Neue Wege der Konfliktlösung
„In Genf wurde heute nach zweimonatiger Pause die Abrüstungskonferenz wieder aufgenommen. Die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion haben sich bereit erklärt, das Wettrüsten zu beenden. Der amerikanische Delegationsleiter Fisher verlas eine Botschaft von Präsident Carter, in der es unter anderem heißt: Es gebe nichts Wichtigeres für die Menschheit als Rüstungskontrolle und Rüstungsbeschränkung. Die Vereinigten Staaten würden alles tun, um dieses Ziel zu erreichen. Auch der sowjetische Botschafter Lichatschew sagte, die Sowjetunion sei bereit, selbst radikalsten Abrüstungsmaßnahmen zuzustimmen. Es gebe keine wichtigere Aufgabe als die Herstellung eines dauerhaften Friedens und die Beendigung des Wettrüstens.“ (ORF-Nachrichten vom 5. Juli)
„In Genf wurde heute nach zweimonatiger Pause die Abrüstungskonferenz wieder aufgenommen. Die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion haben sich bereit erklärt, das Wettrüsten zu beenden. Der amerikanische Delegationsleiter Fisher verlas eine Botschaft von Präsident Carter, in der es unter anderem heißt: Es gebe nichts Wichtigeres für die Menschheit als Rüstungskontrolle und Rüstungsbeschränkung. Die Vereinigten Staaten würden alles tun, um dieses Ziel zu erreichen. Auch der sowjetische Botschafter Lichatschew sagte, die Sowjetunion sei bereit, selbst radikalsten Abrüstungsmaßnahmen zuzustimmen. Es gebe keine wichtigere Aufgabe als die Herstellung eines dauerhaften Friedens und die Beendigung des Wettrüstens.“ (ORF-Nachrichten vom 5. Juli)
Anfang des Jahres brachte der ständige Vertreter des Heiligen Stuhles bei der UN ein von der Päpstlichen Kommission „Justitia et Pax“ erarbeitetes Dokument zur Abrüstung den Staaten zur Kenntnis. Nach der Neuordnung der Kommissionen in der päpstlichen Kurie ist diese Kommission nun ein Organ des Vatikans. Damit kommt diesem Dokument eine offizielle Bedeut tung zu.
Das Dokument gliedert sich in zwei Teile, der erste befaßt sich unmittelbar mit dem Rüstungs- und Abrüstungsproblem, der zweite behandelt die Überwindung des Krieges als Methode der Konfliktlösung. Eingangs wird der Rüstungswettlauf uneingeschränkt verurteilt. Die Abschrek- kung mit Waffengewalt berge die Gefahr in sich, daß in den internationalen Beziehungen selbst die Erpressung zur Norm werden könnte. Auch stellt der Rüstungswettlauf eine Ungerechtigkeit dar, gibt er doch in der Politik der Gewalt und nicht dem Recht den Primat, werden ungeheure Summen zur Herstellung und Lagerung von Waffen verwendet und damit (im Widerspruch zu notwendigem Einsatz im Dienst der weltweiten Armutsbekämpfung) der internationalen Hilfe entzogen.
Die Ausgaben für die Rüstung könnten auch nicht mit Arbeitsplatzbeschaffung motiviert werden, weil andere und notwendigere Arbeiten, etwa der Umweltschutz, zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen und neuen Arbeitsplätzen führen würden. Die Ablehnung einer solchen Umstellung der Wirtschaft auf friedliche Ziele wird als sittliches Vergehen bezeichnet. Ein System der internationalen Beziehungen, das zum Rüstungswettlauf führt und daher auf Angst, Gefahr und Unrecht beruhe, sei ein Wahnsinn.
Das Dokument wiederholt die Verurteilung des Rüstungswettlaufes durch die Kirche auf dem Konzil und ebenso die dort getroffene Verurteilung des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen. Dahinter steht die Idee der Ächtung des totalen Krieges.
Diese Gründe führen die Päpstliche Kommission zur Folgerung, daß die derzeitige internationale Situation mit ihrer Abschreckungsstrategie und ihrem Rüstungswettlauf eine Pseudo- Sicherheit darstelle, die zu verurteilen sei, eine Entartung des Friedens. Daher soll die Weltöffentlichkeit auf die wachsenden Gefahren dieser Situation hingewiesen werden. Solange die Atomwaffen nicht wirksam geächtet sind, heißt dies, daß kein Friede auf
Dauer bestehen kann. Der volle Einsatz der vorhandenen Vernichtungswaffen sei in keinem Fall mehr sittlich vertretbar: Der Schaden aus der Gewalt der Waffen sei heute in keinem Verhältnis mehr zu den Werten, die man durch ihren Einsatz zu schützen versuchen würde.
