6836567-1975_18_06.jpg
Digital In Arbeit

Nicht Emotion — Information

19451960198020002020

Das am 11. April mit den Stimmen der Regierungspartei vom Nationalrat beschlossene UOG wird die erste grundlegende Veränderung der Organisation der wissenschaftlichen Hochschulen seit 1873 bringen. Die Veränderung betrifft vor allem den Aufbau der Hochschulen (Strukturreform), die Zusammensetzung und Willensbildung der Hochschulorgane, was mit dem Schlagwort „von der Professorenuniversität zur Gruppenuniversität“ umschrieben werden kann, und die Verwaltung der Hochschulen (Verwaltungsreform). Der Gesetzesbeschluß — ein Gesetz liegt ja noch nicht vor — wird im folgenden in einigen Beiträgen überblicksweise dargestellt, wobei im großen und ganzen dem Aufbau des Gesetzes gefolgt wird. Die Darstellung soll nicht der Emotion, sondern der Information dienen.

19451960198020002020

Das am 11. April mit den Stimmen der Regierungspartei vom Nationalrat beschlossene UOG wird die erste grundlegende Veränderung der Organisation der wissenschaftlichen Hochschulen seit 1873 bringen. Die Veränderung betrifft vor allem den Aufbau der Hochschulen (Strukturreform), die Zusammensetzung und Willensbildung der Hochschulorgane, was mit dem Schlagwort „von der Professorenuniversität zur Gruppenuniversität“ umschrieben werden kann, und die Verwaltung der Hochschulen (Verwaltungsreform). Der Gesetzesbeschluß — ein Gesetz liegt ja noch nicht vor — wird im folgenden in einigen Beiträgen überblicksweise dargestellt, wobei im großen und ganzen dem Aufbau des Gesetzes gefolgt wird. Die Darstellung soll nicht der Emotion, sondern der Information dienen.

Werbung
Werbung
Werbung

Die heutige Rechtsfonm der Universität erhielt durch die Verfassung 1867 und das mit ihr im Zusammenhang stehende Organisationsgesetz 1873 ihr Gepräge. Die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Staats- und Rogierungsf onm änderten sich grundlegend, die Rechtsgestalt der Universität blieb aber in der demokratischen Republik (1918 bis 1933) und auch in der autoritären Ära (1933 bis 1938) bestehen. Die Besetzung Österreichs durch das nationalsozialistische Deutsche Reich 1938 unterbrach die Kontinuität. 1945 schloß man an die Tradition an, ging aber zur Reform über. Die Reform nach 1945 hatte vor allem das Ziel, die unübersichtliche und unsystematische Fülle von Hochschulvorschriften durch drei Hauptgesetze zu ersetzen, die sich inhaltlich ergänzen sollten: ein Hochschulorgani-sationsgesetz, ein Hochschulstudiengesetz und ein Hochschullahrer-dienstgesetz. 1955 wurde das Hoch-schulorganisationsgesetz (HOG) erlassen, 1966 das Allgemeine Hochschulstudiengesetz (AHStG), auf Grund dessen im Lauf der Jahre besondere Studiengesetze ergingen, die ihrerseits durch Studienordnungen, diese wieder durch Studienpläne näher präzisiert werden; ein Hochschullehrerdienstgesetz ist bis heute picht erlassen. Das 1955 einstimmig beschlossene HOG normierte im Wesen der Universität nichts Neues. Es war eine Kodifikation, die Übersicht, Systematik und Konzentration des Hochschu'lorgani-sationsrechtes brachte. Die geltende österreichische Hochschulorganisation geht in ihren Grundzügen auf 1873 zurück. Die damals geschaffene staatliche Universitätsorganisation war die verwaltungsrechtliche Konsequenz aus den staatsgrundgesetz-lichen Prinzipien der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre und dem Grundsatz der obersten Leitung und Aufsicht des Staates über das gesamte Unterrichts- und Erziehungswesen (Art. 17 StGG). Sie formte die Universitäten als freie Staatsanstalten mit besonderen For-schungs-, Lehr- und Verwaltungsaufgaben aus. Diese werden im wesentlichen von sich selbst ergänzenden Organen, beamteten Hochschulprofessoren, zum Teil in Ausübung der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre, zum Teil in einem selbständigen, dem Aufsichtsrecht des Staates unterliegenden, zum Teil in einem staatlichen Wirkungsbereich, immer aber auf Grund der Gesetze besorgt.

