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Nicht immer fixe Antwort, aber...

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Die banale These von der Schnelle-bigkeit der Zeit wird durch einen Vergleich der Stimmungslage aus den Jahren 1970 und 1980 nachhaltig bestätigt. Kaum ein Bereich des öffentlichen wie auch privaten Lebens ist heute verblieben, der nicht mit dem Etikett des Krisenhaften versehen worden ist.

Doch was sind die eigentlichen Krisen?

• Es ist wohl das traurigste Faktum, daß in der Zeit des größten Reichtums, den diese Welt je gesehen hat, so viele Menschen verhungern wie nie zuvor.

• Nachdem Jahrzehnt der Entspannung und Abrüstung gilt es, nüchtern festzuhalten, daß niemals zuvor in der Geschichte soviel Geld und menschlicher „Einfallsreichtum” in die Vernichtungsindustrie gesteckt worden sind wie heute.

• Und wohl kaum ein Zeitalter vor uns hat so viele Flüchtlinge über die Kontinente und Meere getrieben und tagtägliche Gewaltanwendung gegen die Menschen gesehen wie das unsere.

• Bliebe da noch die vielzitierte Sinnkrise - ein kokettes Privileg der saturierten Industriegesellschaften? Im Vergleich nimmt sich die Wohlstandskrise tatsächlich als gepflegte Wehleidigkeit aus - umso mehr, als obengenannte Fakten kaum wo Betroffenheit schaffen.

Doch Zyniker aller Couleurs wagen mitunter einen heißen Tip: Auch mit der Krise ließe es sich ganz passabel leben. Es hat sich arrangiert, wer eben konnte. Krisenmanagement würde (nur scheinbar?) zur ausschließlichen Funktion von Politik, und diese in eben diesem Maße reaktionär.

Je schwieriger die Probleme, desto weniger scheint der Boden für eine offene Diskussion entscheidender Zukunftsfragen bereitet. Die „Aussteiger” können auch ehrlichen Anstrengungen kaum mehr Glauben schenken, andere wiederum setzen auf das Hervorkramen der Schlagworte und Methoden von gestern.

Die steirische Volkspartei zeigte schon einmal mit ihrem „Modell Steiermark”, daß sie von einfachen Lösungen nichts hält und blinder Pragmatismus nicht zu ihren Bündnisgenossen gehört.

Es war der Vater des jetzigen Landeshauptmannes, der alte Josef Krai-ner, der in den sich zu Ende neigenden sechziger Jahren einige der hellsten Köpfe der Steiermark um sich schärte und mit ihnen begann, ein umfassendes politisches Langzeitprogramm für die Steiermark zu erstellen. Als die Ergebnisse dieser Denkarbeit im Jahre 1972 der Öffentlichkeit präsentiert worden waren, war die Überraschung gleich eine zweifache:

Erstmals hatte eine Landespartei sich die Mühe einer solchen programmatischen Arbeit gemacht, und zum zweiten war sogleich ersichtlich, daß es sich bei diesem „Modell Steiermark” nicht um einige hingeschleuderte, rattenfängerische Wahlversprechen handelte, sondern um eine politische Perspektive für mehrere Legislaturperioden.

Es war daher nur konsequent, daß der nunmehrige neue Landeshauptmann Josef Krainer jun. zusammen mit seinem Vorgänger Friedrich Niederl schon im Herbst 1979 erneut eine große „Modell Steiermark”-Initiative startete. Seither werden von rund 400 Mitarbeitern in 21 Arbeitskreisen alle brennenden Fragen der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik behandelt.

Aber dieses „Modell Steiermark” ist nicht nur die Denkfabrik der steirischen Volkspartei, es ist auch eine Institution zur Pflege politischer Kultur. Nicht weniger als sieben Arbeitskreise werden von Professoren der steirischen Hochschulen geleitet, und dies scheint uns bei aller berechtigten heutigen Skepsis gegenüber der Wissenschaft trotzdem so wichtig, weil wir auf den Beitrag eben dieser Wissenschaft zur Bewältigung künftiger Aufgaben nicht verzichten können.

Wir sind froh, daß die leitende Betreuung der meisten Arbeitskreise in den Händen junger, unkonventioneller und parteiungebundener Denker liegt. Es wird aber nicht ein Programm von Gscheiterln für Gscheiterln.

Die bunte Palette der Mitarbeiter reicht von sogenannten „einlachen Menschen”, Betroffenen, Jungen, Alten, Frauen, Arbeitern, Bauern, Unternehmern, Beamten bis zu Bannerträgern des sogenannten alternativen Lebens.

Diese schillernde Zusammensetzung und die Parteiungebundenheit eines Großteils der Mitarbeiter sind uns der Garant eines politischen Klimas größtmöglicher Offenheit und einer sachbezogenen, differenzierten Diskussion.

Die erste Maßnahme der neuen Modell-Steiermark-Arbeit galt der Erstellung eines „Energiesparbuches”. Wir wollten keine Zeit verschwenden mit dem Aufwärmen der alten Atom-Suppe.

In diesem Energiebücherl fand sich neben ganz praktischen Tips zur sparsameren Verwendung von Energie auch eine wissenschaftlich fundierte, steirische Energieperspektive, die durch den Rückgriff auf einheimische Ressourcen zu einer möglichst autonomen Energieversorgung führen könnte.

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit gilt der Jugend; wir sind betroffen von deren politischer und gesellschaftlicher Abstinenz. Wir wollen dies nicht einfach übergehen, weil es „sowieso alle im selben Ausmaß trifft”.

Wir versuchten daher, mit unserem

„Politwecker” einen dosierten Abbau des gestörten Verhältnisses zwischen Jugend und Politik. Bei einem großen Jugendtreffen haben wir neben viel Unterhaltung, Ansporn zu eigener künstlerisch-kreativer Bestätigung einen ganz lockeren, politischen Dialog zu initiieren versucht.

Einer unserer Arbeitskreise mit dem Titel „Internationale Verantwortung” befaßt sich mit unseren Beziehungen zu unmittelbaren Nachbarstaaten, aber auch zu den Ländern der Dritten Welt.

Wir werden uns dafür einsetzen, daß die Steirische Landesregierung ihre bisherigen Mittel für direkte Projekthilfe auf ein Vielfaches erhöht, einen gleich hohen Betrag für die Bewußtseinsbildung in unserem Land zur Verfügung stellt und ein Journalistenpreis für die besten Beiträge der steirischen Massenmedien zu diesem Thema gestiftet wird.

Wir werden aber nicht auf alles eine fixe, für immer gültige Antwort geben können und dies auch gerne sagen. Denn wir glauben, daß auch dies zu einer neuen Politik, die wieder Vertrauen bei den Leuten gewinnen will, dazugehört, daß der Politiker nicht dauernd mit der Attitüde des Alleswissers auftritt.

Der Verfasserist Geschäftsführer des ..Modells Steiermark”.

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