Der Rüstungswettlauf der Großmächte hat sich als offen für aggressive Politik erwiesen. Das Dokument stellt einen Zusammenhang zwischen dem Rüstungswettlauf und dem Terrorismus her. Mißbrauch durch die Großmächte führte die Kleinen zu Methoden des gewalttätigen Protestes oder zu einem Wettlauf zu den kleinen Waffen. Dem Beispiel der Großen folgend, lassen sich auch Entwicklungs-
länder in einen Rüstungswettlauf ein. Das zeigt auch die Zunahme autoritärer politischer Regime in der Dritten Welt. Die Schlußfolgerung nun lautet: Abrüsten zugunsten der Entwicklung.
Das Dokument befaßt sich dann ausführlich mit einem konstruktiven und dynamischen Herangehen an das Rüstungsproblem. Ein Rüstungsstopp zum gegenwärtigen Stand wäre der Beginn einer unbedingt nötigen gegenläufigen Entwicklung. Dabei ist man sich im klaren, daß die Abrüstung stufenweise beginnen muß und der effektiven Kontrolle bedarf, soll die Sicherheit garantiert sein. Der Abbau der vorhandenen Waffenvorräte müsse die notwendige Umkehrung des gegenwärtigen Rüstungswettlaufes in einen dynamischen gegenläufigen Prozeß bringen.
Erst die Hinwendung vom Abschreckungssystem zur Abrüstung würde das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit international wieder her- b’eiführen und stärken. Das erklärte Ziel ist mehr Sicherheit zu geringeren Kosten, also die Freimachung von Mitteln für international notwendige Hilfsmaßnahmen anstelle von Rüstung. Man bemüht sich daher um realisierbare Vorschläge für stufenweise und kontrollierte Abrüstung, distanziert sich damit von einem falschen
Pazifismus, appelliert aber auch an den guten Willen, neue Wege angesichts einer neuen weltweiten Situation zu gehen.
Diese weltweite neue Situation wird vor allem in der Entwicklung eines internationalen Gemeinschaftsbewußtseins gesehen. Daraus folgt auch der Mut. des Dokuments, auf ein internationales Vertrauen hinzuarbeiten, trotz des Zerfalls der internationalen Völkergemeinschaft in ideologische Weltsysteme, die einem solchen Vertrauen durch ihren Ausschließlichkeitsanspruch entgegenstehen.
Der zweite Teil zielt aus der Forderung, abzurüsten und damit dem Rüstungswettlauf Einhalt zu gebieten, die Rüstung abzubauen und zugleich die internationalen Beziehungen umzugestalten, auf den zentralen Gedanken hin, den Krieg als Mittel der Konfliktlösung ein für allemal zu überwinden. Daher wird der Friede als Ergebnis des Rechts geschildert und die Friedensfindung allein auf gerechtem Wege als aussichtsreich dargestellt. Soll aber die Friedensregelung weltweit verrechtlicht werden, dann müssen die Maßnahmen zur Abrüstung auf der Entwicklung einer weltumspannenden Struktur geschehen. In der bisherigen Tradition der katholischen Lehre zu den internationalen Beziehungen bedeutet dies die Stärkung der Funktion der UN und damit den Weg über die UN zur Abrüstung.
Dazu werden büaterale und multilaterale Abkommen und Verträge, also gemäß den Prinzipien der UN-Abrü- stungsbemühungen, regionaler Natur besonders hervorgehoben. Ebenfalls einer Tradition der jüngsten Lehrent- wicklung folgend, verzeichnet das Dokument schließlich die Schaffung von Institutionen für die Abrüstung und versteht darunter institutioneile Vorläufer eines Weltschiedsgerichts und einer internationalen Polizeiorganisation.
Dann befaßt sich das Dokument mit dem politischen Willen zum Frieden und zur Friedensstrategie. An die
Stelle von militärischen Waffen sollen politische Waffen im Sinne der Einigung der Völker treten. Zur Förderung des Friedens werden die Regierungen, die öffentliche Meinung, die Träger des politischen Lebens in den Staaten und die Wissenschaften aufgerufen sowie industrielle, wirtschaftliche und politische Techniken, die auf die internationalen Beziehungen zwischen den Staaten fördernd im Sinne des Friedens einwirken können.
