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Neuer Wind in Südafrika

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„Wir müssen uns anpassen oder untergehen." Und: „Die Apartheid, wie unsere Feinde sie deuten, ist endgültig tot." Sätze wie diese könnte man in den zwei ersten Jahren der Ministerpräsidentschaft von Pieter Willem Botha hören.

Ein wenig zurückhaltender, aber mit erheblich mehr Gewicht ausgestattet, formulierte am 8. Juni 1980 die „Neue Zürcher Zeitung": „Die Apartheid ist nicht tot, aber sie liegt im Sterben. Ihr einen plötzlichen Tod vorauszusagen, wäre allerdings reiner Unverstand."

Wie schnell stirbt sie nun wirklich? Vergangene Woche weilten vier Parlamentarier aus Südafrika in Wien - drei Mitglieder der regierenden Nationalpartei, einer von den oppositionellen Progressiven. Auch Nationalratspräsident Benya empfing S'C-

Nationalpartei-Sprecher C. Uys griff im Gespräch mit österreichischen Journalisten zu einem Bild: „Wir haben die Erfahrung gemacht, daß die zarte Pflanze der europäischen Demokratie in der afrikanischen Sonne nicht gut gedeiht."

Sieht man sich die schwarzafrikanischen Staaten an, kann man der Behauptung eine gewisse Beweiskraft nicht absprechen: Zwar wurden 1979 drei brutale Diktatoren (Idi Amin, F. M. Nguema und „Kaiser" Bokassa) vertrieben und in Nigerien eine Machtübertragung von einer Militärregierung auf gewählte Politiker bewerkstelligt, doch blieb der Großteil der Schwarzafrikaner mehr oder weniger autoritären Herrschern ausgeliefert.

Freilich muß man der in Südafrika herrschenden Nationalpartei immer wieder vorhalten, daß zwar nicht jedes Volk schon reif für eine Westminster-Demokratie, jeder Mensch aber reif für eine menschenwürdige Behandlung ist.

Konkret: Gleicher Lohn für gleiche

Leistung, keine Strafe ohne rechtsstaatliches Verfahren, Freiheit der Ehepartner- und Wohnsitzwahl, Freisein von entwürdigender Diskriminierung im Alltagsleben steht jedermann unabhängig von Demokratiereife zu.

Das gestand indirekt auch Uys zu: „Haben Sie Geduld!"

Viel deutlicher wurde da der oppositionelle Abgeordnete I. E. G. van Rensburg, der unverblümt vom Versuch der regierenden „Minderheitselite" sprach, ihre „Privilegien" so lange wie möglich zu verteidigen: „Aber es wird radikale Veränderungen in unserem Land geben, die wir selbst mit massiver Unterstützung von außen nicht aufhalten könnten. Aber wir könnten Richtung und Art der Veränderungen beeinflussen."

Seine Partei plädiert für eine Verhandlungslösung der politischen Problematik: „Wenn wir nicht mit frei gewählten Vertretern aller Bevölkerungsgruppen verhandeln, werden diese auch die idealste Lösung nicht annehmen, weil sie ihnen aufgezwungen erscheint."

Dazu die Auffassung der Regierungspartei: „Verhandelt wird ununterbrochen." Unausgesprochener Zusatz: aber nach dem Gutdünken der Regierenden.

Immerhin ist nicht zu bestreiten,daß sich in den letzten Jahren einiges geändert hat: Schwarze dürfen nunmehr Gewerkschaften beitreten oder neu gründen (was die weißen Gewerkschaften heftig bekämpft hatten); es gibt keine verbotenen Berufe mehr für sie; immer mehr Restaurants und Hotels schaffen die Rassentrennung ab; die Streitkräfte (vor allem die Marine) sind weitgehend integriert: Schon kommandieren schwarze Offiziere weiße Matrosen.

Die Gesetzgebung hinkt dieser Entwicklung nach - nicht zuletzt deshalb, weil es in Bothas Nationalpartei natur-

gemäß starke Widerstände gibt. Von einer noch vor zwei Jahren mancherorts prophezeiten Parteigestaltung ist dennoch nichts zu bemerken.

Die rasante Wirtschaftsentwicklung hat dem Land in den letzten Jahren stark steigende Exporteinnahmen (vor allem aus Gold-, Silber-, Platin- und Diamantenausfuhren) gebracht.

Mehr denn je leben die drei unabhängig erklärten, von keinem Staat der Erde außer Südafrika anerkannten „Heimatländer" Transkei, Bophut-hatswana und Venda von Südafrikas Wirtschaftsgnaden.

Einwand der Regierung in Pretoria: Auch die schwarzafrikanischen Staaten Lesotho und Swasiland, als ehemalige Kolonien schon vor Jahren unabhängig und UN-Mitglieder geworden, seien wirtschaftlich total von Südafrika abhängig.

In der Tat gilt dies, wenn auch in abgeschwächtem Maß, selbst von so entschiedenen Pretoria-Gegnern wie Mocambique, Angola, Tansania, Sambia und Botswana - den „Frontstaaten", die die Neuregelung für Rhodesien (heute Simbabwe) durchsetzten.

Alle diese Staaten haben jüngst eine „schwarze Wirtschaftsgemeinschaft" als Alternative zu der von Südafrika anvisierten „Föderation der Staaten des südlichen Afrika" entworfen. Sie wollen die Zahl ihrer in Südafrika arbeitenden Mitbürger (derzeit 214.000 der 470.000 Goldminenarbeiter in Südafrika) reduzieren.

Diese aber bringen umgerechnet 2,3 Milliarden Schilling an Devisen jährlich nach Hause. Nichts deutet darauf hin, daß ihre Staaten dieses Geld in Zukunft nicht noch dringender als in der Vergangenheit brauchen würden.

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