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Neun, die den Sprung ins Unternehmertum schafften
In ihrer Serie „Unternehmer werden“ gab die FURCHE Tips und Orientierungshilfen. Hier kommen junge Firmengründer zu Wort, die schon erste Erfahrungen gesammelt haben.
In ihrer Serie „Unternehmer werden“ gab die FURCHE Tips und Orientierungshilfen. Hier kommen junge Firmengründer zu Wort, die schon erste Erfahrungen gesammelt haben.
Im Schatten von täglichen Meldungen über Firmenzusammenbrüche und steigenden Arbeitslosenzahlen wagen jährlich fast 25.000 Angestellte, hochbezahlte Top-Manager und Technik-Spezialisten sowie Handwerker den Sprung ins kalte Wasser und machen sich selbständig.
Wie beispielsweise die beiden Innsbrucker Dieter Eble und
Andrea Spörr, 28 und 26 Jahre alt, die ihren Betrieb auf dem berühmten goldenen Boden errichtet haben. Schon als sie ihre Meisterprüfung als Goldschmiede ablegten, war ihnen klar, daß sie in Zukunft lieber für die eigene Tasche arbeiten wollen. Nach acht Jahren Angestellten-Dasein und eisernem Sparen errichteten sie 1982 in einem winzigen Laden in der Innsbrucker Innenstadt ihr „Goldwerkstätt'l“.
In Handarbeit und nach eigenen Skizzen und Entwürfen werden Gold, Silber und seltene Steine zu Schmucksteinen verarbeitet.
Sein eigener Herr zu sein, sich nach eigenen Wünschen und Vorstellungen künstlerisch zu betätigen, dafür nehmen die beiden Tiroler in Kauf, daß sie selten ein Wochenende genießen oder sich auf einen geruhsamen Feierabend freuen dürfen.
Vor drei Jahren hat der Wiener Neustädter Rudolf Toth seine Werbeagentur und Betriebsberatung aus der Taufe gehoben. Ein Jahr lang hat sich der akademisch geprüfte Werbefachmann durch gezielte Informationen darauf vorbereitet.
Trotzdem blieb er mit einem Bein lieber im sozialen Netz eines Lehrers für kaufmännische Gegenstände an der Berufsschule von Wiener Neustadt stehen. Trotz „Doppelbelastung“ - er zwickt wöchentlich 29 Unterrichtsstunden ab — hat sich sein Unternehmen mit zwei Angestellten gut entwickelt.
Das einzige Problem für den 28jährigen: ratsuchenden Unternehmern klarzumachen, daß Wissen und Verständnis für wirtschaftliche Praxis nicht immer etwas mit der Anzahl der Lebensjahre zu tun hat. Er ist noch immer auf Mundpropaganda beratener Betriebe angewiesen, wenn es um das Vertrauen neuer Kunden in seine Fähigkeiten geht.
Zwei, die sich auch eine Menge Theorie über Unternehmensführung an der Universität angeeignet haben, sind die Oberösterreieher Paul Ublacker und sein Partner Erich Zacher, 28 und 30 Jahre alt. Sie haben vor dreieinhalb Jahren in Perg einen Fachdiskont für Autoersatzteile und -Zubehör gegründet. Ihre Idee war es, ein Serviceunternehmen für Autofahrer im ländlichen Raum anzubieten, die ihre Schäden zumeist im „do it yourself “-Verfahren beheben wollen.
„Wir haben zwar an der Universität mit unternehmerischer Praxis zu tun gehabt, wie man aber die ersten 100.000 Schilling verdient, hat uns keiner erklärt.“
Trotzdem hilft ihnen der betriebswirtschaftliche Hintergrund bei der Umsetzung ihrer
Ziele. Beide wollen ihr Studium — sie stehen nach eigenen Angaben kurz vor dem Abschluß — trotzr, dem beenden; „Auch wenn man .nur' mit Autozubehör handelt, ist ein akademischer Grad hierzulande noch immer die beste Vertrauensbasis.“
Marktlücken und -nischen lassen sich in fast allen Branchen und Bereichen finden (FURCHE 42a/1985). Eine solche fand der gelernte Jurist Peter Adler, als er sich 1980 in Wien in einer Branche einnistete, die bis dahin fast nur internationalen Großbetrieben vorbehalten war: in den Bereich der zukunftsorientierten Technik und der elektronischen Dienstleistungen. Heute besitzt er sein eigenes Software-Unternehmen und bietet spezielle Computerprogramme für Betriebe an, die diese „Software“ nicht „von der Stange“ der Großanbieter kaufen wollen, sondern individuelle Lösungen brauchen.
Auf die Elektronik setzt auch der 36jährige Vorarlberger Walter Gantner. Allerdings hat er 1982 schon den zweiten Anlauf zur Selbständigkeit genommen. Ein dänischer Konzern kaufte sein erstes, Mitte der siebziger Jahre gegründetes Unternehmen. Damals beschäftigte er sich mit dem Bau und Verkauf von Alarmanlagen und machte die bittere Erfahrung, daß eine gute Idee zu haben und ein guter Fachmann zu sein, nicht ausreichten. Ihm wuchs der Betrieb regelrecht über den Kopf, finanzielle Probleme hingen ständig wie ein Damoklesschwert über dem Betrieb.
Als er 1982 zum zweiten Mal von vorne begann, war er „besser informiert und vorbereitet“. Heute bietet er mit fünf Mitarbeitern spezielle Automatisierungsprogramme an, beispielsweise Heizungen für Schulen, die sich — nach dem jeweiligen, gespeicherten Stundenplan - selbsttätig einschalten. Seit der Betriebsgründung hat er 40 dieser Spezialpro-dukte entwickelt und verkauft.
