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Neuigkeiten für Nixon

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Der Machtkampf zwischen Mao Tse-tung und Ldn Piao scheint anläßlich des Besuches von Präsident Nixon im kommunistischen China unter den Pekinger Teppich gekehrt worden zu sein.

Doch schon vor diesen Februartaigen, die den Präsidenten hinsichtlich der Aussichten auf Weltfrieden anscheinend beruhigt haben, waren sowjetische Sinologen itm Besitz von Dokumenten und Nachrichten über eine abgrundtiefe Spaltung in der chinesisch-kommunistischen Machtstruktur. Die Ursache hiefür liegt in der sogenannten chinesisch-amerikanischen Entspannung.

Wie sich jetzt herausstellte und wie vielleicht auch Präsident Nixon bei seinem Maibesuch in Moskau erfahren wird, ist diese Entspannung der wesentliche Grund des vor einem halben Jahr vollzogenen Bruches zwischen Mao und Lin als den „Obersten Kommandanten und Stellvertretenden Obersten Kommandanten der gesamten Nation und der gesamten Armee“ gewesen.

Es mag dies in der Tat eine Erklärung sein für die Gerüchte aus Peking vom September vergangenen Jahres hinsichtlich eines versuchten Coups durch den von Mao designierten Erben und Verteidigungsminister. Zweifelsohne verdeutlicht es die Erklärung Lin Piaos zur Unperson.

Das Dokument, das die Sowjets in Händen haben, ist ein Pamphlet, betitelt: „Probleme der chinesisch-amerikanischen Beziehungen“, mit dem Imprimatur von Hung Tschi, dem offiziellen Ongan des Zentralkomitees der chinesischen kommunistischen Partei. Angeblich soll dieses Pamphlet im vergangenen September einige Stunden, nachdem es zum Verkauf kam, von den offiziellen Zeitungsständen in Peking wieder eingezogen worden sein.

In der Einführung wird die „besonders schwierige Lage“ und das „große ideologische Chaos“ erwähnt, zu dem es unter den Parteiführern und -Mitgliedern durch die Einladung Präsident Nixons gekommen sei. Das Pamphlet gibt vor, den Kadern den Kampf, „der sich nun in China zwischen den zwei politischen Richtlinien abspielt“, verständlich machen zu wallen und attackiert dabei den Vorsitzenden Mao und den Premierminister Tschu: „ ... Mao

Tse-tung und Tschiu En-lai betonen, daß die Gefahr, der China ausgesetzt ist, mehr von der Sowjetunion herrührt als vom amerikanischen Imperialismus ... Tief beunruhigt hinsichtlich ihrer persönlichen Macht und nicht im geringsten verlegen, nehmen sie Zuflucht zu einem Abkommen mit den Vereinigten Staaten, um einerseits zu versuchen, sich den amerikanischen Imperialismus für ihren Kampf gegen die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder zunutzezumachen, und anderseits in der Hoffnung, daß die Vereinigten Staaten ihre eigenen Freunde veranlassen könnten, Peking gegenüber nachgiebiger zu sein.“

Das Pamphlet beschuldigt Mao und Tschu, diesen Kurs fälschlicherweise nur als eine andere Form des „heftigen Kampfes“ darzustellen, während doch all jene, die die marxistisch-leninistische Theorie korrekt auslegen, wissen, daß es sich dabei um „eine weitreichende Rechtsabweichung“ handelt. Noch immer Mao und Tschu betreffend, heißt es weiter: „Einige der politischen Führer bemühen sich nicht, die akuten politischen Probleme, die innerhalb des Landes bestehen, zu lösen und haben nicht den Mut, der Realität ins Angesicht zu sehen, sie rechnen vielmehr damit, einen Ausweg aus dieser schwierigen Situation zu finden, indem sie sich auf die Kräfte des amerikanischen Imperialismus verlassen.“

Die anonymen Autoren behaupten, daß die Außenpolitik eine Fortsetzung der Innenpolitik sein sollte. Sie sehen in der chinesischen Ambivalenz die Gefahr verbesserter Beziehungen mit den kapitalistischen Ländern auf Kosten einer Verschlechterung der Beziehungen mit sozialistischen Staaten: „Wenn dieser außenpolitische Kurs fortgesetzt wird, ist es absolut möglich, daß unser Land sich vom Sozialismus zum Kapitalismus hinwendet.“

Die geheimnisvollen Nachrichten über das Verschwinden Lin Piaos aus dem öffentlichen Leben erreichten im Februar ihren Höhepunkt, doch gab es bereits im Jänner in den offiziellen Medien Kommentare über ,4en Kampf zwischen den beiden Parteilinien“. Hung Tschi warnte selbst davor, daß Feinde der „korrekten“ Linie die Partei, die politischen, militärischen, wirtschaftlichen und kulturellen Sphären infiltrieren könnten: Sie „benützten die Macht, die sie an sich gerissen hatten, zur Spaltung der Partei und versuchten, in der Partei und im Staat weitere Macht zu ergreifen durch Komplotte, Verschwörungen und Sektierertätigkeit ... Wie geschickt sie sich auch verstecken mögen, welche Maske sie anlegen und welch raffinierte Tricks sie anwenden mögen, sie werden doch ausgerottet werden.“

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