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Neutralität Ahnungslose Ratgeber

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Österreichs neutraler Status ist - nicht zuletzt durch Jörg Haiders („Ich bin kein Experte") Auslas- sungen in München - erneut ins Gerede gekommen. Die von Politi- kern und Journalisten im In- und Ausland darüber geführte Debatte strotzt von Uninformiertheit, My- then und Legenden.

Neutralität unter den sich ab- zeichnenden Veränderungen der internationalen Szene wird von Kritikern als unsolidarischer Zu- stand betrachtet, als ein Sich-Fort- stehlen aus der (welcher?) Völker- gemeinschaft. Geflissentlich wird übersehen, daß Österreichs Politik nie neutral war, daß in Menschen- rechts-, Friedens-, Asyl- und Fra- gen wirtschaftlicher wie politischer Kooperation kontinuierlich und konsequent westliche Standards verfolgt, ja von Österreich ent- scheidend mitgeprägt wurden.

Jetzt werden wir belehrt - bei- spielsweise vom französischen Vorsitzenden der Sozialistischen Parlamentsfraktion im Europa- parlament, Jean-Pierre Cot, daß es in der „neuen Weltordnung" nach dem Kalten Krieg „keinen Platz mehr für Neutralität gibt".

Vom Überstrapazieren des Neu- tralitätsbegriffs ist ja schon viel geredet und geschrieben worden. Offenbar haben weder manche in- ländische noch ausländische Poli- tiker begriffen, daß unsere Neutra- lität eine rein militärische ist. Öster- reich sucht in der „neuen Weltord- nung" keine „neutralen" Sonder- wege, sondern möchte - welcher Staat in der EG macht das anders? - seine Interessen gewahrt sehen. Wirtschafts-, Transit-, Umwelt- und Technologiefragen haben nichts, rein gar nichts mit Öster- reichs Neutralität zu tun.

Ein militärisch Neutraler ist weder politisch noch wirtschaft- lich neutral, auch nicht wertneutral. Deswegen ist die Frage des ange- sehenen Kollegen Carl Gustaf Ströhm in der Bonner Tageszeitung „Die Welt" unsinnig, was wohl mit Wien geschähe, „wenn etwa Un- garn, die Tschecho-Slowakei und dazu noch Slowenien und Kroatien sich politisch ohne Einschrän- kungen nach Westen orientieren". Österreich braucht sich nicht mehr „nach Westen" zu orientieren, es steht voll in der sogenannten west- lichen Wertegemeinschaft (die es de facto so nicht gibt, weil politi- scher Pragmatismus diese Gemein- schaft noch immer ausgehöhlt hat). Und von Österreich zu fordern, sich in eine noch nicht existierende europäische Sicherheitsordnung zu integrieren, ist schlicht politischer Nonsens.

Österreich bringt sich so gesehen nicht als Pufferzone zwischen Mili- tär-Blöcken ins neue Europa ein, auch nicht als sicherheitspolitischer Trittbrett- oder gar Schwarzfah- rer. Österreich will ein Partner in Europa sein, der mit seiner militä- rischen Neutralität bereits jenes Modell vorgelebt hat, auf das Euro- pa heute setzt: Vertrauen als si- cherheitsbildende Maßnahme mit immer weniger Waffen.

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