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Neues Jugoslawien

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Die Feierlichkeiten waren begrenzt. Kein Feuerwerk, kein schulfreier Tag, als am Montag, 27. April, in Belgrad das „Dritte Jugoslawien" aus der Taufe gehoben wurde, ein Staat, dessen Ende schon bald wieder bevorstehen könnte.

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Die Feierlichkeiten waren begrenzt. Kein Feuerwerk, kein schulfreier Tag, als am Montag, 27. April, in Belgrad das „Dritte Jugoslawien" aus der Taufe gehoben wurde, ein Staat, dessen Ende schon bald wieder bevorstehen könnte.

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Nur zwei der ehemals sechs jugoslawischen Republiken sind Gründungsmitglieder des neuen Bundesstaates. Es ist mehr als fraglich, ob dieses „Dritte Jugoslawien" (das erste wurde 1918 als Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gegründet, das zweite 1945 als Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien) als Rechtsnachfolger des zusammengebrochenen Vielvölkerstaates international anerkannt werden wird. Dies ist jedoch Ziel der Staatsgründer.

Kein geringerer als der serbische Rechtsradikale und Tschetnik-Führer Vojislav Seselj ließ Freitag vergangener Woche in einer Grundsatzrede, die er bezeichnenderweise im Namen der regierenden Sozialistischen Partei Slobodan Milosevic im Belgrader Parlament hielt, die Katze aus dem Sack: „Es ist Eile geboten, daß wir Serben die Rechtsnachfolge Jugoslawiens antreten können, denn sonst wird uns Europa zerstückeln, Kosovo Albanien einverleiben und die Wojwodina Ungarn zusprechen." Seselj, der aus seinen großserbischen Ambitionen nie ein Hehl machte, erklärte weiter, jetzt komme es erst einmal darauf an, daß das „Dritte Jugoslawien etabliert werde. In späteren Schritten könne man dann noch immer diesen Staat umbenennen, die „provisorische Verfassung" umformen. Wie er denken die meisten Abgeordneten Serbiens und Montenegros, die im Eilverfahren die neue Staatsverfassung durch die notwendigsten Instanzen durchpeitschten, um den neuen Staat am Montag proklamieren zu können.

Doch die Opposition gegen das „Dritte Jugoslawien" ist nicht zu übersehen. Gäbe es in Kürze Wahlen, würden die Völker diesen „sozialistischen Putsch" - so das Wochenblatt „Monitor" - „sofort auf die Schutthalde der Geschichte werfen*'.

Schon die offizielle Statistik verrät die Probleme des neuen Jugoslawien: Von 9,9 Millionen Einwohnern sind nur sechs Millionen Serben und eine halbe Million Montenegriner. Als rechtlose Minderheiten - die nicht einmal im .jugoslawischen" Parlament vertreten sind - gelten 1,4 Millionen Albaner (im Kosovo), 450.000 Moslems (im Sandzak), 400.000 Ungarn (in der Wojwodina), dann noch Kroaten, Roma, Mazedonier, Bulgaren und Türken.

Wie Belgrads Stellung in der Welt in naher Zukunft sein wird, wird nicht zuletzt von der Politik Slobodan Milosevicabhängen, der in wenigen Tagen voraussichtlich vom Parlament zum neuen jugoslawischen Staatsoberhaupt gewählt werden wird. Mit dem neuen Jugoslawien werden gleichzeitig die anderen ehemaligen Teilrepubliken aus .Altjugoslawien" entlassen, auch Bosnien. Dort leben aber nicht nur 1,5 Millionen „Aus-lands"-Serben, sondern sind auch 60 Prozent der jugoslawischen Armeeverbände stationiert. Wird Belgrad die Streitkräfte zurückrufen? Beansprucht es Teile Bosniens für das neue Jugoslawien? Wie wird sich der Staatsaufbau im Inneren vollziehen?

Am 25. April - so der internationale Gebetskreis Medjugorje - soll die „Gospa" (Muttergottes) im herzego-winischen Wallfahrtsort folgende Botschaft gegeben haben:

„Nur durch Gebet und Fasten kann der Krieg aufgehalten werden...Satan möchte in diesen düsteren Tagen soviele Seelen wie möglich verführen... Ich rufe alle auf, die zu mir Ja gesagt haben, die Weihe an Jesus und mich zu erneuern in dieser unruhigen Welt... Medjugorje ist ein Zeichen für Euch alle. Ich bin mit Euch, Euer Leid ist mein Leid."

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