Für Gantner war der Einstieg in das Unternehmertum mit finanziellen Problemen verbunden, weil seiner Erfahrung nach die Banken nicht immer ein offenes Ohr für derlei „gewagte“ Unternehmen haben. Andererseits kann sich ein zu hoher Anteil an Fremdkapital sehr bald schon als Bumerang erweisen, weil man seine Geräte immer an den neuesten Stand der Technik anpassen und in der Folge neue Kredite aufnehmen muß. Sein Tip daher:
Man suche einen „Startkunden“, der das gewünschte Produkt auch vorfinanziert und damit das finanzielle Wagnis mitträgt. Daß man nicht in jedem Fall
über ein Startkapital in Millionenhöhe verfügen muß, um Markttrends abzudecken, beweist die 27jährige Monika Glantschnig aus Langenlois in Niederösterreich.
Sie machte sich den Drang in die Natur zunutze, verbunden mit der Tatsache, daß immer mehr Menschen wieder kräftig in die Pedale treten. Ein Fahrrad-Einzelhandel mit einem Startkapital von 70.000 Schilling ist das Ergebnis ihrer Überlegungen. 50 Drahtesel hat Frau Glantschnig seit der Betriebsgründung im Frühjahr dieses Jahres verkauft.
Trotz aller Anfangserfolge hat sie es als Unternehmerin schwer, als solche in der Gemeinde Anerkennung zu finden. Manch interessante Information enthält man ihr vor, aber „mit Geduld und Anpassung wird's schon gehen“, unter den ortsansässigen Gewerbetreibenden einen Platz zu finden.
Ihren festen Platz als Unternehmerin hat hingegen die 32jährige Klagenfurterin und Boutiquen-Besitzerin Renate Kodym gefunden. Sie nützte schon vor Jahren das Uberschwappen der Jeans-Welle auf Österreich und eröffnete ihr eigenes Geschäft. Die Konkurrenz bei den blauen Einheitshosen ist inzwischen aber so groß geworden, daß Frau Kodym jetzt auf exklusive Mode setzt.
Der Besuch internationaler Modemessen wird für sie zum alljährlichen Ratespiel, und „nicht selten bleibe ich auf einem Berg sorgfältig ausgesuchter Modelle sitzen, wenn ich den Geschmack modebewußter Damen nicht haargenau treffe. Geld, Zeit und Mühe - alles ist dann umsonst“. Eine gut funktionierende Ehe hüft ihr über derlei Schwierigkeiten - vor allem psychische — wieder hinweg.
Keinen Fehler machen wäre hingegen für den 35jährigen Unternehmer Hugo Mathis zu wenig. Auch er plazierte sich mit seinem Unternehmen in einer Marktnische und bietet spezielle Schalungen für die Baubranche an. Mathis beschäftigt inzwischen 65 Mitarbeiter, die von Zaire bis Malaysia arbeiten und montieren.
Sein guter Riecher und der darauffolgende unternehmerische Höhenflug wurden für Hugo Mathis fast zum Problem. „Auch Erfolg muß geplant, organisiert und gemanagt werden. Plötzlich steht man vor neuen Aufgaben, muß delegieren und sich auf Mitarbeiter verlassen können, den finanziellen Bedarf genau ausrechnen — und einsehen, daß man doch nicht alles in Eigenregie bewältigt.“
Erfolg managen
Vom eigenen Aufstieg beinahe überwältigt wurden auch die beiden oberösterreichischen Autodiskonter Paul Ublacker und Erich Zacher. Ihre Expansionslust war so stark, daß das kaufmännische Bewußtsein zu kurz kam. „Wir haben gesehen, daß der Bedarf da war und Geschäftslokale um fast jeden Preis gemietet. Uberhöhte Ausgaben waren die Folge.“ Heute überlegen sie mehr und länger, verlassen sich auf ihre betriebswirtschaftlichen Kenntnisse und die Tatsache, daß es so etwas wie rationale Betriebsgrößen gibt (FURCHE 46/1985).
Aber auch langjährige Erfahrung als Chef schützt vor Fehlern nicht, wie das Beispiel von Johann Sandler aus Mank in Niederösterreich beweist, dessen „Pioniertage“ bereits einige Zeit zurückliegen. Er übernahm 1966 von seinem Vater das Tapeziererund Bettwarenerzeugergeschäft, stellte auf die Erzeugung von Polstermöbeln nach Maß um und beschäftigt heute 30 Handwerker.
Vor zwei Jahren ist er—gemeinsam mit sechs anderen Unternehmern —einem gevif ten Geschäftsmann aufgesessen, der ihnen Hoffnungsmärkte für exklusive Polstermöbel im arabischen Raum vorgaukelte. In der Realität stellte sich das Bombengeschäft allerdings als Fata Morgana heraus. Das Lehrgeld, das die sieben bezahlen mußten, ist beträchtlich, wie Sandler freimütig zugibt. Er mußte nicht nur für die Flug- und Aufenthaltsspesen aufkommen, sondern berappte auch die Herstellungskosten der Polstermöbel für die Wüstenbewohner am Ende aus der eigenen Tasche. Hätte er zum Beispiel die Außenhandelsstellen der Bundeswirtschaftskammer zu Rate gezogen, dann wäre ihm einiges erspart geblieben, ist Sandler heute um eine Erfahrung reicher.
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