Es sei nicht genüg, die Schwierigkeiten, der Abrüstung und der Friedens-, findung heute zu sehen, es müssen neue Vorschläge, dieser Dynamik zum Frieden hin folgend, gemacht werden. Dabęi wird wieder die verstärkte Anerkennung der UN als internationale
Polizei angeführt, die Internationalisierung von Polizeimaßnahmen gegen den Terrorismus, die Beteiligung der unterentwickelten Länder an den Abrüstungsverhandlungen, aber auch die Möglichkeit erwogen, Entwicklungsländer, die ihr Militärbudget anheben, von internationaler Finanzhilfe auszuschließen. Schließlich wird der Vorschlag gemacht, eine Reihe von Begriffen (wie Notwehr, Nation, nationale Souveränität) zu klären, vor allem aber in einer ethischen, kulturellen und geistigen Anstrengung die Strategie der Abrüstung zu vertiefen und zu erweitern.
Es ist eines der aktuellen Anliegen der Kirche und ihrer Soziallehre, für die soziale Frage der Gegenwart, die integrale Entwicklung der Menschheit in allen ihren notleidenden Teilen, endlich Mittel und Energien unter den wohlhabenden Nationen frei zu machen. In der Beurteilung der Erfordernisse der Gegenwart in der Friedensproblematik durch das Dokument wird aber die eindeutige Option der Kirche für den gewaltlosen Widerstand und die Sicherheit des Friedens auf gewaltlose Weise deutlich.
Wieweit diese Einschätzung realistisch ist, schon heute in der Organisation der Völkergemeinschaft und der internationalen Beziehungen und des
Völkerrechts die Zeit anbrechen zu sehen, in der der Krieg wirksam als Mittel der Konfliktlösung zwischen Nationen geächtet werden kann, bleibt dahingestellt. Jedenfalls scheint es dem christlichen Gewissen in der Lehre der Kirche immer mehr zu widerstreben, es der politischen Möglichkeit in einer Reihe von Staaten heute zu überlassen’ sich für einen totalen Krieg zu entscheiden, der leicht auch zum globalen Weltuntergang führen -kann. Erst der> wirksame Ausi- schluß solcher Möglichkeiten aus dem Bereich der Politik scheint der Kirche heute eine angemessene Begegnung des gegebenen Risikos zu sein.
Zu beachten ist ferner, daß im neuen Aktivwerden des Vatikans im internationalen Raum, etwa als Vollmitglied bei der KSZE, aber auch bei der Entwicklung der internationalen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Staaten, deren Regierung in unmittelbarer Abhängigkeit vom kommunistisch-atheistischen Ideologien stehen, die Existenz dieser Staaten politisch hingenommen wird im Sinne einer weltweit notwendigen Friedensstrategie. Der Vatikan scheint überzeugt zu sein, daß eine Lösung der gegenwärtigen globalen Konfliktprobleme nicht ohne eine gewisse Mitwirkung aller Staaten, gleich welchem Gesellschafts- und politischem System diese Staaten verbunden sind, notwendig ist. Das heißt aber noch lange nicht, daß durch die Anerkennung einer weltpolitischen Verantwortung dieser Staaten auch ihr politisches Handeln nach innen wie nach außen kritiklos betrachtet werde.
Der Heilige Stuhl scheint sich aber in den internationalen Beziehungen weder mit einem Staat oder einer Staatsgruppe und deren Friedenspolitik identifizieren noch sich auf eine Äquidistanz in der Beurteilung der Friedenspolitik der Staaten zurückziehen zu wollen. Die Friedenspolitik des Vatikans folgt zwar ausschließlich moralischen Erwägungen, hält anderseits aber an der Gepflogenheit internationaler Diplomatie fest, was ihn nicht hindern kann, für eine moralische Überzeugung einzutreten und die Friedenspolitik der Staaten nach ihrer effektiven Übernahme sittlicher Verantwortung auch vor der öffentlichen Weltmeinung sittlich zu qualifizieren. Hier ergibt sich eine Parallele zur Haltung der Kirche eines Landes zu allenfalls bestehenden verschiedenen Gruppierungen (Parteien) und deren Nähe zu kirchlichen Grundsätzen. Dieses jüngste Dokument ist ein Zeichen dafür, daß die Kirche ihr Vertrauen darein setzt, daß dieMenschheit, so sie überleben will, nur als Einheit überleben kann und nicht durch den Sieg eines Weltsystems und seiner Ideologie.