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Nicht Eros und Agape Die Liebe ist unteilbar

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„Eiszeit der Herzen“ (Ingeborg Bachmann). Tiefe Kälte, ausströmend von vielen Menschen, im „Jahrhundert der Barbarei“ (ein Münchener Sammelband 1965, an dem ich mitarbeitete). Liebes- schwäche beklagen sehr junge Frauen an ihren Freunden. Ältere Männer verstehen diese „Liebes- schwäche“ als Impotenz.-Mit der Liebe heute verhält es sich vielfach so wie mit dem Frieden: Jeder fordert ihn vom anderen, gibt ihn nicht selbst. Unfähigkeit, Friede zu geben, Liebe zu geben.

Gleichzeitig dies: ein Beben, nicht nur in jungen Herzen, sondern auch in den Hirnen älterer, alter Menschen: Erinnerung an Ur-Zeiten des Menschen, in denen die Seele sich in den himmlischen Raum wagte, in die große Schau. Platon.

Spaltung der Liebe in Eros und Agape, in „irdische“ und „himmlische“ Liebe: diese Spaltung hat dem Menschen sehr geschadet. Liebe, groß, mächtig, unteilbar: Liebe zur „namenlosen Gottheit“, zu einem Menschen, zu Tier, Pflanze, Kreatur. Liebe, heute zu mobilisieren gegen die Schändungen des Menschen, aller Kreatur zu Wasser, auf der Erde, in der Luft. Schändung der Mutter Erde, der Großen Mutter.

Die Große Mutter: Sterbende auf allen europäischen Schlachtfeldern noch des letzten Krieges riefen nach ihr: „Mutter.“ Heimkehr in den Schoß. Liebe: Heimkehr in erste und letzte Heimat. Sich verströmen. Liebe und Tod. Angst vor letzter Hingabe, Angst, den Überfluß, den Uberstrom zu

wagen. Angst tötet Liebe, schon im ersten Keim.

„Die Angst taugt zu nichts." (Reinhold Schneider, in „Winter in Wien“.) Winterliche Seelen, heute, winterlich in allen Jahreszeiten. Liebe ist Wärme, Herzlichkeit, Heimlichkeit. Liebe ist Feuer. Feuer, verzehrendes Feuer. Wir kommen aus den lebendigen Feuern der Gottheit, unser innerster Kern ist lebendiges Feuer. Phlogiston nennen es die Stoiker, scintilla animae, Seelenfünklein, die großen deutschen Mystiker um Meister Eckhart.

Kein Song kann die Liebe zersingen, kein Papier sie zerschrei- ben, keine Rede sie zerreden, keine Schelte sie schelten. Der Tod der Liebe ist der Tod des Menschen. Einer seiner Tode. Viele sterben viele Tode, bis sie endlich ganz tot sind. Ganz lieb-los.

Wiedergeburt der Liebe, aus der Asche. Sie ist der Phönix, ler aus dem Feuer sich erhebt, wiedergeboren. Schmerzliche Geburt, schmerzlicher Tod der Liebe.

Verliebtheit ist ein heute vielfach gebrauchtes Ersatzmittel für Liebe, die nicht gewagt wird. Wir leben, alle, weithin von Ersatz- Mitteln, in allem. Wo ist ein Mensch, der sich nicht der Lieblosigkeit zeihen muß, wenn er in sich sieht? Ja, es gibt Menschen heute, die Liebe sind. Ganz Liebe sind, nahtlos, mit Leib und Seele. Teresa, die Tochter albanischer Bauerngeschlechter, Mutter Teresa von Kalkutta. Und viele Namenlose. Sie sind das Salz der Erde. Sie, die Liebenden.

Der Autor ist Historiker und Publizist.

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