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Neue Spielregeln

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Paradoxerweise könnte der Sieg der Arena-Partei in El Salvador das Patt zwischen Staat und Guerilla lösen - und so den Friedensprozeß in Mittelamerika beschleunigen.

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Paradoxerweise könnte der Sieg der Arena-Partei in El Salvador das Patt zwischen Staat und Guerilla lösen - und so den Friedensprozeß in Mittelamerika beschleunigen.

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Auf Pluralismus, Demokratie und eine neue politische Mitte drängen seit Beginn der achtziger Jahre in Mittelamerika die Vereinigten Staaten und die Westeuropäer.

Jetzt, gegen Ende der Dekade, lassen sich dafür einige Ansätze erkennen, aber sie sehen wieder einmal ganz anders aus als die internationalen Vorgaben: Die erhoffte politische Mitte entgleitet den Christdemokraten und geht auf lokale Träger über, die nicht den importierten Mustern entsprechen.

Am deutlichsten zeigt sich dies in El Salvador, wo nach den Prä-

sidentschaftswahlen vom 19. März die erzkonservative Arena- Partei (Alianza Renovadora Na- cional) mit einer absoluten Mehrheit die zerstrittenen Christdemokraten überrollte und damit heue Spielregeln vorgeben kann.

Präsident Jose Napoleon Duarte, der große Christdemokrat, 1972 von Offizieren mißhandelt, jahrelang im Exil, 1980 triumphal aus Caracas heimgekehrt, hat stellvertretend für ganz Mittelamerika die politische Mitte zu bauen gesucht. Westeuropas Christdemokraten, die Internationale Demokratische Union (IDU) — von Österreich aus Andreas Khol - unterstützten ihn konzeptionell und organisatorisch. Die USA finanzierten dieses Experiment mit 3,2 Milliarden Dollar.

Dennoch scheiterte Duarte als Reformpolitiker. Die Agrarreform etwa brachte so manchem Bauern, der endlich eigenes Land bekam, das Todesurteil (durch eben jene Todesschwadronen, die der Arena-Partei nahestehen). Die Verstaatlichung der Banken und des Außenhandels brachte zunächst nur Verluste.

Das Erdbeben 1976 und Dürrekatastrophen plagten das Land. Und: Angesichts der üppigen Hilfsgelder aus , dem Ausland blühte die parteiinterne Korruption, in die der Präsident sogar seinen eigenen Sohn verwickelt finden mußte.

Heute ist der besiegte Duarte ein todkranker Krebspatient, der nur noch durchzuhalten sucht, bis er die Präsidentschaft im Juni verfassungsgemäß dem gewählten Arena-Kandidaten Alfredo Cristiani (dessen absolute Mehrheit trotz Wahlboykotts von links unangefochten ist) übergeben kann.

Das Paradoxe an der neuen Machtverteilung ist, daß die Arena-Partei trotz ihrer Verfilzung mit der Armee und den Todesschwadronen für El Salvador und Mittelamerika nicht unbedingt Unheil bedeuten muß, sondern den Friedensprozeß in der Region sogar beschleunigen kann.

Nikaraguas Sandinisten wissen jetzt, daß handfeste Pazifizierungsschritte notwendig sind, um mit dem neuen energischen Nachbarn gut auszukommen (weil die Opposition in Managua jetzt einen weiteren Verbündeten in El Salvador hat).

In der Tat sind seit dem letzten mittelamerikanischen Präsidentengipfel im Februar in Nikaragua ungewöhnliche Dinge geschehen: Die oppositionelle Tageszeitung „La Prensa“ erscheint jetzt regelmäßig; mit der Amtskirche wurden die Streitigkeiten bereinigt; „Radio Catolica“ darf nach Monaten wieder eigene Nachrichtenprogramme senden; Verfassungsänderungen, welche die Meinungs- und Versammlungs freiheit betreffen, sind in Arbeit; fast 2.000 Nationalgardisten, die seit 1979 im Gefängnis saßen, wurden begnadigt; Präsident Daniel Ortega erklärte zu Jahresbeginn, der Sandinismus orientiere sich an der skandinavischen Sozialdemokratie (so ein Satz -1980 gesagt — hätte vielleicht den kostspieligen Konflikt mit den USA verhindert).

Bevor 1990 die nächste Wahlrunde kommt, gibt es also eine Atempause für die Region, die für Wiederaufbau genützt werden kann. Denn die Sandinisten sind wirtschaftlich so bankrott, daß sie zähneknirschend mit innerer Kritik umgehen lernen müssen; die Contra erhält aus den USA nur begrenzte Mittel für humanitäre Belange; Kostarikas Präsident Oskar Arias, der sich im nachhinein den Friedensnobelpreis wirklich erarbeitet, hält den Friedensprozeß missionarisch in Gang; Honduras, still wie immer, leistet seinen Beitrag, indem es erstmals über die Repatriierung (oder Umsiedlung nach Florida) der 12.000

in Honduras lagernden Contra- Krieger nachdenkt.

Die Situation in El Salvador allerdings ist ungewöhnlich, weil die Arena-Partei keinem internationalen Muster entspricht. Präsident Cristiani (im Gegensatz zum Arena-Gründer Roberto d’Aubuisson imbelastet von Todesschwadronen und Rechtsterror) wird sicher vom reformistischen Etatismus der Christdemokraten abrücken und alternativ die Effizienz marktwirtschaftlicher Modernisierung predigen.

Aber auch für diesen Weg ist die Beendigung des neunjährigen Bürgerkrieges notwendig. Denn El Salvadors auf 50.000 Köpfe (bei fünf Millionen Einwohnern) an geschwollene und gut gerüstete Armee bringt es nicht fertig, die vereinigten (FMLN-)Guerilla- armeen des Landes eindeutig zu schlagen. Die Guerilla ihrerseits weiß recht gut, daß ihre Strategie nichts mehr taugt, denn der Zerfall der Christdemokraten hat keinem linken Kandidaten, sondern ausschließlich der Arena- Partei Nutzen gebracht.

Die Guerilla braucht Verhandlungen mit der Arena, um nach neun Kampf jahren aus ihrer Patt-Isolierung herauszukommen. Arena benötigt den Ausgleich mit der Guerilla, um die marktwirtschaftliche Modernisierung wieder aufnehmen zu können.

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