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Neues Mietengesetz: Die Axt am Haus

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Nach jahrelangen Verhandlungen beschließt die SPÖam 12. November allein im Nationalrat das neue Mietengesetz. Ein Hausherr ist damit sicher zufrieden: die Gemeinde Wien. Sie kann die Mieten für ihre Gemeinde-Altbauten empfindlich erhöhen. War das der Zweck?

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Nach jahrelangen Verhandlungen beschließt die SPÖam 12. November allein im Nationalrat das neue Mietengesetz. Ein Hausherr ist damit sicher zufrieden: die Gemeinde Wien. Sie kann die Mieten für ihre Gemeinde-Altbauten empfindlich erhöhen. War das der Zweck?

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Das mit 1. Jänner 1982 wirksame Mietrecht ist ein Gesetz gegen die überfällige Sanierung der Ballungszentren, gegen die Erneuerung des Haus- und Wohnungsbestandes in den Kembezirken österreichischer Städte, ist ein Gesetz, das den Verfall unserer Städte beschleunigen wird.

Dieses Gesetz erlaubt und fördert zahlreiche Umgehungsmöglichkeiten, eines aber fördert es bestimmt nicht: Investitionen in die Erneuerung des dichtverbauten Stadtgebietes.

Auf diesen Umstand hat der Wiener Vizebürgermeister Erhard Busek ebenso hingewiesen wie die sozialistischen Bürgermeister in Salzburg und in Bre

genz. Denn wer sollte in ein (in sein) Haus investieren, wenn diese Investition keinen auch nur einigermaßen vernünftigen Ertrag bringt?

„Ein vernünftiges Mietrecht“, meinte der Wiener SPÖ-Finanz- stadtrat Hans Mayr schon vor etwa zwei Jahren, „darf nicht dazu führen, daß das Interesse des Hauseigentümers darin liegt, sein Haus verfallen zu lassen.“ Und Bautenminister Karl Sekanina sagte etwa zur gleichen Zeit: „Unvorstellbar, daß der Besitz eines Hauses nichts anderes sein soll, als nur im Grundbuch zu stehen.“

Die Salzburger Rechtsanwaltskammer wiederum meinte in einer Stellungnahme, daß das geplante Mietrecht den Wohnungsmarkt keineswegs entspannen, sondern im Gegenteil noch verschärfen werde, weil durch die geplanten Bestimmungen höchstens ein Interesse für den Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern, nicht jedoch für den volkswirtschaftlich bedeutsameren Mehrfamilienhausbau geweckt werden könne.

Man mag diese Argumentation als „kapitalistische“ Denkweise

abtun. Das ändert freilich nichts daran, daß sie stimmt, wie auch die Erfahrungen in anderen europäischen Ländern belegen.

In Italien wurde seit der Einführung eines „Gesetzes über die gerechte Miete“ das Funktionieren des Wohnungsmarktes schlagartig unterbunden. Obgleich die Altbaumieten auch vorher schon begrenzt waren, hatte wenigstens der Neubau bis dahin (auch ohne staatliche Hilfe) einigermaßen funktioniert. Eine Begrenzung der Renditen auf 3,85 Prozent mochte jedoch den Vermietern keinen Anreiz mehr geben, weiterhin in den Wohnungsmarkt zu investieren. Versorgungsengpässe sind die zwangsläufige Folge dieses Gesetzes.

In Frankreich läßt der Staat seit 1948 für den Altbaubereich nur minimale Mieterhöhungen zu. „Man sehe sich in Paris und Wien um, was geschieht, wenn jahrzehntelang die Mieten gestoppt werden“, schreibt Gerd Buccerius in der „Zeit“: „Der Hausbestand verkommt, die Wohnungsnot wird katastrophal.“

In Großbritannien wiederum haben staatliche Mietkontrollen und starke Beschränkungen der wohnungswirtschaftlichen Renditen den Mietwohnungsbau zur Bedeutungslosigkeit heruntergedrückt.

Die sozial-liberale Koalition in der Bundesrepublik Deutschland muß sich mit ähnlichen Problemen auseinandersetzen, während in der Schweiz die Wohnungswelt noch einigermaßen heil ist. Dort dürfen die Renditen im Wohnungsbau um zwei Prozent über dem Hypothekarzinssatz liegen, ein entscheidender Grund dafür, daß in unserem westlichen Nachbarland der Mietwohnungsbau gut funktioniert.

Für die Sanierung der Wiener Kernbezirke wird der Finanzbedarf auf zwischen 120 und 150 Milliarden Schilling geschätzt. Die durchgreifende Stadterneuerung in nur drei Wiener Bezirken (Rudolfsheim, Ottakring und Hernals) würde mehr kosten als die Sanierung aller Wohnungen in den acht österreichischen Landeshauptstädten zusammen.

Die Stadt Wien steckt in einer argen Finanzklemme; dennoch leistet sie sich den Luxus, neue Wohnungen mit zusätzlicher kostspieliger Infrastruktur auf die grüne Wiese zu stellen, statt die vorhandene Infrastruktur im dichtverbauten Stadtgebiet zu nutzen und dort die Sanierung von Althäusern zu fördern.

Die Folgen des neuen Mietrechtes und der damit verbundenen Politik sind absehbar: Die Stadt wird weiter verfallen, neue Assanierungszonen werden entstehen. Es handelt sich dabei um Gebiete, die vornehmlich von einkommensschwachen Mietern bevölkert sind. Daraus resultieren negative Nachbarschaftseffekte (kaufkräftige und sanierungswil- lige Mieter meiden die abgehauste Wohnwelt). In weiterer Folge kommt es zur Abwanderung eines Teiles der mittelständischen Innenstadtbewohner an den Stadtrand und zu einer weiteren Zuwanderung sozial schwacher Gruppen.

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