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Neutral ist anders

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Ein Erbe des Staatsvertrages, dessen Unterzeichnung vor 30 Jahren wir eben gefeiert haben, ist die Neutralität. Uber ihr Wesen bestehen auch unter vielen Österreichern erhebliche Mißverständnisse.

Das eine: sie sei im Staatsvertrag verankert. Ist sie nicht. Auch nicht von außen aufgezwungen, obwohl der Zusammenhang mit dem Abzug der Besatzungstruppen nicht zu übersehen ist. Aber Österreich hat die immerwährende militärische Neutralität aus freien Stük-ken in einem eigenen Gesetz gelobt.

Niemand garantiert sie. Hier existiert ein zweites Mißverständnis. Viele glauben, die vier Signatarmächte des Staatsvertrags gewährleisten ihre Einhaltung. Dies ist nicht der Fall. Und Österreich muß sehr froh darüber sein, daß keine fremde Macht darüber entscheiden kann, wann und wo eine Neutralitätsverletzung vorliegt und wie diese zu ahnden ist. (Der Wahrheit die Ehre: Auf dieses gefährliche Risiko haben uns insbesondere die Briten aufmerksam gemacht.)

Das ist ein Grund dafür, warum Österreich seine Neutralität selbst „mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln verteidigen” muß. Die von uns gewählte Neutralität setzt also Wehrbereitschaft voraus.

Uber die richtige Interpretation der „zu Gebote stehenden Mittel” kann man ein bißchen diskutieren — sehr viel nicht. Das Völkerrecht verlangt Zumutbares und verweist auf vergleichbare Staaten. Da stehen wir schon schlecht genug da.

Daß Luftraumverteidigung zumutbar und daher Pflicht ist, steht außer Debatte. Der von allen Parteien einstimmig beschlossene Landesverteidigungsplan bezeichnet die Anschaffung von Abfangjägern als „unabdingbar”.

Die SPÖ hat jahrelang diese Verpflichtung sträflich ignoriert. Daß sich jetzt die ÖVP, milde gesagt, dem Verdacht des Schwankens aussetzt (natürlich auch durch ein von der steirischen ÖVP gefördertes Anti-Draken-Volksbegehren), ist ziemlich peinlich. (Um es noch einmal milde zu formulieren. Aber auf viel Milde hat die Opposition bald keinen Anspruch mehr.)

Schließlich die Frage: Wie soll denn Österreich allein je seine Neutralität verteidigen, wenn es massiv angegriffen wird?Dazu das unbekannteste Faktum aller Neutralitätsaspekte: Im Augenblick eines Angriffs erlischt die Neutralitätsverpflichtung. Dann kann der neutrale Staat Hilfe bei jedem suchen, der sie gewährt. Aber warum sollte dann ein Operettenstaat noch Freunde haben?

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