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Neuer Mann, alte Lehren

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Kaum hat die ÖVP Tritt gefaßt, stellt sie sich selbst das Bein. Und der neue Bundesparteiobmann Josef Riegler konnte 24 Stunden nach seiner einstimmigen Desi-gnierung erfahren, was ihn erwartet: Die Kärntner Volkspartei, in den Wahlen vom 12. März praktisch aufgerieben, hat für einen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider den roten Tep-“ pich ausgerollt. Da der FPO-Ob-mann erster Mann und sonst nichts werden will, reduzieren sich andere genannte Optionen — ein unabhängiger Kandidat, ein OVP-Mann gar - auf rhetorische Schnörkel.

Liefert sich die Kärntner OVP Haider als Geisel aus, brauchen die Funktionäre der dritten Kraft im Lande gar nicht mehr auf ein blaues Wunder warten. Die Rechnung, durch einen Pakt mit den Freiheitlichen die Abwanderung der Wähler in Richtung Haider zu stoppen, geht so sicher nicht auf. Denn warum soll jemand künftig die OVP wählen, den Schmiedl, weim sie ohnehin niu“ Handlanger des Schmiedes ist?

Unabhängig von der Belastung, die sich aus einer solchen Entscheidung für das Land ergäbe, und abgesehen von der politischen Instabilität, die damit in Kärnten Einzug hielte, würde ein FPO-OVP-Pakt im südlichsten Bundesland nicht ohne bundespolitische Rückwirkungen auf die Wiener Regierungskoalition bleiben (FURCHE 11/1989). Genau damit kalkuliert Jörg Haider.

Und nichts kommt ihm im Augenblick des Fühnmgswechsels in der Volkspartei gelegener: Josef Riegler, den er vorweg als „Alois Mock im Steireranzug“ abzustempeln versuchte, gerät gleich zu Beginn unter zweifachen Druck. Der Druck von Seiten des Regierungspartners kündigt sich bereits an, der innerparteiliche Druck von rechts - und selbstverständlich gäbe eine Kärntner Liaison den Befürwortern eines schwarzblauen Techtlmechtls auf Bundesebene Auftrieb - ist absehbar.

Eine harte Bewährungsprobe für Josef Riegler, der sich, weil die großen Probleme und die schwierigen Entscheidungen, vor denen diese Republik steht, nvu- durch Zusammenarbeit auf breiter Basis angepackt werden können, als Großkoalitionär bekennt. Und nicht wenige in- und außerhalb seiner Partei erwarten von ihm Durchsetzungsvermögen.

Aus Kärnten tönt ihm entgegen: Wir entscheiden autonom. Man verbietet sich Wiener Ratschläge, erst recht Einmischung.

Der Neo-Obmann wird brutal mit dem Grundproblem der OVP konfrontiert: Praktisch besteht sie heute aus neun höchst unterschiedlichen Regionalparteien -und das seit der Zurückdrängung der Macht der heute Teilorganisationen genannten Bünde -, die sich die Bundesparteileitvmg, überspitzt formuliert, als Treffpunkt zur Verteilung von Reststimmenmandaten leisten. Sonst macht jeder, was er will.

Um der Erinnerung nachzuhelfen: Vor einem Jahrzehnt hat Josef Taus nach der Wahlniederlage von 1979 Bedingungen für seinen Verbleib als Parteiobmann gestellt - mehr Kompetenz, mehr Dvu-chgriffsmöglichkeiten und (wenn man will) mehr Macht für den Bundesparteiobmann, damit er für das, wofür er verantwortlich gemacht wird, überhaupt einmal verantwortlich sein kann. Die „Landesfürsten“ wollten nichts davon wissen - Alois Mock, der keine derartigen Bedingungen stellte, der auf seine ausgleichende Begabung setzte, wurde Parteiobmann.

Riegler - nach Klaus und Taus Josef HI. in der Obmannreihe -hat die Ėrfahrimgen seiner Vorgänger im Amt vor Augen.

Erfahrung eins: Gewählt werden, froh und erleichtert, daß sich einer gefunden hat, und unterstützt werden - das sind in der OVP zwei Paar Schuhe.

Erfahrung zwei: Wer nicht delegiert - nicht nur Arbeit, sondern auch Verantwortung, um andere mithaftend einzubinden —, bleibt am Ende übrig. Mock hat, sei angemerkt, diesen entscheidenden Fehler gemacht.

Erfahrung drei: Argumente sind Wetterfahnen. Die Dreifachbelastung— Obmarm, Vizekanzler und Minister gleichzeitig - läßt sich ebenso gegen wie für einen Kandidaten ins Treffen führen. Der Typ ebenso. Einmal soll er sich von der „KorJcurrenz“ nicht zu sehr unterscheiden, dann wieder zählt just der Unterschied.

Erfahrung vier: Fairneß und Offenheit sind nicht vmbedingt eine ÖVP-Stärke. Ein hochrangiges Parteivorstandsmitglied eriimert sich verärgert an mundfaule Sitzungsteilnehmer, die vorher durch Mundfertigkeit geglänzt haben.

Erfahnmg fünf: Dankbarkeit ist keine politische Kategorie. Da geht es nicht nur um Mock, sondern auch darum, wie Hans Tup-py und Heinrich Neisser jetzt abserviert wurden.

Riegler muß zeigen, wer Herr im Team ist. Das Zeug hat er. Aber die Härte?

Die Personaldebatte - am Montag tritt das OVP-Regierungs-team in aufgefrischter Zusammensetzimg, im Mai offiziell der Obmann zur Arbeit an - ist abgeschlossen, die Sachdebatte hat noch nicht begormen. Riegler muß klarmachen, was sich ändert. Und den OVP-Granden muß klar sein, daß sie nach Kopf-Suche nun Nägel mit Köpfen machen müssen.

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