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Nicht gerade Ökumene, aber Toleranz

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Westafrika ist anders. Zwischen Christen und Moslems herrscht ein ungleich besseres Klima als im Sudan oder in Nigeria.

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Westafrika ist anders. Zwischen Christen und Moslems herrscht ein ungleich besseres Klima als im Sudan oder in Nigeria.

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Eine Projektreise nach Westafrika (Mali, Burkina Faso und Togo) im Auftrag der Päpstlichen Missionswerke und der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Österreichs erlebte ich als große Bereicherung. Ich konnte viele sehr gute Entwicklungshilfeprojekte besuchen und durch zahlreiche Gespräche mit Bischöfen, Priestern und Laien einen Eindruck über die Lage der Kirche in diesen drei Ländern gewinnen.

Mali gehört zu den zehn ärmsten Ländern der Welt, der Norden liegt in der Sahara, der Süden in der Sahelzone. Von den zehn Millionen Einwohnern sind nur zwei Prozent Christen (1,5 Prozent Katholiken), 18 Prozent Animisten (Anhänger der Naturreli-gionen) und 80 Prozent Moslems. Trotzdem ist Mali kein islamischer Staat - es herrscht Religionsfreiheit. Dieser afrikanische Islam ist sehr verschieden von dem des Iran, des Sudan und Nordafrikas. Es ist ein nicht aggressiver, toleranter Islam.

In diesen westafrikanischen Staaten ist das Zusammenleben der Christen, Moslems und Animisten gut -oft in derselben Familie in einem alltäglichen natürlichen Dialog. An großen katholischen Festen, wie Weihnachten, Ostern, Taufe, Hochzeit und Beerdigung, nehmen auch immer viele Animisten und Moslems teil. Zwischen dem Erzbischof von Bamako (Hauptstadt von Mali) und dem Imam (oberste moslemische Autorität) besteht ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Es gibt eine theologische Kommission für den Dialog zwischen Christen und Moslems, doch leider trifft sie sich nur sehr selten, da es den Moslems an kompetenten Theologen fehlt und sie von ihrer Wahrheit überzeugt sind.

So kann man von richtiger Ökumene nicht sprechen. Die Gruppe der radikalen Moslems, der sogenannten Integristen (Fundamentalisten) ist in Mali, Burkina Faso und Togo sehr klein, obwohl ihre Propaganda stän-

dig zunimmt. Die Schwarzafrikaner neigen nicht zu Radikalismus. Verschleierte Frauen sieht man nur sehr selten auf dem Lande.

Finanziell werden die Moslems in all diesen westafrikanischen Ländern sehr stark von Saudi-Arabien und Libyen unterstützt. Leider gibt es kaum soziale Entwicklungsprojekte, vielmehr werden überall Moscheen gebaut, Lautsprecheranlagen für die fünf mal täglich stattfindenden Gebete installiert und Koranschulen gegründet (wo aber die Kinder oft nur den Koran auswendig, nicht aber Schreiben und Lesen - ausgenommen einige Koranschulen, in denen die Kinder arabisch lernen). Da es in all diesen Ländern sehr viele verschiedene Ethnien gibt, (Tuareg, Fulbe, Mauren und andere im Norden und Sudanafrikaner im Süden) ist Französisch die Amts-

spräche, die aber nur von Intellektuellen und in den Schulen gesprochen wird. Ethnische Konflikte gibt es keine - ausgenommen mit den Tuareg, die um ihre Unabhängigkeit kämpfen.

Viele katholische Taufen

Die Zahl der Katholiken wächst in diesen Ländern ständig. So wurden allein in der Erzdiözese Bamako/Mali zu Ostern 1992 300 Erwachsene getauft und in der Erzdiözese Ouaga-dougou (der Hauptstadt Burkina Fa-sos) 7.000 Erwachsene und 5.000 Kinder. Der Taufunterricht dauert in beiden Ländern ganze vier Jahre, in Togo drei Jahre. Die große Mehrzahl der Getauften waren Animisten, nur wenige Moslems. Doch nicht die Zahl der zum Christentum übergetretenen Moslems ist entscheidend, sondern ihre Öffnung für christliches Gedankengut. Viele sind Sympathisanten des Christentums, wenn sie auch nicht übertreten würden. Nach der Revolution in Mali im März 1991 fanden große Gebetstreffen für den Frieden statt, an denen viele Moslems, Animisten und Christen teilnahmen.

