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Neues Zeitalter für die Ukraine

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Rückkehr nach 52 Jahren Exil: Triumphaler Empfang für Lubachivsky

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Rückkehr nach 52 Jahren Exil: Triumphaler Empfang für Lubachivsky

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Das Oberhaupt der unierten Ukrainer, Kardinal Luba-chivsky, ist in seine Heimat nach Lemberg (L'vov) in der UdSSR zurückgekehrt: Ein politisches wie geistlich-religiöses Geschehen.

Das Oberhaupt der ukrainischkatholischen Kirche, Kardinal Myroslav Ivan Lubachivsky, hat am Sonntag vormittag, 31. März, in der St. Georgs-Kathedrale in L'vov seinen ersten Gottesdienst in der Heimat gefeiert: die Palmsonntagsliturgie nach dem julianischen Kalender. Der Kardinal war am Samstag nachmittag mit einer „Aeroflof-Sondermaschine aus

seinem römischen Exil kommend in L'vov eingetroffen. Er hatte seine Heimat 52 Jahre lang nicht mehr gesehen.

Unter dem Jubel Zehntausender Menschen wurde das Oberhaupt der 1946 von den Stalinisten liquidierten unierten Kirche auf dem Flugplatz der westukrainischen Metropole von seinem bisherigen Statthalter in L'vov, Erzbischof Volody-myr Sterniuk, dem vatikanischen Sondernuntius in Moskau, Erzbischof Francesco Colasuonno, sowie Vertretern der politischen Behörden empfangen. Es war das erste Mal seit 1946, daß ein Oberhaupt der ukrainisch-katholischen Kirche wieder in die Heimat zurückkehren konnte.

Beim Verlassen des Flugzeugs forderte Kardinal Lubachivky die Ukrainer zu Frieden, Toleranz, Respekt, gegenseitigem Verständnis und Einheit auf. Mit Hochruf en, ukrainischen Liedern und einem Meer von gelb-blauen ukrainischen Nationalflaggen begrüßten die Menschen, die den Weg vom Flughafen bis zur St. Georgs-Kathedrale im Zentrum der Stadt säumten, den Kardinal, der nach 52 Jahren erstmals seine Heimat wiedersehen konnte. Erst zu Beginn dieses Jahres war die Hierarchie der mit Rom verbundenen Kirche des byzantinischen Ritus vom Papst errichtet worden.

In der St. Georgs-Kathedrale, der Hauptkirche der ukrainisch unierten Kirche, küßte der Kardinal als Großerzbischof von L'vov das Evangelien-Buch und besuchte anschließend das Grab des 1944 verstürbenen Metropoliten Andrej Schep-tickyi. Der Metropolit hatte die un-ierte Kirche der Westukraine vom Beginn des Jahrhunderts über die Wirren des Ersten Weltkriegs und der nachfolgenden Bürgerkriege, die Auseinanderstezungen mit der polnischen Regierung in der Zwischenkriegszeit, die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs mit der doppelten Besetzung durch Stalinisten und Nationalsozialisten bis zum Beginn der totalen Unterdrük-kung geführt.

Anschließend nahm Kardinal Lubachivsky seine Residenz gegenüber der St. Georgs-Kathedrale in Besitz. In seiner Begrüßungsansprache an die Gläubigen vom Balkon des Palais aus sagte der Kardinal, er sei als Großerzbischof von L'vov und Halytsch in „sein Haus" zurückgekommen (Kathedrale und Residenz waren nach der Zwangsauflösung der unierten Kirche 1946 dem orthodoxen Moskauer Patriarchat übergeben und erst im Vorjahr nach langem Tauziehen zurückgestellt worden). Die ukrainisch-katholische Kirche werde „für immer leben", betonte der Kardinal und forderte erneut von Papst Johannes Paul II. - den er gleichzeitig in die Ukraine einlud - die Erhebung seiner Kirche zum Patriarchat.

Bei einer Pressekonferenz in der Sondermaschine hatte Lubachivsky vor den mitreisenden Journalisten aus aller Welt betont, er kehre nicht aus politischenMotivenindie Heimat zurück, sondern um sein geistliches und kirchliches Amt auszuüben. Er erinnerte daran, daß die Begegnung von Papst Johannes Paul II. mit Präsident Michail Gorbatschow 1989ein wichtiger Schritt zur Ermöglichung seiner Rückkehr gewesen sei.

Erzbischof Sterniuk wertete bei seiner offiziellen Begrüßung auf dem Balkon der Bischofsresidenz die Rückkehr des Kirchenoberhaupts als wichtige Hilfe für den Wiederaufbau und die Stabilisierung des Lebens der unierten Kirche in der Ukraine. Vor wenigen Jahren hätte sich niemand dieses Ereignis vorstellen könnten, betonte Sterniuk.

Der Vorsitzende des Regionalsowjets von L'vov, Vjatescheslav Tschornovyl (ein langjähriger Dissident und prominenter Vertreter der ukrainischen Unabhängigkeitsbewegung „Ruch"), erklärte zur Begrüßung des Großerzbischofs, keine kommunistische Ideologie werde je die christliche Religion besiegen können. Die ukrainischkatholische Kirche habe überlebt, weil sie Gläubige mit starker Überzeugung und Patriotismus gehabt habe und habe.

Mit der Rückkehr Lubachivskys habe ein neues Zeitalter begonnen. Die von ukrainisch-katholischen Gläubigen wesentlich mitgetragene demokratische Bewegung gehe nun auch auf andere Gebiete der Ukraine über, sagte Tschornovyl. Er bedauerte, daß es im Zuge des Wiederauflebens der unierten Kirche in der Ukraine zu Konflikten mit der Orthodoxie gekommen ist.

Die politisch Verantwortlichen würden sich bemühen, zu einem friedlichen Zusammenleben der beiden Konfessionen beizutragen. Kardinal Lubachivsky wird in der nächsten Woche an der Kar- und Osterliturgie teilnehmen, die nach byzantinischem Ritus eine Woche nach dem lateinischen Ostertermin stattfindet.

Für den 11. April, dem 45. Jahrestag der Verhaftung des gesamten Klerus der ukrainisch-katholischen Kirche, ist in der St. Georgs-Kathedrale ein feierlicher Gottesdienst vorgesehen.

Lubachivsky, der in Begleitung von hundert Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Journalisten in die Ukraine reiste, wird sich zunächst bis Anfang Juni in L'vov aufhalten und dann erst wieder zur Berichterstattung zum Papst nach Rom zurückkehren.

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