...

Den Unkräutern wird gegenwärtig mit der chemischen Keule, den Herbiziden, zu Leibe gerückt. Die heute gebräuchlichen töten nicht alle Pflanzen ab, sondern wirken auf spezielle Gruppen.

Die neue Generation an Herbiziden wirkt völlig anders. Sie blockieren bestimmte Enzyme der pflanzlichen Aminosäurebiosynthese. Weil sie alles pflanzliche Leben abtöten, werden sie „Totalherbizide“ genannt.

Gentechnologische Bemühungen gelten nun den Nutzpflanzen, die gegenüber diesen Herbiziden tolerant gemacht werden sollen. Die Aminosäurebiosynthese von Bakterien ist unempfindlich gegenüber zwei Sorten von Totalherbiziden.

Diese bakteriellen Gene können in Nutzpflanzen übertragen werden. Die resultierenden transge-nen Pflanzen sind jetzt herbizidtolerant. Auf dem Feld können auftretende Unkräuter nun mit dem entsprechenden Herbizid bekämpft werden.

Diese Strategie ist für die Hersteller von Totalherbiziden interessant, weil sie neue Anwendungsmöglichkeiten ihrer Produkte eröffnet. Die neue Generation der oben beschriebenen Wirkstoffe ist wegen ihres rascheren Abbaus und der erheblich geringeren Aufwandmengen pro Hektar auch weitaus weniger umweltbelastend ...

Gelegentlich wird befürchtet, daß die Übertragung artfremder Gene in eine Nutzpflanze die Evolution in nicht voraussehbarer Weise beschleunigen könnte. Diese Annahme ist schwer zu bewerten, denn das wissenschaftliche Verständnis evolutionärer Vorgänge ist sehr lückenhaft...

Seit der Mensch seßhaft wurde, hat er mit der Pflanzenzüchtung begonnen und somit zur Evolution neuer Arten beigetragen...

Die Frage nach der ökologischen Verträglichkeit gentechnologisch veränderter Sorten muß allgemeiner als Frage nach der Verträglichkeit neuer Sorten schlechthin formuliert werden. Intensive Landwirtschaft läßt auf ihren Anbauflächen keinen Raum für vielfältige Ökologie. Vielmehr verarmen diese Flächen durch den Anbau von Monokulturen und den Einsatz von Herbiziden. Die Übertragung eines Herbizid-Toleranz-Gens in eine Nutzpflanze wird hieran wenig ändern.

Die oft geäußerte Befürchtung, daß herbizid-tolerante Pflanzen in andere Biotope auswandern könnten, ist unbegründet. Ohnehin können die meisten Nutzpflanzen mit ihren Wildformen oder anderen „Kräutern“ ohne entsprechende chemische Assistenz nicht konkurrieren.

Der Autor ist Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung in Köln, sein Beitrag ein Auszug aus einem Vortrag in Alpbach am 22. August 1988.

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