Die katholische Kirche genießt in allen drei Ländern eine sehr große Wertschätzung und das nicht nur aufgrund ihrer zahllosen sozialen und karitativen Einrichtungen (wie Schulen, Gesundheitsposten, Brunnenbau, landwirtschaftliche Projekte et cetera) sondern - wie immer wieder betont wird - durch die Wahrheit ihrer Botschaft. Die Kirche ist in diesen

Ländern sehr präsent und als moralische Autorität anerkannt. In Mali mit nur 1,5 Prozent Katholiken beträgt ihr Einfluß in der Gesellschaft 30 Prozent. In Burkina Faso mit elf Millionen Einwohnern zählt man 13 Prozent Christen (davon elf Prozent Katholiken), 57 Prozent Animisten und 30 Prozent Moslems; in Togo 38 Prozent Christen, 45 Prozent Animisten und 17 Prozent Moslems.

Besonders in kritischen Situationen (Revolution 1991 in Mali) wird auf das Wort der katholischen Kirche gehört. Sie bezog Position für die Demokratie und das Mehrparteiensystem. Der Erzbischof von Bamako und Vertreter des Klerus waren Mitglieder der „Nationalen Konferenz". Auch in Burkina Faso leistete die Kirche ihren Beitrag zur Demokratisierung des Landes. Sie hat an der Ausarbeitung der neuen Verfassung 1990 aktiv teilgenommen.

In allen drei Ländern sind alle Bischöfe Afrikaner. Während in Mali von 200 Priestern erst 50 Afrikaner und 150 Ausländer sind, stammen in Burkina Faso und Togo bereits über die Hälfte aller Priester und Schwestern aus Afrika. Es gibt viele einheimische Schwestemkongregationen. Unter den Europäern nimmt der Orden der „Weißen Väter" einen besonderen Platz ein.

In allen drei Ländern, besonders in Burkina Faso, sind die Bemühungen der Kirche groß, um die christliche Botschaft in die afrikanischen Kultu-

ren zu integrieren. Die Sakramente der Taufe und Eheschließung sind in Burkina Faso bereits „afrikanisiert". Die Messe wird in den Landessprachen zelebriert (nur in den Hauptstädten gibt es französische Messen), ich erlebte viele „afrikanische Messen" mit ihrer eigenen Musik, Begleitinstrumenten, Tänzen, viel Symbolik. Das Volk feierte wirklich mit, klatschte, sang, und es herrschte große Aufmerksamkeit und tiefe Andacht.

Auch in Togo gibt die Kirche große Hoffnung. Viele Afrikaner leben in Angst vor den bösen geistern der Ahnen. Die christliche Botschaft befreit die Menschen vor dieser Angst. Die katholische Kirche bedeutet Hoff-

nung auf die Befreiung von vielen negativen Bräuchen, zum Beispiel wurde das in Afrika sehr wichtige Ritual der Initiation der Mädchen und Buben in Nordtogo transformiert, ver-christlicht und von der Bevölkerung sehr positiv aufgenommen.

Beliebte katholische Schulen

Gewaltig ist die Leistung der Kirche auf dem Erziehungs- und Gesundheitssektor. Der Staat Mali ist zu arm, es fehlt überall an Volksschulen, 85 Prozent der Bevölkerung sind Analphabeten. Auch in Burkina Faso schaut es nicht viel besser aus. Die katholische Kirche unterhält Volksund Oberschulen, handwerkliche und technische Schulen, besonders auch auf dem Lande. Die Moslems lieben die katholischen Schulen, da Leistung und Disziplin dort viel besser sind als in staatlichen Schulen. Das gleiche gilt für die zahllosen Gesundheitsposten in jeder der Riesenpfarren.

Die katholische Kirche ist in Anbetracht dieser vielseitigen großen Aufgaben (wie auch Brunnenbau, Wiederaufforstung et cetera) sehr arm und kämpft mit großen finanziellen Problemen. Die Kirchen und Missionshäuser (zu Beginn des Jahrhunderts meist aus Lehmziegeln und Wellblechdach gebaut) sind renovierungsbedürftig und vor allem viel zu klein. Das Große Priesterseminar von Kou-mi/Burkina Faso mit 172 Seminaristen (Baujahr 1934) platzt aus allen Nähten, obwohl schon ein neues Großes Seminar in Bamako/Mali gebaut wurde (für Mali, Guinea, Niger und Burkina Faso).

Der Same, den europäische Missionare vor erst 100 Jahren in diesen Ländern gesät haben, bringt reiche Frucht. Allen Spendern sei gedankt und versichert, daß ihre Spenden für den Aufbau der Kirche - des Reiches Gottes - eine große Hilfe bedeuten.

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