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Neues Rollenverständnis

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Den gesellschaftlichen Veränderungen im Verhältnis von Mann und Frau und ihren Ursachen widmet sich die bundesdeutsche Familien- und Frauenministerin Rita Süßmuth in ihrem Buch „Frauen - der Resignation keine Chance“, das eine Reihe wissenschaftlicher Beiträge zur Frauenfrage aus den Jahren 1980 bis 1985 enthält.

Kein vom feministischen Radikalismus geprägtes Pamphlet gegen die Männer, sondern eine emotionslose, rein Wissenschaft-

liehe Analyse, die von leisen Forderungen begleitet wird. Denn Frau Süßmuth weiß, daß sie mit Brecheisenmethoden keine langfristigen Erfolge erzielen kann, sei es die vollständige Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Gleichwertigkeit von Beruf und Familie, eine positive Einstellung zu Kind und Familie.

Die Situation, in der sich unsere Gesellschaft heute befindet, haben wir nicht allein zu verantworten, sie ist auch Resultat eines historischen Prozesses. Lange Zeit ging man jedoch den Problemen aus dem Weg, die im Windschatten der Industrialisierung entstanden: die Trennung von Erwerbstätigkeit und Familienleben, die Herausbildung angeblich männer- und frauenspezifischer Tätigkeiten. Einstellungen und

Verhaltensweisen der Frauen waren in der Folge stärker sozial als biologisch bedingt.

Die rasch voranschreitende Technologisierung der Arbeitswelt schafft jetzt neue Bedingungen: viele Tätigkeiten, die bis dato wegen zu großer körperlicher Belastung Männern vorbehalten waren, werden nun durch Roboter verrichtet, deren Bedienung auch Frauen problemlos übernehmen können.

Aber auch die Gesellschaft selbst hat einen Bewußtseinswandel bezüglich berufstätiger Frauen vollzogen. Sie werden zu qualifizierter Bildung und Ausbildung, zu Erwerbstätigkeit, zu sozialem und politischem Engagement angehalten. Die positive Resonanz sei nicht ausgeblieben, stellt die Ministerin fest: „Eine qualifizierte Berufsausbildung wird für immer mehr Frauen eine Selbstverständlichkeit.“ Und der Beruf zu einem festen Bestandteil ihrer Lebensgestaltung. Daneben wollen viele aber weiterhin auch Familie: „Sie möchten Kinder, ohne wesentliche Nachteileim erlernten Beruf zu erfahren.“

Die Wirklichkeit hinkt diesen Vorstellungen noch hinterher. Wachsende Probleme in Ausbil-

dung und Beruf erschweren die berufliche Gleichberechtigung der Frauen und drängen sie oftmals auf die traditionelle Rolle in der Familie zurück.

Dabei werden Frauen ebensowenig als Mütter geboren wie Männer als Väter: „Für beide ist Mutterschaft und Vaterschaft keine zwingende Bestimmung“, ein erfülltes Frauen- und Männerleben ist auch ohne diese Funktion denkbar und möglich.

Anläßlich ihrer Wahl zur neuen Vorsitzenden der CDU-Frauenvereinigung erklärte Frau Süßmuth neuerlich, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern könne nur dann verwirklicht werden, wenn beiden Wahlfreiheit bei der Lebensgestaltung in Familie und Beruf zugestanden und die herkömmliche Rollenverteilung überwunden wird.

Wenn die berufliche Integration der Frau und die familiale Integration des Mannes durchgesetzt würden, könnten Männer und Frauen sich besser als bisher ergänzen, über mehr gemeinsame als getrennte Erfahrungen verfügen, folgert die Frauenforscherin und Familienministerin.

Vielleicht erhielte dann auch die Familie eine neue Chance. Die

Zahl der Eheschließungen und -Scheidungen und der Alleinlebenden und unverheiratet Zusammenlebenden deutet an, daß sich das Bindungsverhalten geändert hat. Das muß aber kein „Aus“ für die Familie bedeuten.

Die abnehmenden Geburtenraten zwingen zu der Frage, welche Bedeutung Kinder und damit die Familie noch für die Entfaltung menschlicher Existenz haben. Soweit die Wissenschaftlerin Süßmuth. Was aber unternimmt die Politikerin Süßmuth und mit ihr die CDU-Regierung, um Ungleichheiten abzubauen und die Famüie zu fördern?

Grundlegende Verbesserungen in der Familienpolitik sollen durch die Neuregelung des Familienlastenausgleichs, die Einführung des geschlechtsunabhängigen Erziehungsgeldes sowie die Anerkennung von Erziehungszeiten für Frauen und Männer im Rentenrecht erreicht werden.

All diesen politischen Forderungen und Neuregelungen aber ist ein Ziel gemeinsam: die Schaffung einer humaneren Welt, in der Kinder eine lebenswerte Zukunft haben können.

FRAUEN - DER RESIGNATION KEINE CHANCE. Von Rita Süßmuth. Pädagogischer Verlag Schwann-BageL Düsseldorf1985.

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