Typisch für die geltende Universitätsorganisation sind:

a) der Leistungsauftrag, der Forschung und Lehre im Bereich der Wissenschaft zu dienen;

b) der Rechtscharakter einer Staatsanstaat, deren Muttergemein-wesen der Bund ist, der sie gründet, .leitet und erhält und der auch Dienstherr ist;

c) die Sicherung der Wissenschaft durch Forschungs- und Lehrfreiheit und die Hochschulautononjie, insbesondere durch die Selbstergänzung der Hochs'chulprofessoren (Habilita-tions- und Vorschlagsrecht) und die Zuständigkeit zur Verwaltung von Hoohschulangelegenheiten;

d) der doppelte Wirkungsbereich bei der Mitwirkung der Hochschulen an der eigenen Verwaltung (autonomer und staatlicher Wirkungsbereich) ;

e) die akademischen Behörden, werden als Kollegialorgane fast ausschließlich als Individualorgane von Professoren getragen; diese sogenannten akademischen Funktionäre (Rektoren, Dekane) werden von Kollegialorganen gewählt, wobei die einjährige Amtsperiode typisch ist. („Ordinarienuniversität“, „Rektorratsverfassung“) ;

f) verhältnismäßig weitgehende Aufsichts- und Einigriffsmöglichkei-ten der Ministerialverwaltung, von denen in der Praxis allerdings maßvoll Gebrauch gemacht wird.

Diesses System, das die Übergänge von der Agrar- in die Industriegesellschaft, von Altösterreich in Neuösterreich, von der Monarchie über die Erste Republik in die Zweite Republik überdauert hat, währte über hundert Jahre. Es war die Organisation der „Elite“-Universität und die Organisation der „Massenuniversität“. Anfangs nur für die Universitäten bestimmt, wurde es zur Ordnung aller wissenschaf-lichen Hochschulen. Die Universitäten paßten sich nach 1848 an deutsche Vorbilder an, die anderen Hochschulen wurden dem Modell der Universitäten nach und nach angepaßt. Es war gewissermaßen das Humboldt-Konzept der Universität auf österreichisch, das sein Gepräge schon unter dem Ministerium Leo Thun 1849 erhalten hatte und zuletzt unter dem Ministerium Heinrich Drimmel 1955 neu kodifiziert worden ist. Charakteristisch für die österreichischen Hochschulen war ihre Rechtsform als — grundsätzlich einer eigenen Rechtsfähigkeit entbehrende

— staatliohe Anstalt mit einer gesetzlich garantierten Eigenständigkeit, die von selbstbestellten Organen wahrgenommen wird. Charakteristisch ist das Janusgesicht der Universität. Sie hat, wie Lemayer klassisch formulierte, „eine dem Staat zugewandte und eine dem staatlichen Einfluß entzogene Seite“. Staatliche und wissenschaftliche Bestimmung gehen in den Hochschulen eine Symbiose ein, wobei der Staat in Österreich stärker als in Deutschland an dieser Symbiose beteiligt war und ist.

Die alten Universitäten hatten ihre Rechte zumeist in der Ära des Absolutismus verloren. Die radikale Verstaatlichimg blieb auch im Verfassungsstaat bestehen. Der konstitutionelle Staat gewährte aber Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre und demgemäß auch die gesetzlich bestimmte Hochsehufeutono-mie. Merkl sah in ihr das notwendige Gegenstück zur radikalen Verstaatlichung. In Nutzanwendung auf die Bundeshochschule begründe sie den Typus der „freien“ Bundes-Hoch-schule. Das HOG vereinheitlichte, verallgemeinerte und stabilisierte das tradierte Ordnungssystem. Es kam aber mit dem HOG nur zu einer vorläufigen Ruhe. Schon in den frühen sechziger Jahren — das HOG war noch nicht einmal an allen Hochschulen im einzelnen realisiert

— und besonders Ende der sechziger Jahre wurde der Ruf nach einer Reform laut. Im Gewand einiger besonderer Studiengesetze wurden unter dem Ministerium Mock neue organisatorisch^ Bestimmungen eingeführt: So wurden drittelparitätisch

von Professoren, Assistenten und Studenten zusammengesetzte Studienkommissionen geschaffen. Novellen zum HOG 1955 unter dem Ministerium Firnberg brachten gewisse rechtliche Mitwirkungsmöglichkeiten für Assistenten und Studenten bei der Willensbildung der akademischen Behörden (nachdem die Möglichkeiten faktisch vielfach schon gegeben waren), den außerordentlichen Universitätsprofessor neuen Typs. Vielleicht wäre eine kontinuierliche Reforrnpolitk der kleinen Schritte mit Plan und Ziel hn Hinblick auf die Vielheit und Vielfalt der zu lösenden Probleme der Hochschulen, nicht zuletzt aber auch im Hinblick auf die Praktikabilität und Realisierung neuer Vorschriften zweckmäßiger gewesen, als der Systemwechsel des Hochschulrechtes durch ein Gesetz.

