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Nicht auf das Konzil berufen!

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Die Frage, wie weit die kirchliche Verfassung demokratisch seinkann, ist von der Stellung der Kirche zur Demokratie als Staatsform zu unterscheiden Die Vermengung dieser beiden Fragen ist heute Ursache vieler und großer Verwirrungen.

I.Ist die kirchliche Verfassung demokratisierbar?

Vielfach wird heute die Meinung vertreten, eine Reform der Kirche im Sinne des Konzils müsse vor allem in ihrer Demokratisierung bestehen. Dies habe das Konzil schon durch die Betonung der Rolle des Volkes Gottes zum Ausdruck gebracht. Das Volk Gottes stehe in der Kirchenkonstitution „Lumen Gen-, tium“ (LG) im zweiten Kapitel vor allen Aussagen über die „hierarchische Verfassung der Kirche, insbesondere das Bischofsamt“, denen das dritte Kapitel gewidmet ist. , Repräsentativ für diese unermüdlich wiederholten Behauptungen ist eine Aussage in der Pariser Zeitschrift des Grand Orient de France „L'Humanisme“ aus dem Jahre 1968. Dort wird eine Darstellung der Zukunft der Kirche geboten, die bereits alle Elemente eines „autonomen“, innerweltlichen „Reformprogramms“ erkennen läßt, wie sie heute weithin vertreten werden. Im Rahmen dieser Darstellung wird unter „den Pfeilern, die am leichtesten einstürzen“, unter anderem vermerkt: „...; die Unterscheidung zwischen der weisungsgebenden Kirche und dem schwarzen (niederen) Klerus, wo von nun an die Bewegung von der Basis aus nach oben erfolgt wie in jeder Demokratie“ (ganzer Text in: Theologisches 19,1989, 246 f.).

Alle diese Vorstellungen verkennen die Tatsache oder wollen sie nicht wahrhaben, daß die Kirche nicht ein von Menschen gegründeter Verein ist, dessen Ordnung die Mitglieder nach j e weiligem Gutdünken neu regeln können. Die Kirchenkonstitution betont vielmehr bereits in ihrem ersten Kapitel, daß die Kirche ihre Ordnung von Christus selbst erhalten hat, der „das Licht der Völker“ ist (LG 1). Daher hat auch das Volk Gottes selbst „zum Haupte Christus“ (LG 9). Die von Christus verfaßte Kirche ist die „mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi“ (LG 8), „das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk“ (LG 4).

Jemand, der eine übernatürliche Realität nicht anzuerkennen vermag, wird das alles ablehnen Das mag er tun. Auf das Konzil oder irgendein jemals anerkanntes Selbstverständnis der Kirche kann er sich dabei jedoch nicht berufen. Auch im Kommentar von Oswald Nell-Breuning zur Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, „Gaudium et spes“ (GS), in der Ausgabe im Lexikon für Theologie und Kirche (LThK) wird gegenüber der demokratischen Ordnung des Staates „die kraft göttlichen Rechts hierarchische Struktur der Kirche“ betont (Bd. m 524). Sieläßt sich daher nicht demokratisieren, ohne daß man zugleich ihr Wesen zerstört.

Damit soll nicht bestritten werden, daß auch innerhalb der Kirche Organisationenmit demokratischer Struktur möglich sind, wie gewählte Pfarrgemeinderäte und andere. Sie können jedoch nicht als Modell zur Umwandlung der Kirche in eine von der Basis ausgehende demokratische Organisation dienen. Zudem zeigt die praktische Erfahrung mit dem Anspruch nach demokratisch gewählten Gremien, daß es sich vielfach eher um eine Art oligarchi-scher „Gremiokratie“ als um Demokratie handelt.

27. Kirche und demokratische Staatsform

Zunächst ist festzustellen, daß die Texte des Zweiten Vatikanums den Begriff Demokratie nicht verwenden Der terminologische Index im LThK IE 737 weist keine Belegstelle aus. Der Sache nach wird jedoch das angesprochen, worum es in der Demokratie geht, so in GS 31 („Die Verantwortung und die Beteiligung“) und 75 („Die Mitarbeit aller am öffentlichen Leben“).

Das Konzil bezieht sich dabei auf wichtige Ansprachen Pius XU. Der Kommentar von Nell-Breuning weist ferner auf eine berühmte „Ansprache an die Rota Romana vom2.10.1945“ hin (LThKUI 524). In dieser Ansprache hat Pius Xu. „ die grundv erschiedene Autoritätsstruktur von Staat und Kirche besonders deutlich“ gemacht.

Der Kommentar faßt diese Lehre folgendermaßen zusammen: „Die Autorität im Staat nimmt ihren Weg sozusagen von unten nach oben;... In der Kirche nimmt sie den Weg von oben nach unten, steigt von Jesus Christus herab zu seinem sichtbaren Stellvertreter, dem Papst, der sein Amt und dessen Gewalt nicht vom Kirchenvolk, sondern einzig und allein von dem empfängt, dessen Stellvertreter auf Erden er ist“.

In GS 75 sagt das Konzil, daß „die Entwicklung von rechtlichen und politischen Strukturen“, die den Anforderungen einer wahrhaft demokratischen Ordnung entsprechen, in „vollem Einklang mit der menschlichen Natur“ stehen.

Dies bedeutet jedoch nicht, wie Seromelroth in seinem Kommentar zu GS 31 hervorhebt, daß „unterschiedslos .Demokratie' zur Norm für staatliches Leben gesetzt“ wird (LTHK III 374 f.). Zudem kann Demokratie nur auf der Grundlage einer menschenwürdigen Ordnung in wahrer Gerechtigkeit und allem was dazugehört bestehen. Dies wurde schon in der vorchristlichen Antike als unterscheidendes Merkmal zwischen der Demokratie und ihrer Entartung erkannt.

Pius Xu. hat in der erwähnten Ansprache an die Rota festgestellt, daß bei Preisgabe dieser Grundlage auch die formelle Demokratie in einen „Totalitarismus“ umschlagen kann, in dem grundlegende Rechte und die Würde des Menschen mißachtet werden. Diese Grundlagen immer wieder aufzuzeigen und ihre Beachtung einzumahnen, sieht die Kirche als Teil ihrer Sendung. Sie will damit dazu beitragen, „daß sich innerhalb der Grenzen einer Nation und im Verhältnis zwischen den Völkern Gerechtigkeit und Liebe entfalten“ (GS 76).

Der Autor ist Ordinarius für Römisches Recht an der Universität Salzburg.

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