6985384-1986_24_17.jpg
Digital In Arbeit

Nicht auf Kosten der Steiermark!

Werbung
Werbung
Werbung

Vor 800 Jahren, am 17. August 1186, wurde ein für die Steiermark und Österreich wichtiges Dokument unterfertigt: Die „Ge-orgenberger Handfeste“. Sie ist die Magna Charta der Steiermark, die bis 1848 Verfassungsrang hatte. Sie stellt einerseits die Grundlage der steirischen Eigenständigkeit dar, andererseits beurkundet sie, daß im Fall des kinderlosen Todes des unheilbar kranken steirischen Landesfürsten aus dem Hause der Traun-gauer alle Herrschaftsrechte seinem Verwandten und Nachbarn Leopold von Österreich übergeben werden sollten. Nur sechs Jahre später, 1192, starb der Traungauer, so daß sich die Steiermark als erstes Land (als Personalverbundstaat, nicht als Territorialstaat) mit Österreich vereinigte.

Treue, Verantwortungsgefühl für das gemeinsame Vaterland und zugleich Bewußtsein der Eigenständigkeit sind seit Jahrhun-

derten gewachsen und prägen auch heute die steirische Politik. Daher haben wir im österreichischen Jubüäumsjahr 1985 eine grundsatz- und verfassungspolitische Diskussion „Schweizer Modell“ initiiert. Gerade in diesem Jubüäumsjahr ist ja das Unbehagen an Inhalten und Stil der Politik hierzulande besonders spürbar geworden. Ein Gefühl der Ohnmacht bei vielen Menschen, häufiger Mißachtung ihres Willens markieren jedenfalls einen Vertrauensverlust der Politik und zeigen Bruchlinien im österreichischen Basiskonsens, durch den das gemeinsame Werk des Wiederaufbaues nach 1945 möglich wurde.

Es hat sich gezeigt, daß die Kleine Koalition auf Bundesebene eine zu schmale Basis darstellt, um die Probleme zu meistern und tragfähige gemeinsame Lösungen zu finden.

Zwei Beispiele, die einen österreichischen Konsens für steirische Lebensfragen erfordern, seien zur Illustration genannt - die obersteirische Industrieregion und der „Draken“-Ankauf.

Seit Jahren fordert die Steiermark mit Nachdruck die verantwortlichen Stellen und besonders auch den Alleineigentümer der Verstaatlichten Industrie, den Bund, auf, für eine regional- und arbeitsmarktpolitisch gerechte Konzeption für die Steiermark und eine dynamische, langfristige Arbeitsplatzsicherung an allen Standorten durch ausreichende Investitionen zu sorgen. Denn in der Obersteiermark, wo sich die Betriebsstandorte der VOEST-Alpine und der VEW konzentrieren, befindet sich jeder zweite In-

dustriearbeitsplatz in einem direkt oder indirekt verstaatlichten Betrieb. Klein- und Mittelbetriebe sind wirtschaftlich eng mit den Großbetrieben verbunden, Probleme der Verstaatlichten wirken sich unmittelbar auf Dienstleistungsbetriebe, Gewerbe, Handel und Landwirtschaft aus.

In den steirischen Betriebsstandorten der Verstaatlichten ist die Belegschaft seit den siebziger. Jahren um rund 20 Prozent zurückgegangen. Weitere ersatzlose Verluste hätten daher fatale Folgen für die ganze Region. Dies muß den verantwortlichen Zentralstellen bewußt sein.

Versäumnisse und Verfehlungen der Vergangenheit, die anderswo verantwortet werden müssen, dürfen nicht auf dem Rücken der Steirer, auf ihre Kosten, bereinigt werden. Die Steirer werden es daher auch nicht zulassen, daß in der Verstaatlichten irgendein Standort geschlossen wird und weitere Arbeitsplätze ersatzlos abgebaut werden.

