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Nicht internationalisieren, austrifizieren

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Die Kärntner Landtagswahlen sind schon lange vorbei. Auch der südliche Nachbar hat die Zielrichtung seiner Ablenkungsmanöver geändert. Die Sprecher der Kärntner Slowenen haben zu erkennen gegeben, daß sie wieder mitreden wollen in den einschlägigen Gremien. Also wären eigentlich — einige — Voraussetzungen gegeben, die Lösung der Minderheitenprobleme in unserm südlichsten Bundesland außerhalb aufgeschaukelter Leidenschaften in Angriff zu nehmen.

Der Verband katholischer Publizisten versuchte dies kürzlich im Bü-dungsheim in Tainach, mitten im zweisprachigen Gebiet, in jenem Haus, das der slowenischen Bevölke-ring zur Erfüllung ihrer Bildungsaufgaben zur Verfügung steht. Und es gelang ihm, Sprecher aller scheinbar so verfeindeten Gruppen, der drei politischen Parteien, der volksbewußten Slowenen und •

„Windischen“, zum ersten Mal überhaupt zur Diskussion über die Probleme der Minderheit an einen Tisch zu holen.

Wieso eigentlich „Minderheit“? Nur um zu quantifizieren? Die slowenischsprechenden Kärntner sind genau so lange in diesem Land nördlich der Karawanken verwurzelt wie ihre (nur) deutschsprechenden Landsleute. Ja, der ÖVP-Fraktionsführer im Bleiburger Rathaus, Oschmautz, meinte, wer hier rein deutsches oder rein slowenisches Blut in den Adern habe, sei aus Nord oder Süd zugewandert.

Wie weit die Integration dieser Menschen — von denen sehr viele sich weder als Deutsche, noch als Slowenen, sondern nur als „Kärntner mit zwei Umgangssprachen“ bezeichnen wollen, wie weit also ihre Integration reicht, zeigt wohl sehr deutlich die Tatsache, daß sich der zweite Landtagspräsident Hans

Schumi von der ÖVP, der FPÖ-Ab-geordnete Silla — zugleich Spitzenfunktionär im Heimatdienst und im „Bund der Windischen“ — und der SPÖ-Stadtrat von Bleiburg, Valentin Vauti, als Angehörige dieser Volksgruppe bezeichneten als „Windische“, für die Silla das Recht auf Assimilation reklamierte.

Hier aber liegt der neuralgische Punkt für jene, die sich bewußt zu ihrem Volkstum bekennen, die Slowenen sein wollen — ohne deswegen an ihrem Bekenntnis zu Österreich zweifeln zu lassen — und die alle jene Rechte in Anspruch nehmen, die ihnen Menschenrechtskonvention im allgemeinen und der Staatsvertrag im Speziellen zuerkennen. „Gleichberechtigung“ im Sinn einer Gleichbehandlung mit allen anderen Kärntnern muß ihnen zu wenig erscheinen. „Chancengleichheit“, in anderem Zusammenhang über Gebühren strapaziert,

muß ihnen zusätzliche Förderung angedeihen lassen, um ihre Gleichberechtigung voll zur Geltung zu bringen.

Die Kirche ist vorangegangen, mit kleinen Schritten der Versöhnung, des Gesprächs, der Versuche, das Mißtrauen abzubauen. Ein Koordi-naüonsausschuß, die Gleichberechtigung der beiden Sprachen im kirchlichen Bereich, gemeinsame Veranstaltungen, Verbesserungen im Religionsunterricht — kleine Schritte, deren Erfolg kaum sofort festzustellen ist, wie die „Minderheiten-Zwillinge“ Ernst Waldstein und Valentin Inzko berichteten. Die zweisprachige Messe in St. Kanzian war der eindrucksvolle Beweis, daß man auch gemeinsam beten kann — aber wäre es der Versöhnung nicht doch zuträglich, die Gemeinsamkeit nicht zu überfordern und den Fordertingen der Mehrheit zu entsprechen, wenigstens eine (ganze) Messe am Sonntag deutsch zu zelebrieren?

„Wir sind Österreicher, Kärntner Slowenen — keine jugoslawische Minderheit!“ bekannte Slowenensprecher Inzko. Niemand bezweifelte dieses Bekenntnis. Aber es müßte

dadurch unterstrichen werden, daß man — ungebetene — Schützenhilfe aus dem Süden zurückweist, mehr noch, daß man sich dem übrigen Österreich nicht als Minderheit, sondern als integrierender Bestandteil immer wieder vor Augen führt. Die Minderheitsmentalität führt leicht in das Ghetto, damit aber zum Unverständnis, zur Ablehnung in der Mehrheit.

Das Slowenenproblem darf nicht internationalisiert, es müßte „austri-fiziert“, auf ganz Österreich ausgedehnt werden. Das freundliche Land an den Karawanken müßte auch außerhalb seiner Grenzen bekannter gemacht werden — mit allen seinen Facetten, auch jenen der Minderheit. Auch Volksgruppen brauchen ihre Öffentlichkeitsarbeit, ihre Werbung um Wissen und Vertrauen. Österreich wäre nicht Österreich, hätte es nicht durch die Jahrhunderte andere Volkstümer mit dem alpenländisch-deutschen integriert — nicht nur assimiliert. Warum sollte es hier nicht möglich sein, wo beide nebeneinander seit Jahrhunderten Heimatrecht genießen?

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