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Neuer Erbfeind am Balkan

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Der Krieg im zerfallenen Jugoslawien ruhte auch über Weihnachten nicht. Deutschland hat Slowenien und Kroatien völkerrechtlich anerkannt." Eine Gruppe europäischer Staaten will am 15. Jänner diesem Beispiel folgen. In Österreich hat die Frage nach dem Datum, der Art und dem Sinn einer solchen Anerkennung heftige Diskussionen ausgelöst. Dazu der Staatssekretär für Europafragen, Peter Jankowitsch, im Gespräch mit der FURCHE:

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Der Krieg im zerfallenen Jugoslawien ruhte auch über Weihnachten nicht. Deutschland hat Slowenien und Kroatien völkerrechtlich anerkannt." Eine Gruppe europäischer Staaten will am 15. Jänner diesem Beispiel folgen. In Österreich hat die Frage nach dem Datum, der Art und dem Sinn einer solchen Anerkennung heftige Diskussionen ausgelöst. Dazu der Staatssekretär für Europafragen, Peter Jankowitsch, im Gespräch mit der FURCHE:

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FURCHE: Was bedeutet die Erklärung von Außenminister Alois Mock vom 17. Dezember, Kroatien und Slowenien anerkennen zu wollen?

PETER JANKOWITSCH: Nichts. Das war eine rein politische Erklärung vor dem Nationalrat und hat keine rechtliche Bedeutung. Der Außenminister bedarf in dieser Frage der Zustimmung der Bundesregierung. Mock hat die Debatte im Ministerrat offensichtlich mißverstanden.

„FURCHE: Auf welche Art wird Österreich jetzt anerkennen?

JANKOWITSCH: So, wie es der Bundeskanzler vorgegeben hat - und wie es im Ministerrat besprochen wurde. Da gibt es ein Doppelspiel: Im Ministerrat herrscht Einigkeit, dann gehen einige Herren hinaus und sagen etwas anderes. So ruiniert man einerseits die österreichische Außenpolitik, andererseits ist das ein grausames Spiel mit der Hoffnung der Slowenen und der Kroaten. Bei denen werden seit sechs Monaten Hoffnungen geweckt.

FURCHE. WiewirdÖsterreichnun

anerkennen?

JANKOWITSCH: Wir wollen uns nicht hinter einer grauen Masse verstecken. Aber eine Anerkennung schafft nur Verbindlichkeit, wenn eine Gruppe von Staaten anerkennt. Wir sind ein emster Staat, wir werfen nicht mit der Anerkennung herum. Wir wollen, daß eine Anerkennung die maximale Wirkung hat, eine Anerkennung als Symbol, als Geste ist zu wenig.

FURCHE: Gibt es einen Fahrplan ? Wird Österreich am 15. Jänner anerkennen, wie es die EG vorhat?

JANKOWITSCH: Wir müssen genau analysieren, wann eine Staatengruppe vorhanden ist; das wird um den 15. Jänner der Fall sein. Der EG-Beschluß zur Anerkennung wird auch verschieden gelesen: Die einen sprechen von einer automatischen Anerkennung am 15. Jänner, die anderen halten dann einen eigenen EG-Beschluß für nötig.

„FURCHE: Was verspricht sich Österreich von einer Anerkennung?

JANKOWITSCH: Es wird kein automatisches Ende der Kampfhandlungen geben. Das ist eine Rechnung, die aufgehen kann, aber nicht muß. Der Akt der Anerkennung soll feststellen, daß sich auf dem Boden Jugoslawiens neue Staaten gebildet haben. De facto haben Österreich und andere Staaten Kroatien und Slowenien schon anerkannt durch die Aufnahme vielfältiger Beziehungen.

Die Hoffnung auf Frieden durch Anerkennung ist eine totale Illusion. Die Anerkennung soll dazu dienen, daß Serben und Kroaten verhandeln.

Allerdings kann eine Anerkennung auch den Furor der Serben wecken. Sie könnten darin das Wiedererstehen des Gespenstes der Mittelmächte, der Koalition aus dem Ersten Weltkrieg sehen. Deshalb haben wir einen Alleingang bei der Anerkennung ausgeschlossen.

FURCHE: Besteht die Gefahr, daß Kroatien nach der Anerkennung leichter zu Waffen kommt als bisher?

JANKOWITSCH: Wir haben den Kroaten immer gesagt, daß wir durch eine Anerkennung nicht ihr Bündnispartner sind. Auch begründet eine Anerkennung keine Verpflichtung zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Die Kroaten haben dezidiert geäußert -Tudjman war es im August vor einer österreichischen Parlamentarierdelegation unter Schieder -, nach einer Anerkennung in Österreich Waffen kaufen zu wollen. Über der ganzen Frage schwebt die Sicherheit Österreichs.

FURCHE: Geht von den Serben eine reale Gefahr für Österreich aus?

JANKOWITSCH: Die Serben werden uns nicht den Krieg erklären. Obwohl ihre Armee noch sehr stark ist. Aber es kann uns ein neuer Erbfeind am Balkan erwachsen. Die wirkliche Aufgabe der österreichischen Außenpolitik ist es, sich gute Beziehungen, Sicherheit und Freunde zu schaffen.

FURCHE: Haben die Bestrebungen Österreichs, EG-Mitglied zu werden, einen Einfluß auf die Anerkennungsweise?

JANKOWITSCH: Wir haben aus dem Akt der Deutschen vom 19. Dezember keine Konsequenzen ge-

Jankowitsch: Grausames Spiel

zogen, obwohl Mock mit Bonn mitziehen wollte. Wir werden jenen Akt setzen, der uns maximalen Nutzen bringt - und das in einer akzeptablen Gesellschaft. Wien-Berlin ist eine schlechte Kombination. Eine breite Anerkennung von Paris bis Warschau ist eine gute Kombination. Damit stellen wir uns nicht unter den deutschen Regenschirm.

„FURCHE: Gibt es Sanktionen Österreichs, um ein Ende der Kämpfe herbeizuführen?

JANKOWITSCH: Keine bilateralen. Wir werden prüfen, was technisch möglich ist. Außenminister

(hopi)

Mock wollte die Verkehrsbeziehun-gen zu Jugoslawien abbrechen, davon wären 180.000 Gastarbeiter in Österreich betroffen. Vorstellbar wäre ein Ölembargo, ein Waffenembargo per UNO-Beschluß gibt es schon.

FURCHE: Haben Sie eine Vorstellung von dem, wie Jugoslawien in einem Jahr aussehen könnte?

JANKOWITSCH: Zu viel mehr als einem Waffenstillstand wird es nicht kommen. Vielleicht werden sich die Konturen einer neuen Ordnung zeigen. Jugoslawien wird sich in drei oder vier Teile aufspalten. Mit Dr. Peter Jankowitsch sprach Kurt Wetzel.

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