Es ist die oberste Verpflichtung des Eigentümers Staat, gemein-

sam mit dem neuen Management rasch ein Gesamtkonzept zu erstellen, das konkurrenzfähige Arbeitsplätze an den steirischen Standorten sichert.

Gefordert wird ein Sondervertrag für die Obersteiermark nach Artikel 15a der Bundesverfassung zwischen der Republik Österreich und dem Land Steiermark, damit der Bund seiner regionalpolitischen Verantwortung in der obersteirischen Industrieregion im notwendigen Ausmaß • nachkommt.

Es muß in einer großen nationalen Kraftanstrengung eine Offensivstrategie der Umstrukturierung, der Innovation, neuer Produktionen vor allem auch in den Klein- und Mittelbetrieben und der Betriebsneugründung verwirklicht werden, damit sich eine neue Wirtschaftsdynamik entwickelt und die Menschen in dieser traditionsreichen Industrieregion auch in Zukunft Lebens- und Arbeitschancen haben.

Auch in der Draken-Frage geht es um die Berücksichtigung eines entscheidenden steirischen An-

liegens durch die Bundesregierung und vor allem um die Herstellung eines tragfähigen Konsenses mit allen Betroffenen. Der frühere Verteidigungsminister hat sich aber trotz aller Proteste der Bevölkerung und des Landes ohne vorherige Information und vor allem ohne echte Konsensbereitschaft überfallsartig für die Anschaffung von 24 Draken entschieden, obwohl ich ihn als Landeshauptmann mehrfach aufgefordert habe, den Beschluß auszusetzen, damit ohne Zeitdruck Typenwahl, Anzahl und Stationierung der Abfangjäger umfassend diskutiert und die Ergebnisse der notwendigen Umweltver-träglichkeitsprüfüng in die endgültige Entscheidung einbezogen werden können.

Einer vom Vertrauen der Bevölkerung getragenen Landesverteidigung wurde so ein Bärendienst erwiesen. Darauf leitete ein überparteiliches Personenkomitee das Anti-Draken-Volksbe-gehren ein, das mit 243.819 Unterschriften die größte Unterstützung erhielt, die es in der Steiermark je für ein Volksbegehren gegeben hat.

Diese enorme Beteiligung über alle Parteigrenzen hinweg ist auch ein Signal für die Lebendigkeit und Kraft unserer demokratischen Ordnung, das gerade angesichts des Unbehagens an widerwärtigen Auswüchsen des politischen Stils ermutigend wirkt. Es ist ein Votum für Demokratie, Umwelt und Bundesheer, über das kein verantwortungsbewußt handelnder Politiker hinweggehen kann.

Vom neuen Verteidigungsminister wird dies erfreulicherweise als Denkanstoß und Chance auch für die Bundesregierung verstan-r den, eine verhängnisvolle, unüberlegte Fehlentscheidung zu revidieren und im Interesse unserer Bevölkerung und der Landesverteidigung gemeinsam eine tragfähige Lösung zu finden.

In diesem Sinne appelliere ich neuerlich an die Bundesregierung, dieser überzeugenden Manifestation der direkten Demokratie Rechjung zu tragen, genauso, wie dies frühere Bundesregierungen bei Volksbegehren getan haben, die in der Steiermark von einer viel geringeren Unterschriftenanzahl unterstützt wurden. Auch damit kann ein Beitrag zur Wiederherstellung und Stärkung des Vertrauens in die Politik geleistet werden.

Hoffentlich kommt es nach der Bundespräsidentenwahl wieder zu einer Beruhigung und Versachlichung des politischen Klimas. Die anstehenden Aufgaben verlangen nach Anständigkeit, Versöhnung, Toleranz und vor allem konzentrierter Zusammenarbeit aller politischen Kräfte. Wir brauchen die Mitwirkung der besten Köpfe, um das Zukunftsorientierte und Notwendige wieder mehrheitsfähig zu machen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung