7209793-1992_26_17.jpg
Digital In Arbeit

NEUES DENKEN IM LANDTAG

19451960198020002020

Das Ergebnis der Landtagswahl vom September 1991 (Landtag: 26 ÖVP, 21 SPÖ, 9 FPÖ, Landesregierung 4:4:1) und der Verlust der absoluten Mehrheit der ÖVP hat das politische Kräfteverhältnis gravierend verändert. Wie werden die beiden Großparteien mit den gebrochenen Mehrheitsverhältnissen fertig? Um diese Fragen geht es im Interview mit Landeshauptmann Josef Krainer (ÖVP) und Landeshauptmannstellvertreter Peter Schachner-Blazizek (SPÖ).

19451960198020002020

Das Ergebnis der Landtagswahl vom September 1991 (Landtag: 26 ÖVP, 21 SPÖ, 9 FPÖ, Landesregierung 4:4:1) und der Verlust der absoluten Mehrheit der ÖVP hat das politische Kräfteverhältnis gravierend verändert. Wie werden die beiden Großparteien mit den gebrochenen Mehrheitsverhältnissen fertig? Um diese Fragen geht es im Interview mit Landeshauptmann Josef Krainer (ÖVP) und Landeshauptmannstellvertreter Peter Schachner-Blazizek (SPÖ).

Werbung
Werbung
Werbung

Wie hat sich das neue politische Kräfteverhältnis auf das Arbeitsklima in der Landesregierung und im Landtag ausgewirkt?

JOSEF KRAINER: Dieneue Mehrheitssituation verpflichtet alle zu intensiver Konsenssuche, allerdings hat dies in den letzten Monaten bedauerlicherweise auch immer wieder zu Verzögerungen und zu langwierigen Verhandlungen geführt. Die wichtigste Aufgabe ist es, die unterschiedlichen politischen Standpunkte zusammenzuführen, um sachorientierte und gemeinsame Entscheidungen im Interesse des Bundeslandes zustandezubringen. Konkrete, bereits erledigte Beispiele sind die Drei-Parteien-Einigung zur Regierungsbildung nach der Landtagswahl. Ebenso die Einigung über das Landesbudget 1992.

PETER SCHACHNER-BLAZI-ZEK: Nach anfänglichen Schwierigkeiten für die damalige Mehrheitspartei beginnt sich nun der Mechanismus der breiten Zusammenarbeit einzuspielen. Der verständliche Schock der ÖVP, sich von der absoluten Mehrheit und Machtausübung verabschieden zu müssen, hat deutlich länger als nur einige „Schrecksekunden" gedauert. Es war sicher eine weitere Überraschung für die ÖVP, daß die steirischen Sozialdemokraten - anders als in anderen Bundesländern - bewußt und gewollt einen Weg der Offenheit gegenüber allen Regierungsfraktionen und Parteien gewählt haben.

Es gibt keinerlei Absprachen und Vereinbarungen, die über die getroffene Regierungsvereinbarung hinausgehen, weder über künftige Abstimmungsverhalten, noch über wahltaktische Manöver. Dem Grunde nach ist es nach unserem Selbstverständnis der richtige Weg, alle Fraktionen in eine gemeinsame Arbeit unter fairen Bedingungen einzubinden und damit den Wählerwillen zu respektieren.

Wie ist man innerparteilich mit den Veränderungen fertiggeworden?

KRAINER: Die neuen Mehrheitsverhältnisse haben natürlich auch neue Methoden, neue Anstrengungen und ein Umdenken erfordert. Wir haben daher in der Landesregierung, im Landtagsklub, in der Landesparteileitung und auch in unserer öffentlichen Darstellung neue Weichenstellungen vorgenommen.

Nach den Ortsparteitagen dieses Frühjahres, bei denen erfreulicherweise zahlreiche viele junge und vor allem auch weibliche Mitarbeiter gewonnen werden konnten, werden nunmehr auch die Bezirksparteitage eine Welle der Mobilisierung, insbesondere eine weitere Verjüngung, Aktivierung und Verbreiterung der personellen Basis der Steirischen Volkspartei bringen.

Die Landtags-Budgetdebatte hat gezeigt, daß sich die Steirische Volkspartei auf die neue Konstellation gut eingestellt hat und wir mit unserem Team im Landtag - die Hälfte aller unserer Abgeordneten wurde 1991 neu gewählt - und Landesregierung personell und auch inhaltlich die stärkste Kraft im Lande sind.

SCHACHNER-BLAZIZEK: Die steirische Sozialdemokratie hat mit einem Verlust von 2,5 Prozent an Stimmen und einem Landtagsmandat das Wahlergebnis immer im Zusammenhang mit dem gewaltigen Zuwachs in der FPÖ gesehen und ihr Verhalten darauf abgestellt. Es wäre ein Irrtum zu glauben, daß der Zuwachs der FPÖ von 4,6 Prozent der Stimmen und zwei Landtagsmandaten auf nunmehr fast 16 Prozent und neun Landtagsmandate ausschließlich auf Kosten der ÖVP gegangen wäre. Wenngleich jede verlorene Stimme einen schmerzlichen Verlust darstellt, konnte die steirische Sozialdemokratie angesichts der Gesamtentwicklung mit dem Wahlergebnis durchaus zufrieden sein.

Die neuen Kräfteverhältnisse haben zu keinen Problemen geführt, zumal bei den folgenden Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien sichtbar wurde, daß die steirische Sozialdemokratie durch die neue Führung im großen gesehen schwere Einbrüche vermeiden konnte. Wir sind uns jedoch bewußt, daß es „Trainerwechseleffekte" nur einmal gibt.

Was werden die inhaltlichen und die sachlichen Schwerpunkte bis zur nächsten Landtagswahl sein?

KRAINER: Durch die Erfolge unserer Bemühungen der letzten Jahre und vor allem durch die Entwicklungen im internationalen Umfeld sind wir nach Jahrzehnten der Grenzlage am südöstlichen Rand der westlichen Demokratien in eine neue geopoliti-sche Zentrallage Europas gelangt. Wir wollen diese neue Standortqualität der Steiermark nützen und unser Land als dynamisches Zentrum im Südosten Europas profilieren.

Einige wichtige Weichen hiefür konnten wir auch im Landesbudget 1992 stellen, indem wir die entsprechenden Prioritäten des Arbeitsübereinkommens der drei Fraktionen für die laufende Gesetzgebungsperiode und die zwölf Schwerpunkte meiner Regierungserklärung berücksichtigen konnten.

SCHACHNER-BLAZIZEK: Insgesamt müssen klare Akzente in der Landespolitik gesetzt werden. Neben der Wohnbauoffensive ist die Modernisierung und der Ausbau der steirischen Spitäler eine jener Prioritäten, die im Landesbudget verankert wurden. Nicht anders verhält es sich mit der Wirtschaftsförderung, besonders für die strukturschwachen Gebiete der Steiermark.

Darüber hinaus geht es aber auch um eine Erweiterung der Sozialpolitik (zum Beispiel Pflegemütterpen-sion), um eine moderne Verkehrspolitik (Gesamtverkehrsverbund Steiermark), um eine moderne Wissenschafts-, Technologie- und Industrieförderungspolitik in Verbindung mit unseren Universitäten, um eine neue Kultur-, Planungs- und Gestaltungspolitik, um eine konkrete zukunftsorientierte Kinder- und Jugendpolitik, aber auch um die Gleichstellung von Mann und Frau, vor allem in der Erwerbstätigkeit.

Das Gespräch führte Rudolf Kuzmicki.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung