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„Nicht ausgewogen“ — „manipuliert“

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Zum 25jährigen Jubiläum der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunk-anstaiten Deutschlands (ARD), das Ende Mai gefeiert wurde, hat Bayern für einen besonderen Eklat gesorgt. Die Staatsregierung in München kritisierte in einer Erklärung massiv die Unausgewogenheit und zum Teil mangelnde Qualität des Gemeinschaftsprogramms im Fernsehen und warf der Anstalt vor, einseitig und auf Kosten der Länder auf die Geschehnisse in der Bundespolitik abzustellen. Sollten diese Mängel nicht im Sinne einer ausgewogenen und qualitativ hochwertigen Unterrichtung und Unterhaltung der Öffentlichkeit behoben werden, würde Bayern eine Kündigung des entsprechenden Länderabkommens von 1959 in Betracht ziehen. Wenige Wochen früher waren auch von der Stuttgarter Landesregierung ähnliche Einwände — wenn auch nicht mit so ultimativen Konsequenzen — erhoben worden.

Die Intendanten reagierten vorerst eher vorsichtig. Sie verwiesen in einer ersten Stellungnahme auf ihre eigene Programmverantwortung sowie auf die Funktion der allein zuständigen Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten. Der ARD-Vorsitzende Bauseh deutete auf die parteilichen Motive des bayrischen Vorstoßes hin und stellte gegenüber den Austrittsdrohungen fest, daß die ARD juristisch gar kein Koordinationsabkommen brauchten. Bei Kündigung des Staatsvertrages durch einen Vertragspartner könnten die Anstalten dennoch weiter- zusammenarbeiten.

Die' Reaktionen der Koalitionsparteien und anderer Organisationen waren weniger zurückhaltend. Die SPD nannte die Initiative des bayrischen Kabinetts „den bisher massivsten Eingriff einer Regierung in die Rundfunkfreiheit“ und die FDP sprach von großen Schlachten gegen NDR und WDR. Der Deutsche Gewerkschaftsbund schließlich bezichtigte die CSU, sie wolle das wichtige Medium Fernsehen für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf in den Griff bekommen. Letztlich gehe es um „die Errichtung eines von der ARD unabhängigen bayrischen Fernsehens, das ausschließlich der Staatsregierung und der sie tragenden Partei zu Willen sei“.

Die meisten Vorwürfe konzentrierten sich indes darauf, neben der Austrittsdrohung vor allem die zu pauschalen Urteile und Schelten zurückzuweisen. CSU und CDU bemühten sich deshalb, während des Sommers ihre. Kritik zu konkretisieren. Die bayrische Union hatte schon seit geraumer Zeit eine entsprechende Überwachungsaktion gestartet. In einem regelmäßig erscheinenden Informationsdienst, der auch den betroffenen Radio- und Fernsehautoren zugestellt wurde, fanden sich jeweils die Bewertungen einzelner Sendungen zusammengestellt. Anstoß erregte insbesondere die Magazinsendung „Panorama“: vermißt wurden „differenzierte“ Beiträge über die Ostverträge, die KSZE-Konferenz und die Vorgänge in Portugal. Der Sendung „Monitor“ wurde in München vorgeworfen, sie habe Ende Juli bei Berichten über das Vorgehen der Frankfurter Polizei gegen Demonstranten „eine manipulierte Darstellung zum Zwecke der Diffamierung der Polizei“ geliefert. Starken Ärger erregte auch die Tatsache, daß der Beitrag von Strauß bei der KSZE-Debatte im Bundestag ausgeblendet wurde.

Meinungsforschungsinstitute haben sich mittlerweile auch in die Auseinandersetzung eingeschaltet.

Nach einer Kepräsentativ-Umfrage des Bielfelder EMNID-Instituts halten 34 Prozent der Befragten das ARD-Programm für neutral, 29 Prozent für SPD/FDP-freundlich und nur 13 Prozent für CDU/CSU-freundlich. Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) erhält dagegen andere Bewertungen: 31 Prozent halten es für CDU/CSU-freundlich, 30 Prozent für neutral und nur 13 Prozent für SPD/FDP-freundlich.

Gerade aus dieser Umfrage wird eine gewisse Unklarheit der CDU/CSU-Vorwürfe deutlich. Es ist nun einmal Tatsache, daß das Fernsehen in der Bundesrepublik von zwei miteinander konkurrierenden Anstalten bestritten wird. Wenn sich nun die Unions-Kritik ausschließlich mit dem ARD-Programm befaßt, als ob dies die ausschließliche TV-Gestaltung bestritte, muß sie sich ihrerseits dem Vorwurf der Einseitigkeit aussetzen.

Finanzminister Huber, der Beauftragte des Bäyerschen Kabinetts im bayerischen Rundfunksrat, hat präzisiert, daß die Münchner Regierung ihre Entscheidung über eine Kündigung des Länderabkommens zum ARD-Gemeinschaftsprogramm davon abhängig machen will, „was bis zum Juni 1976 — dem Termin der nächsten Kündigung — passiert“. Klarheit besteht allerdings schon jetzt darüber, daß München keineswegs daran denkt, ein eigenes Fernsehen ins Leben zu rufen. Trotz gelegentlichen Liebäugeins mit dem Plan eines „Alpensenders“ — gemeinsam mit Österreich und unter Umständen mit der Schweiz — sieht sich der Bayerische Rundfunk, der jetzt 18 Prozent des ARD-Programms stellt, aus praktischen, finanziellen Überlegungen nicht in der Lage zu einer autonomen Produktion.

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