Der Aufbau des UOG

Das UOG, das mit Beginn des Studienjahres 1975/76 in Kraft treten soll, sofern es selbst nichts anderes bestimmt, ist im Vergleich zum HOG wesentlich inhalts- und umfangreicher. Das kommt schon in der Gliederung und in der Anzahl der Paragraphen zum Ausdruck (HOG: 10 Abschnitte und rund 70 Paragraphen; UOG: 20 Abschnitte und rund 120 Paragraphen). Nach dem I. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen, worin die traditionellen Aufgaben und ihr doppelter Wirkungsbereich, worin die traditionellen Aufgaben der Universität, der alte und neue Elemente verbindende Katalog der Grundsätze ihrer Tätigkeit, ihre Rehtsstellung und ihr doppelter Wirkungsbereich, Budget und Dienstpostenplan, Aufsicht und Gebarungskontrolle, das Verfahren in behördlichen Angelegenheiten, die Säumnis von Universitätsorganen und die sogenannte Beschwerdekornmission behandelt werden, folgt der II. Abschnitt, der „Die Universitäten und ihre Organisation“ regelt. Dabei fällt auf, daß alle bestehenden wissenschaftlichen Hochschulen, die individuell aufgezählt werden, insgesamt zwölf, einheitlich den Namen Universität führen. Sieben sind in Fakultäten gegliedert, die anderen nicht. Die Einteilung in Universitäten mit und ohne Fakultäts-'Dekanats-Verfassung hat, abgesehen von der Gliederung jener in Fakultäten, die vom Fakultätskollegium und vom Dekan geleitet werden, auch organisatorische Konsequenzen für die Universitätsspitze. Die Universitäten ohne Fakultäten werden vom Universitätskollegium als oberstem Kollegialorgan und vom Rektor, die anderen vom Akademischen Senat als oberstem Kollegialorgan und vom Rektor geleitet (sog. Oberste Organe der Universitäten). Im übrigen wird zwischen den Universitäten nicht differenziert. Der Ausdruck „Akademische Behörden“, wurde — wohl wegen der neuen Zusammensetzung der Kollegien — fallengelassen. Für alle Universitäten ist die Fachgruppenverfassung (Department-System) vorgeschrieben. Alle fachverwandten Institute gehören zu einer Fachgruppe, die von der Fach-

gmppenkammission geleitet wird. Weiters gliedern sich die Universitäten in die zentrale Verwaltung und besondere Universitätseinrichtungen. In diesem Abschnitt sind ferner Geschäftsführung, Wahlen und die Mitwirkung in Kollegialorganen normiert. Hier ist auch der für die Zu-

sammensetzung von Kommissionen der Kollegialorgane zu beobachtende Grundsatz des Proporzes der Gruppenvertreter verankert.

Der weitaus umfangreichste Abschnitt (III) regelt den Kreis der sogenannten „Angehörigen der Universität“, ihre Stellung und ihre Bestellung oder Aufnahme. Der Kreis geht über das im HOG normierte „Personal der Hochschule“ hinaus, da es nicht nur die Personen umfaßt, die an der Universität und für die Universität tätig sind, sondern alle Gruppen, die. an ihr tätig sind. Sie werden in Universitätslehrer (o. und ao. Professoren, Gastprofessoren, Gastdozenten, Gastvortragende, em. Professoren, Honorarprofessoren, Dozenten, Assistenten, Vertragsassistenten, Lektoren, In-struktoren), Mitarbeiter im Lehrbetrieb (Studienassistenten, Demon-stratoren, Tutoren), sonstige Mitarbeiter im wissenschaftlichen Be-

trieb, sonstige Bedienstete und Studierende gegliedert. Der IV. Abschnitt betrifft die „Institute“, also jene Einrichtungen, die unmittelbar der Durchführung von Forschungs-und Lehraufgaben dienen, und ihre Verfassung. Der Dualismus in der Leitungsstruktur (Individualorgan und Kollegialorgan), der auf Univer-sitäts- und Fakultätsebene besteht, ist auch hier vorhanden. Leitungsorgane sind Institutsvorstand und die ihn wählende Institutskonferenz. „Lehrkanzeln“ wird es nach dem UOG nicht mehr geben. Der V. Abschnitt betrifft Einsetzung, drittelparitätische Zusammensetzung und Aufgaben der „Studienkommissionen“. Der VI. Abschnitt „Fakultäten“ regelt die Zuweisung der Institute zu Fachgruppen und Fakultäten, die Zusammensetzung und den Wirkungsbereich des Fakultätskollegiums, enthält Bestimmungen über jedenfalls einzusetzende Spezialkom-missionen wie Fachgruppenkommissionen, Budgetkommission, Personalkommission, Habilitätskommission, Berufungskommission, über Dekan und Dekanat. Der VII. Abschnitt ist Sonderbestimmungen für theologische Fakultäten vorbehalten. Der VIII. Abschnitt ist den „Obersten Organen der Universitäten mit Fakultätsgliederung“, der IX. den „Obersten Organen der Universitäten ohne Fakultäten“ gewidmet, wobei im letzten Fall dem „Universitätskollegium“ als oberstem Kolle-gialorgan jene Aufgaben obliegen, die an den Universitäten mit Fakultätsgliederung dem Fakultätskolle-gium und dem Akademischen Senat zukommen. Der Abschnitt X. behandelt unter der Überschrift „Veruial-tung der Universität“ die Universitätsdirektion, die die Verwaltungsaufgaben der Universität, die ihr eingegliederte Quästur, die alle Kassengeschäfte der Universität besorgt, und besondere Dienststellen. Alle unterstehen dem Universitätsdirektor, einem Verwaltungsbeamten des Bundes, der nur in Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches dem Rektor, ansonsten aber dem Bundesminister untersteht.

Ein zweiter Teil folgt in der nächsten Nummer.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung