7061477-1991_38_13.jpg
Digital In Arbeit

NEUESTER STAND DER TECHNIK NÖTIG

Werbung
Werbung
Werbung

Beunruhigt durch die alarmierenden Entwicklung der Wasserqualität vieler durch die Fremdenverkehrswirtschaft intensiv genutzter Seen begann man vor rund 15 Jahren in Österreich mit dem Bau von Ringkanalia-tionen. Zweck dieser kostenintensiven Maßnahmen war die Fernhaltung der Abwässer von den landschaftlich reizvollsten Punkten Österreichs - ein vorwiegend kommerzielles Argument in einer Zeit, in der der allgemeine Umweltschutzgedanke erst in Ansätzen ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gedrungen war.

Administrativ und finanziell vergleichbare Aktivitäten im Bereich der Reinhaltung von Fließge wässern folgten erst wesentlich später oder blieben teilweise ganz aus. Berichte und Bilder von streckenweise extrem verunreinigten österreichischen Fließgewässern erregten kaum öffentliche Aufmerksamkeit, obwohl die damals geltenden gesetzlichen Regelungen sehr wohl Handhabe zur Abstellung der gröbsten Mißstände geboten hätten.

Mit der Wasserrechtsgesetz-(WRG)Novelle 1990 wurde nach langjährigen Beratungen auf fachlicher Ebene und schwierigen politischen Verhandlungen ein wichtiger Schritt für eine grundlegende Neugestaltung der rechtlichen Ordnung in der Wasserwirtschaft gesetzt. Kernstück der Novelle ist der verstärkte

Schutz der Gewässer. Mit ihr soll der Weiterentwicklung von Wasserwirtschaft und Technik und auch der Ab-wasserwirtschaft Rechnung getragen werden.

Mit dieser Zielsetzung schließt die Novelle 1990 an die Wasserrechtsgesetznovelle 1959 an, hei der das Was-serrechtsgesetz bereits einen eigenen Abschnitt über die „Reinhaltung der Gewässer" erhielt und damit das erste für den Umweltschutz relevante Bundesgesetz darstellte.

Die neue Gesetzeslage

Neben zahlreichen kleineren Anpassungen und Verbesserungen setzt die WRG-Novelle 1990 vor allem folgende Schwerpunkte:

□ Einführung einer strikten Ausstoß-(Emissions)regelung für Direkt- und Indirekteinjeiter in Verbindung mit einer immissions(einleitungs-)bezo-genen Beschränkung der Gewässerbelastung und einer Sanierungspflicht für Altanlagen,

□ Einführung einer flächendeckenden Beobachtung der Beschaffenheit von Gewässern,

□ Sanierung belasteter Gewässer in Form von mit Rechtswirksamkeit ausgestatteten Sanierungsplänen,

□ generelle Befristung neuer Was-serrechte,

□ Einführung, Definition und strikte Beachtung des Standes der Technik.

Unter „Stand der Technik" sind dabei nicht die allgemein üblichen Verfahrensweisen, sondern fortschrittliche Techniken zu verstehen (wenngleich sie bereits im Betrieb erprobt sein sollen). Dies entspricht dem auf internationaler Ebene geforderten Einsatz der „best available means" bei Maßnahmen des Umweltschutzes.

Paragraph 33b WRG verpflichtet die Behörde die nach dem Stand der Technik möglichen Auflagen zur Begrenzung von Frachten und Konzentrationen schädlicher Abwasserinhaltsstoffe vorzuschreiben; die Einleitung gefährlicher Inhaltsstoffe ist nur im (nach dem Stand der Technik) unvermeidbaren Ausmaß und soweit die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse es gestatten, zuzulassen.

Absatz 3 und 4 ermächtigen den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zur Erlassung genereller branchenspezifischer Emissionswerte: Höchstwerte, Mittelwerte, spezifische Fracht sowie Überwachungsund Analysenmethoden, damit aussagekräftige Überwachungsergebnisse erzielt werden können.

Die österreichische Regelung stellt eine Synthese aus dem Denkansatz der EG-Gewässerschutzrichtlinie und den seit rund zehn Jahren in der BRD eingeführten Abwasser-Mindestanforderungen dar. Der EG-Ansatz aus 1976 - für den Zeitpunkt des Zustandekommens außergewöhnlich und richtungsweisend, in der Vollziehung aber hoffnungslos ins Hintertreffen geraten - legt für einzelne gefährliche Stoffe exakte Anforderungen hinsicht-lich Abwasseremissiqrten, Immissionen in Gewässern, Überwachungsmethoden fest.

Gefährliche Umweltstoffe

Die BRD dagegen verfolgte von Anfang an das Branchenkonzept, bei dem für einzelne Herkunftsbereiche Mindestanforderungen formuliert wurden, deren Einhaltung abgabenrechtliche Konsequenzen hat. Dem Gedankengang der Bekämpfung gefährlicher Stoffe in der Umwelt trägt die BRD durch Bezeichnung von Herkunftsbereichen, aus denen gefährliche Stoffe emittiert werden können, und durch unterschiedliche Anforderungen bei schädlichen Stoffen (allgemein anerkannte Regeln der Technik - aaRdT) beziehungsweise bei gefährlichen Stoffen (Stand der Technik - SdT) Rechnung.

Da die Unterschiede in den Anforderungsniveaus zwischen aaRdT und SdT in der Praxis immer mehr verschwimmen und vom Umweltschutzgedanken her ein unterschiedliches Anforderungsniveau fachlich nicht gerechtfertigt ist, verlangt Österreich im Bereich des Gewässerschutzes generell den Stand der Technik.

Im April 1991 wurden vorerst sechs Emissionsverordnungen erlassen, die am 13. April in Kraft getreten sind: Allgemeine Abwasseremissionsverordnung; Erste Emissionsverordnung für kommunales Abwasser (Anlagen größer 50 EGW); Abwasseremissionsverordnung für gebleichten Zellstoff; für Schlachtbetriebe und fleischverarbeitende Betriebe; für Milch-bearbeitungs- und Milchverarbeitungsbetrieb; für Gerbereien, Lederfabriken und Pelzzurichtereien.

In nächster Zukunft sind folgende Verordnungen zu erwarten: Erzeugung von Papier und Pappe; Textilveredelung; graphische und photographische Prozesse; Behandlung metallischer Oberflächen; Sickerwasser aus Abfalldeponien.

Nach Inkraftsetzung einer Abwasseremissionsverordnung ist der Emittentenkreis verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren ein Sanierungsprojekt zur wasserrechtlichen Bewilligung vorzulegen.

Neuanlagen unterliegen unmittelbar nach Inkraftsetzung einer Verordnung den dort getroffenen Regelungen.

Von den zu erwartenden Erleichterungen in der Vollzugspraxis werden Beschleunigungen bei der Verbesserung der Beschaffenheit der österreichischen Fließgewässer erhofft.

Der Autor ist Leiter des Referates Gewässerschutz und Siedlungswasserwirtschaft in der Sektion IV des BMfLuF.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung